Innenminister Schäuble will Sicherheitsgesetze weiter verschärfen

Artikelstatus: Fertig 20:44, 3. Apr. 2007 (CEST)
Bitte keine weiteren inhaltlichen Veränderungen vornehmen, sondern einen Folgeartikel schreiben.

Berlin (Deutschland), 03.04.2007 – Der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will eine gesetzliche Initiative zur Verschärfung der deutschen Sicherheitsgesetze starten – im Kern geht es dabei um eine drastische Erweiterung der Kompetenzen des Bundeskriminalamtes. Voraussichtlich Mitte April soll ein entsprechender Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums vorgelegt und in der Großen Koalition diskutiert werden – bislang ist also nur die grobe Stoßrichtung des Entwurfes bekannt. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus schlägt Schäuble eine Bandbreite von gesetzlichen Maßnahmen vor, die jedoch bei Datenschützern, der Opposition im Bundestag und in Teilen auch bei der Gewerkschaft der Polizei auf scharfe Ablehnung stoßen.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble forciert die Sicherheitsbemühungen der Bundesrepublik
Das Bundesministerium des Innern will die BKA- und Polizeibefugnisse ausweiten

Die Gesetzesvorlage sieht vor, eine bundesweite Datei einzurichten, in der die Fingerabdrücke aller Bundesbürger gespeichert werden. Die SPD lehnt diesen Vorstoß zurzeit noch ab und bezeichnet ihn als „verfassungswidrig“; auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, weist die Überlegungen Schäubles „mit aller Vehemenz“ zurück. Da der Bundesgerichtshof die vom Bundesinnenminister unterstützte Praxis der heimlichen Online-Durchsuchungen für nichtig erklärt hatte, fordert Schäuble jetzt eine gesetzliche Grundlage; die SPD unterstützt Schäuble in diesem Punkt. Weiterhin unklar ist, ob neben der präventiven Ausspähung von Computern durch das BKA auch der Polizei der Zugang zu den Daten von Privatcomputern zum Zweck der Strafverfolgung gewährt werden soll – Schäuble macht sich für diese Option stark.

Deutsche Polizisten

GdP-Vorsitzender Freiberg pocht darauf, dass es bei Online-Durchsuchungen richterliche Kontrollmöglichkeiten geben müsse; auch solle das Eindringen in Privat-Computer nur bei schweren Delikten oder zur Terrorabwehr gestattet werden. Darüberhinaus sollen nach den Überlegungen des Ministers Schäuble die Daten, die im Rahmen der LKW-Maut erhoben werden und bislang nur zu Abrechnungszwecken verwendet werden dürfen, für die Verbrechens- und Terrorisbekämpfung fruchtbar gemacht werden – Die SPD hat hier bereits Entgegenkommen signalisiert, falls der Straftatenkatalog auf schwere Fälle wie Totschlag, Mord oder terroristische Anschläge begrenzt und damit eng gefasst werde – dies fordert auch die Polizei-Gewerkschaft. Jedoch gibt es auch noch strittige Punkte: Während der Bundesinnenminister die Maut-Datensätze auch dem BKA zur Verbrechensprävention zugänglich machen möchte, verwahrt sich die SPD dagegen und will die Daten nur zur Strafverfolgung freigeben. Schäuble will dem BKA darüber hinaus noch weitere Kompetenzen zubilligen: Dem Bundeskriminialtamt soll es zukünftig erlaubt sein, präventive Rasterfahndungen auf Bundesebene anzuordnen und durchzuführen. Bislang war dies der Polizei auf Länderebene vorbehalten. Auch die Telekommunikation soll nach den Vorstellungen Schäubles vom BKA präventiv abgehört werden dürfen – hierzu ist wahrscheinlich eine Änderung des G 10-Gesetzes nötig, das die Eingriffe der deutschen Geheimdienste in das vom Grundgesetz garantierte Briefgeheimnis, Postgeheimnis und Fernmeldegeheimnis regelt. Das Ministerium wollte sich diesbezüglich noch nicht äußern. Des Weiteren plant das Innenministerium, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum „Großen Lauschangriff“ auszuhebeln, das die Aufzeichnung privater Gespräche verboten hatte, und dringt auf die Einführung des so genannten Richterbandes. Dabei wird das komplette Gespräch mitgeschnitten. Ein Richter entscheidet dann über die weitere Verwendung und verfügt, ob Teile der aufgenommenen Konversation gelöscht werden müssen oder vor Gericht zugelassen werden. GdP-Vorsitzender Freiberg lobte den Vorschlag Schäubles als „rechtsstaatlich saubere Lösung“.

Mautbrücke in Deutschland - Wolfgang Schäuble will die Zweckbindung der LKW-Mautdaten aufheben

Scharfe Kritik an den Plänen der Bundesregierung kommt vom Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Peter Schaar, der die vom Bundesinnenminister auf den Tisch gelegten Vorschlägen skeptisch sieht und einen Eingriff in die Bürgerrechte befürchtet. Im WDR bezeichnete Schaar die Ausweitung der BKA-Befugnisse als „ziemlich kritisch“: Er befürchte, dass die geplanten Regelungen auch den normalen Bürger treffen könnten. Schaar werde die geplante Gesetzesnovelle einer umfassenden Prüfung unterziehen. Vor allem müsse die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gewahrt bleiben. Auch angesichts der Terrorgefahr sei es inakzeptabel, „dass praktisch die Privatsphäre aller Bürgerinnen und Bürger wegen einer solchen Gefährdung letztlich nicht nur in Gefahr gerät, sondern aufgehoben wird“.

Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler warf der Bundesregierung unterdessen „stilloses“ Verhalten vor: Es zeuge von „mangelndem Respekt“ gegenüber dem Bundesverfassunsgericht, dass der Bundesinnenminister eine gesetzliche Grundlage für Online-Durchsuchungen vorbereite, noch bevor das BVerfG über deren Verfassungsmäßigkeit entschieden habe – eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über eine Klage des ehemaligen Bundesinnenministers Gerhart Baum (FDP) gegen das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz, das dem dortigen Verfassungsschutz die Möglichkeit von Online-Durchsuchungen privater Computer eingeräumt hatte, steht noch aus. Den Maßnahmen-Katalog Schäubles rügte Stadler als so wörtlich „gesetzgeberischen Aktionismus“.

Die Linksfraktion brandmarkt die „Überwachungsphantasien“ des Bundesinnenministers als „gravierenden Anschlag auf die Grundrechte“: Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, und die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Petra Pau, äußerten sich gegenüber Wikinews ausführlich in einem Interview. Auch die FDP und die Grünen nahmen in einem Interview gegenüber Wikinews Stellung.

Themenverwandte Artikel

Quellen