Ulla Jelpke von der Linksfraktion im Interview: Schäubles Pläne sind „Überwachungsphantasien“

Artikelstatus: Fertig 20:54, 3. Apr. 2007 (CEST)
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Zur Person Ulla Jelpke

  • Seit 2005 Abgeordnete des Deutschen Bundestages
  • Innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke

Berlin (Deutschland), 03.04.2007 – Anlässlich der Ankündigung des Bundesinnenministers Wolfang Schäuble, die deutschen Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den internationalen Terrorismus mit weitreichenden Befugnissen auszustatten, haben wir mit Ulla Jelkpe von der Linksfraktion gesprochen, die schwerwiegende Bedenken geltend macht und Wolfgang Schäuble auffordert, seine „Überwachungsphantasien“ zu beenden.

Wikinews: Ist die vom Bundesinnenminister angestrebte Ausweitung der Befugnisse des BKA und der Polizei (z.B. mit der aktuellen Gefahrensituation) begründbar? Befürchten Sie drastische Einschnitte in die Grundrechte?

Jelpke: Die Bundesregierung räumt selbst ständig ein, dass sie keine konkreten Gefährdungserkenntnisse hat. Von daher bringen die von ihr angestrebten Befugnisse keine erhöhte Sicherheit, sondern nur weitere Verluste von Grundrechten: Das Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung, auf Unverletzlichkeit der Wohnung, auf das Telefongeheimnis.

Wikinews: Welche konkreten Vorschläge der Gesetzesnovelle sind Ihrer Meinung nach verfassungswidrig bzw. lehnen Sie ab?

Jelpke: Eine „Gesetzesnovelle“ in dieser Form gibt es noch nicht, lediglich Planungen. Es gibt aber eine Reihe konkreter Überlegungen zur Online-Überwachung, zur Telefonüberwachung und zum Luftsicherheitsgesetz sowie zur Verwendung von Mautdaten. Die meisten dieser Vorschläge basieren auf alten Vorlagen, die vom Bundesverfassungsgericht schon verworfen worden sind. Schäuble hat daraus aber nicht die Konsequenzen gezogen, sondern belässt es bei wenigen Änderungen.

Wikinews: Inwieweit wiegt Ihrer Meinung nach der Nutzen der Aufhebung der Zweckbindung der Maut-Daten den Eingriff in die Bürgerrechte und Privatsphäre auf?

Jelpke: Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber eine klare Linie vorgegeben: Daten dürfen prinzipiell nur für den Zweck verwendet werden, für den sie erhoben worden sind. Mit der gleichen Begründung, wie sie jetzt bei den Mautdaten geliefert wird, könnte man auch fordern, ein komplettes Bewegungsbild bei Bahnreisenden zu erstellen. Oder bei Pkw-Fahrern. Warum nicht gleich einen Chip in jede Bürgerin und jeden Bürger einpflanzen, um feststellen zu können, wo sich jemand aufhält?

Wikinews: Sehen Sie einen Mehrwert in der Speicherung der Fingerabdrücke aller Bundesbürger in einer bundesweit zugänglichen Datei? Welchen Bedenken haben Sie?

Jelpke: Die Erfahrung zeigt: Datensammlungen provozieren Gelüste, sie auch für andere Zwecke zu verwenden (siehe Mautdaten). Es kann nicht sein, dass die Bürgerinnen und Bürger alle wie Straftäter behandelt werden.

Wikinews: Wie stehen Sie zu dem Vorstoß Schäubles, das BKA solle die Kompetenz erhalten, bundesweite Rasterfahndungen durchzuführen?

Jelpke: Schon die bisherigen Rasterfahndungen haben praktisch kaum Ergebnisse geliefert, dafür aber Tausende unter Verdacht gebracht und die Grundrechte der Betroffenen verletzt. Das wird bei einer bundesweiten Aktion nicht besser.

Wikinews: Wie stehen Sie zu der geplanten Gesetzesgrundlage für heimliche Online-Durchsuchungen?

Jelpke: Online-Durchsuchungen von Computern sind aus meiner Sicht dem Großen Lauschangriff auf Privatwohnungen gleichzustellen und sind ein gravierender Anschlag auf die Grundrechte. In einem Rechner befinden sich schließlich jede Menge Privatdateien, die zur geschützten Privatsphäre gehören. Häufig nutzen verschiedene Personen den gleichen Rechner, so dass die Grundrechte gleich mehrerer Personen verletzt werden. Derzeit läuft eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz, das dem dortigen Geheimdienst das Recht zu Online-Durchsuchungen gibt. Es wäre das Mindestgebot an politischem Anstand, wenn Schäuble seine Überwachungsphantasien wenigstens bis zur Entscheidung aus Karlsruhe hintenanstellt.

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Quellen

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