Kommt in Deutschland Gesetz zum Verbot von „Killerspielen“?

Artikelstatus: Fertig 16:23, 9. Dez. 2006 (CET)
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Berlin (Deutschland), 09.12.2006 – Die Diskussion um ein Verbot von so genannten „Killerspielen“ nimmt seit dem Amoklauf von Emsdetten kein Ende. Ein Jugendlicher schoss dabei in einer Schule um sich und verletzte 37 Personen, bevor er sich selbst tötete (Wikinews berichtete). Kurz darauf wurde bekannt, dass zu den Hobbys des Jugendlichen nicht nur Schusswaffen gehörten, sondern er auch gewalttätige Computerspiele gespielt hatte. Eine erste Reaktion von Politikern aus beiden Regierungsparteien war die Forderung nach einem Verbot solcher Spiele (Wikinews berichtete).

Inzwischen sind diese Forderungen konkreter geworden. So will der bayerische Innenminister Günther Beckstein einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einbringen, in dem „Killerspiele" nach Paragraph 131 des Strafgesetzbuches verboten werden sollen. In dem Entwurf ist eine Freheitsstrafe von bis zu einem Jahr vorgesehen bei Darstellung „grausamer oder sonst unmenschlicher Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnlichen Wesen“, wenn die Darstellung „eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt“ oder sie „das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt“.

Uwe Schünemann

Auf Unterstützung stößt Beckstein nicht nur bei Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber, sondern auch bei seinem Kollegen Uwe Schünemann in Niedersachsen. In einem Interview mit stern.de vom 8. Dezember lehnte Schünemann etwa den Vergleich der Gewaltverherrlichung in einem James-Bond-Film mit einem Computerspiel ab: „Das ist eine ganz andere Qualität. Bei den ‚Killerspielen‘ geht es darum, dass die Spieler selbst zum Töten animiert werden.“ Das Spielen solcher Spiele sei deshalb „pervers und gehört sofort verboten“.

Bestehende Regulierungen wie die Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK) hält er nicht für wirksam. Zu wenige Mitarbeiter würden zu viele Spiele prüfen. Außerdem seien die jetzigen Prüfer alleine nicht geeignet: „Die Pädagogen sind zwar wichtig. Aber ebenso wichtig ist, dass hier Experten dabei sind, die auch die Folgen abschätzen können. Deshalb müssen hier auch Kriminologen eingesetzt werden.“

In dem Punkt der Nicht-Wirksamkeit der USK behält er laut einer Onlinestudie der Organisation „P4M - Die Internetagenten“ recht. So sind laut Studie sämtliche im Jahr 2006 von der Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien indizierte Computerspiele trotzdem über das Internet erhältlich, und 89 Prozent der von der USK erst ab 18 freigegebenen Spiele. Der Leiter der Studie fasst zusammen: „Unsere Studie zeigt, dass jugendgefährdende und nicht-jugendfreie Spiele online für jedermann, also auch für Kinder und Jugendliche, die Internetzugang haben, problemlos zugänglich sind.“

Für Schünemann steht fest, dass nach einem Einbringen des erwähnten Gesetzentwurfs im Februar im Bundesrat auch tatsächlich ein entsprechendes Gesetz kommen wird: „Und dann bin ich ganz sicher, dass es dafür eine breite Mehrheit gibt, auch anschließend im Bundestag.“

Keinen „strafrechtlichen Mehrwert“ in dem möglichen Gesetzentwurf sieht im Moment jedoch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries von der SPD. Auch der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) sowie der G.A.M.E. Bundesverband der Entwickler von Computerspielen lehnen ein pauschales Verbot von Gewaltspielen ab. Von seiten des BIU heißt es zum Beispiel: „Eine weitergehende staatliche Inhaltskontrolle verstößt gegen das Zensurverbot des Grundgesetzes.“ Und von seiten des Verbandes G.A.M.E. wird angezweifelt, „wieso Erwachsenen ein Recht auf brutale Action-Filme, Horrorschinken und ähnliches Zeug eingeräumt wird, aber ausgerechnet Computerspiele in Frage gestellt werden“.

Der Justiziar des Deutschen eSport-Bundes Johannes Ulbricht sieht außerdem mehrere juristische Verstöße gegen das Grundgesetz in Becksteins geplantem Entwurf. So würde seiner Meinung nach die neue Fassung des Paragraphen 131 gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot verstoßen, da er zu ungenau würde. Außerdem würde der Entwurf gegen die Kunstfreiheit verstoßen.

Eine Wende in der Debatte könnte auch aus Brüssel kommen. EU-Justizkommissar Frattini strebt eine Vereinheitlichung entsprechender Richtlinien an. Sollte es zu einer Klage gegen ein entsprechendes Gesetz vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) kommen, was laut Florian Müller, einem Lobbyisten der deutschen Spieleindustrie, zu erwarten wäre, so könnte das Ergebnis darin bestehen, dass es zu einer einheitlichen EU-weiten Bestimmung kommt. Damit wären dann unter Umständen am Ende sogar mehr Spiele als im Moment zugelassen.

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Quellen