Bohrinsel-Unglück: Zwei weitere Ölteppiche nun auch in der Tiefsee entdeckt

Veröffentlicht: 07:40, 10. Jun. 2010 (CEST)
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Washington D.C. (Vereinigte Staaten) / London (Vereinigtes Königreich), 10.06.2010 – Der Druck auf den BP-Konzern wächst, US-Präsident Barack Obama hat den Vorstandschef des Ölmultis, Tony Hayward, scharf angegriffen und ihn zum Rapport vor den US-Kongress Anfang nächster Woche bestellt. Würde es nach Obama gehen, hätte der den Hayward längst gefeuert, sagte Obama in einem Interview gegenüber dem Sender NBC aus. Schließlich hat Hayward doch die Öffentlichkeit monatelang durch Schönreden und Verharmlosung der dritten Katastrophe seiner Amtszeit hinters Licht geführt. Mittlerweile wurden er und seine Familie unter Polizeischutz gestellt. Das Weiße Haus hat angekündigt, dass den Ölkonzern neben den Zahlungen zur Sanierung und den Kosten der Bergung zusätzlich gemäß US-Gesetzen 4.300 US-Dollar pro Barrel Strafe pro Tag treffen wird. Da derzeit 19.000 Barrel täglich ins Meer flossen, beliefe sich die Strafe demzufolge für einen Tag auf 81,7 Millionen US-Dollar.

Der Sprecher der US-Küstenwache, Thed Allen, konnte in den vergangenen Tagen einen kleinen Erfolg vermelden. BP ist es im zweiten Anlauf gelungen, das Steigrohr über dem defekten Blow-out-Preventer zu kappen und mit einer kleinen Metallglocke abzudichten. Im ersten Versuch hatte sich das Diamantblatt des Spezial-Schneiders verkappt, der Versuch wurde zunächst abgebrochen und dann später mit einem gigantischen Hydraulik-Metallschneider ausgeführt. Durch den Einsatz des Metallschneiders allerdings unscharf, so dass zunächst nicht die von BP vorhergesehene Dichte erreicht werden konnte. Inzwischen sei nach Nachbesserungen die Quote beträchtlich gesteigert worden und werde aller Voraussicht weiter steigen, meinte BP. Rund die Hälfte der täglich austretenden Menge werde nun auf ein Schiff, welches am oberen Ende des Trichters angedockt ist, geleitet. Diese kleine Glocke ist jedoch nur ein Provisorium. Bis Mitte Juni soll noch ein weiteres System die Absaugrate weiter steigern. Erst Ende August soll eine Entlastungsbohrung - andere Quellen sprechen von zwei Entlastungsbohrungen - auf den Unglücksschacht auftreffen und dann die defekte Quelle mit Zement hoffentlich vollends abgedichtet werden, behelfsweise zumindest für eine Druckentlastung sorgen. Ob das gelingt, ist angesichts der vergangenen Fehlschläge von BP mehr als fraglich.

Die US-Behörde für Ozeanographie (NOAA) bestätigte, dass es weit entfernt von der Unfallstelle zwei große Unterwasser-Ölschwaden gibt, die von dem Unglück herrühren. Damit sind auch Meerestiere in größeren Tiefen bedroht. Am Montag hatte die für Wildtiere zuständige Behörde (U.S. Fish and Wildlife Service) von mehr als 1.000 ölverschmierten Vögeln berichtet, die - tot oder lebendig - an der Küste gefunden worden seien. Von der Ölpest sind bisher hauptsächlich die Strände und Marschen von Louisiana betroffen, aber auch in Alabama, Mississippi und Florida wird immer mehr schweres Öl zum Teil als Klumpen angeschwemmt. Die eine Unterwasser-Schwade befindet sich nach Angaben von NOAA-Chefin Jane Lubchenko gut 260 Kilometer von der Unglücksstelle entfernt, die andere rund 78 Kilometer. Nach Proben-Analysen reichten die Öl-Wolken von der Wasseroberfläche aus bis zu 1.000 Meter in die Tiefe. Die Konzentration sei aber laut der NOAA nur gering.

Nach einem Bericht in der "Washington Post" (Dienstagausgabe) haben interne Untersuchungen bei BP in den letzten zehn Jahren wiederholt Hinweise auf Verstöße gegen Sicherheits- und Umweltbestimmungen ergeben. Damit hätten leitende BP-Manager gewarnt sein müssen, dass das Risiko eines schweren Zwischenfalls besteht, wenn es bei derartigen Praktiken bleibt, stellen die Autoren von der unabhängigen Journalisten-Gruppe ProPublica fest. So habe es bei Ölbohrungen in Alaska eine ganze Reihe von Problemen gegeben: beispielsweise veraltete Ausrüstung, verkürzte oder verzögerte Inspektionen aus Kostengründen und Druck auf Beschäftigte, Mängel zu verschweigen.

Der Naturschutzbund (NABU) forderte anlässlich des internationalen Tages der Ozeane am Dienstag Konsequenzen aus der Ölpest und bezeichnete den Untergang der Bohrinsel als die schlimmste Ölkatastrophe in der Geschichte der Industrialisierung: Ein einzigartiges Ökosystem und die Lebensgrundlage von Zehntausenden Menschen seien zerstört.

"Es ist an der Zeit, die Öl- und Gasindustrien stärker zu kontrollieren und unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen drastisch zu verringern", sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. In Deutschland müssten endlich die "Spritfresser" von der Straße kommen und erneuerbare Energien verstärkt genutzt werden. So könne auch auf die Erschließung "unkonventioneller Ölquellen" wie die Tiefsee- Bohrungen von BP verzichtet werden. Nach Angaben des Naturschutzbundes wäre ein ähnliches Desaster wie das im Golf von Mexiko auch an der heimischen Küste denkbar: Hier bohrten Firmen mit gleicher Technik wie BP in über einem Kilometer Tiefe.

Wie hoch die Auswirkungen der Katastrophe sind und wie lange man damit noch zu tun haben wird, steht noch in den Sternen. Der Ölmulti bereitet sich auf eine Klagewelle vor, und will gemäß Antrag an die US-Regierung alle Verfahren vom speziellen Richter Lynn Hudges im als ölfreundlich geltenden US-Bundesstaat Texas abwickeln lassen.

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