Wulffs Verteidigungslinie bröckelt
Veröffentlicht: 18:58, 17. Dez. 2011 (CET) Bitte keine inhaltlichen Veränderungen vornehmen. |
Hannover (Deutschland), 16.12.2011 – Im Zuge der Affäre um angebliche finanzielle Beziehungen zwischen Bundespräsident Christian Wulff und dem Osnabrücker Geschäftsmann Egon Geerkens hat sich letzterer nun öffentlich zu Wort gemeldet und ernsthafte Zweifel an der bisherigen Darstellung durch das Bundespräsidialamt erweckt.
Wulff hatte sich im Jahre 2009, als er noch Ministerpräsident von Niedersachsen war, einen Privatkredit in Höhe von 500.000 Euro beschafft. Mit dem Geld kaufte er für seine neue Familie ein Haus in Großburgwedel bei Hannover. Als die niedersächsische Landtagsfraktion vom Bündnis 90/Die Grünen in einer parlamentarischen Anfrage wissen wollte, ob eine geschäftliche Beziehung zwischen Wulff und Geerkens bestehe, hat dieser verneint. In der Zwischenzeit wurde zu dem Vorfall kommuniziert, die Ehegattin Geerkens' habe dem damaligen Ministerpräsidenten die Gelder zukommen lassen und insofern habe in der Tat nie eine geschäftliche Beziehung zu Egon Geerkens bestanden. Die Anfrage der Grünen hatte sich schließlich nur auf Egon Geerkens bezogen und nicht auch auf seine Gattin.
Das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland hat dementsprechend die Nachfragen der interessierten Öffentlichkeit bisher mit dem Hinweis abgetan, er habe den Landtag doch nie belogen. Den Kredit habe er von der Gattin erhalten, insofern sei keine geschäftliche Beziehung zu Egon Geerkens entstanden. In der Tat hat sich Christian Wulff nach diesem Sachstand juristisch nicht angreifbar gemacht. Allerdings hat es von journalistischer Seite bereits zu diesem Zeitpunkt Spekulationen darüber gegeben, ob der Verzicht des Ministerpräsidenten auf den freiwilligen Hinweis auf die Geschäftsbeziehung zur Gattin Geerkens' möglicherweise unter ethischen Gesichtspunkten problematisch erscheinen könnte.
Der Geschäftsmann hat sich nun aber selbst zu Wort gemeldet. Nach seiner Aussage gegenüber der Zeitschrift „DER SPIEGEL“ hatte er selbst den Kreditvertrag ausgehandelt. Es sei seinen Überlegungen darüber, wie das Geschäft technisch optimal abzuwickeln sei, geschuldet, dass der Geldtransfer über ein Konto seiner Gattin gelaufen sei. Für dieses Konto habe er selbst auch eine Verfügungsvollmacht gehabt. Auch für das Konto, auf dem die Rückzahlung des Kredits eingegangen war, habe er gemeinsam mit seiner Ehefrau die Verfügungsvollmacht besessen.
Angesichts dieser Behauptungen könnte sich nun die Frage stellen, ob nicht doch eine Geschäftsbeziehung zwischen Christian Wulff und Egon Geerkens bestand. Wenn letzterer wirklich die Vertragskonditionen verhandelt hat und die Geldflüsse über Konten liefen, die zwar seiner Ehefrau gehörten, über die er aber dennoch verfügen konnte, so könnte aus juristischer Sicht der Eindruck erstehen, es sei ein Kreditvertrag zwischen Christian Wulff und Egon Geerkens zustande gekommen und die Gattin sei allenfalls als Strohfrau aufgetreten. In diesem Falle hätte der damalige Ministerpräsident den Landtag belogen. Denn im deutschen Zivilrecht wird auf den tatsächlichen Willen der Beteiligten einer Abrede abgestellt. Im Wortlaut davon abweichende Dokumente haben keinerlei rechtliches Gewicht, wenn sie dem eigentlichen Rechtswillen der Beteiligten widersprechen und nur zur Täuschung Dritter über den Bestand oder den Inhalt eines Rechtsgeschäfts fabriziert wurden. Darüber hinaus könnte in einem solchen Fall eine strafrechtliche Relevanz in Betracht kommen.
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Quellen
- Süddeutsche Zeitung: „Zweifel an Wulffs Aussagen“ (16.12.2011)
- Die Welt: „Zwei Versionen der Wulff-Affäre – nur eine stimmt“ (16.12.2011)