Spekulationen über Absturzursache der Präsidentenmaschine

Veröffentlicht: 14:17, 15. Apr. 2010
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Warschau (Polen) / Moskau (Russland), 15.04.2010 – Auch Tage nach dem Absturz der polnischen Regierungsmaschine, die zum Tod aller Personen an Bord geführt hat, wird weiterhin spekuliert, ob der polnische Präsident Lech Kaczyński Druck auf den Piloten des abgestürzten Flugzeuges ausgeübt hat. Tomasz Szulc von der Technischen Hochschule in Breslau wies im Fernsehsender TVN darauf hin, dass Kaczyński während des russisch-georgischen Krieges im Jahr 2006 einen Piloten der „Befehlsverweigerung“ beschuldigt hatte, weil dieser nicht in der umkämpften Stadt Tiflis landete, sondern in dem Nachbarstaat Aserbaidschan. Kaczyński musste von dort mit dem Auto in die georgische Hauptstadt fahren. In einem Interview mit der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza zog Szulc in Betracht, dass der Pilot vor allem vor diesem Hintergrund unter Druck gestanden habe. Das Ausweichen nach Minsk oder Moskau hätte eine mehrstündige Verspätung der Delegation bedeutet. Der Pilot sei offenbar weniger durchsetzungsfähig gewesen als der Pilot, der damals die Landung im georgischen Kriegsgebiet verweigert hatte.

Eine Stunde vor dem Unglück war eine Maschine der polnischen Luftwaffe mit dem Tross des Präsidenten und Journalisten an Bord ohne Problem auf dem Flughafen gelandet, doch dann verschlechterte sich die Sicht deutlich. Etwa dreißig Minuten vor dem Unglück hatte eine russische Iljuschin Il-76 die Landung auf dem Smolensker Militärflughafen abgebrochen. Der ortskundige Pilot des russischen Flugzeuges habe zwei Landeversuche unternommen und sich dann entschlossen, nach Moskau zurückzukehren. Die russische Presse veröffentlichte die Meldung, dass der Pilot bereits beim Abflug über die Wetterverhältnisse Bescheid gewusst habe und trotz der Empfehlung, nach Minsk oder Moskau auszuweichen, Smolensk angeflogen habe. Ein technisches Versagen des 20 Jahre alten Flugzeuges schließen die Ermittler aus.

Der stellvertretende Kommandeur der Luftwaffe Russlands, Alexander Aljoschin, sagte der Presse, dass der kommandierende Pilot den mehrfach wiederholten Anweisungen der Bodenkontrolle nicht gefolgt sei, die Landung in Smolensk abzubrechen und auf einem anderen Flughafen zu landen. „Die Crew setzte den Landeanflug trotzdem fort. Unglücklicherweise endete das in einer Tragödie“, sagte Aljoschin. Igor Lewitin, der Verkehrsminister Russlands, bezeichnete das Handeln des Piloten der Präsidentenmaschine als „eigenmächtig“. Zur Zeit des Absturzes betrug die Sichtweite nach Lewitins Angaben nur 400 Meter, vorgeschrieben für einen Landungsversuch ist eine Sicht von mindestens einem Kilometer.

Die Maschine sei nach der dritten Platzrunde im letzten Endanflug zu tief gewesen und habe eine zwanzig Meter hohe Antenne gestreift. Dem Pilot ist es danach nicht mehr gelungen, die Maschine durchzustarten oder noch die Landebahn zu erreichen. Das Flugzeug hat dann etwa 1200 Meter vor Erreichen der Landebahn mehrere acht Meter hohe Baumwipfel gestreift. In dieser Flugphase hätte das Flugzeug noch rund sechzig Meter hoch sein müssen. Die Maschine prallte dann gegen mehrere einzelne Bäume, wodurch sie schließlich zerrissen wurde, bevor sie am Boden zerschellte. Zeugen wollen außerdem beobachtet haben, dass es zweimal zu einer Explosion gekommen sei. Das Wrack brannte am Boden dann völlig aus.

Der Leichnam des toten Präsidenten wurde nach Warschau geflogen. Zuvor hatten die Ministerpräsidenten Polens und Russlands, Donald Tusk und Wladimir Putin gemeinsam an der Absturzstelle Blumen niedergelegt. Der Sarg mit dem toten Präsidenten soll ab Dienstag aufgebahrt werden, um den Polen den Abschied von ihm zu ermöglichen. Zehntausende hatten in Warschau am Sonntag die Straßen gesäumt, als der Leichenwagen mit Kaczyński vom Flughafen zum Präsidentenpalast fuhr. Die Leichen der Toten wurden inzwischen zur Identifizierung nach Moskau gebracht. Inzwischen ist auch die Präsidentenfrau Maria Kaszinski identifiziert worden, somit steht einer Bestattung im Familiengrab nichts mehr im Wege. Der Leichnam ist am Dienstag überführt worden, die Särge sind in einer Kapelle des Präsidentenpalastes aufgebahrt und für die Öffentlichkeit für mehrere Tage zugänglich.

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Quellen