Humanitäre Krise im Gazastreifen – Kämpfe gehen unvermindert weiter

Veröffentlicht: 15:53, 5. Jan. 2009 (CET)
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Gaza-Stadt (Gazastreifen) / Tel Aviv (Israel), 05.01.2009 – Nach dem Beginn der Bodenoffensive vor zwei Tagen sprechen Hilfsorganisationen von einer wachsenden humanitären Krise für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Human Rights Watch appellierte an die israelischen Streitkräfte sowie an die Hamas, die im Gazastreifen die politische Macht ausübt, alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Die israelische Bodenoffensive bedeute kriegerische Handlungen in dichtbesiedelten Gebieten. Im Gazastreifen leben zwischen 1,1 und 1,5 Millionen Menschen auf einer Fläche von 365 Quadratkilometern. Laut palaestinaonline.de ist der schmale Küstenstreifen damit eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt.

Bei der letzten Bodenoffensive der israelischen Armee im Gazastreifen im Februar/März 2008 seien 107 Palästinenser getötet worden. Mehr als die Hälfte davon waren Zivilisten. Laut dem arabischen Nachrichtenportal Al-Dschasira wurden seit dem Beginn der israelischen Offensive „Cast Lead“ 531 Palästinenser bei den Kampfhandlungen getötet. (Andere Quellen sprechen von 520 Toten.) Seit dem Beginn der Bodenoffensive spricht die Quelle von 80 Toten. Die Zahl der Verletzten seit dem Beginn der israelischen Offensive vor zehn Tagen beläuft sich inzwischen auf 2.500. Laut CNN berichtete ein norwegischer Arzt davon, dass sich seit Beginn der Bodenoffensive die Zahl der in Krankenhäuser eingelieferten Verwundeten verdreifacht habe. Ein Drittel der Verletzten seien Frauen und Kinder. Bisher wurde auf israelischer Seite ein 22-jähriger Soldat bei einem Schusswechsel mit Hamas-Kämpfern in der Region um Dschabaliya getötet, ein weiterer wurde schwer verletzt. In der Sonntagnacht wurden weitere fünf israelische Soldaten leicht bis mittelschwer verletzt. Insgesamt sollen bisher 30 israelische Soldaten (nach anderen Quellen 49) verletzt worden sein. Nach Angaben des Schweizer Büros der Agentur für Entwicklung und Zusammenarbeit in den Palästinensergebieten (SDC) können Lastwagen mit Hilfsgütern für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen seit vier Tagen nicht mehr die Grenze passieren. Es wird von Hilfsorganisationen außerdem darauf hingewiesen, dass es im Gazastreifen einen extremen Mangel an Wasser, Treibstoff und Elektrizität gebe. Die Krankenhäuser arbeiten nur noch mit Notstromaggregaten. Suzanne Leuenberger vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) sagte: „Wir befinden uns mitten in einer humanitären Krise in Gaza im Gegensatz zu den Behauptungen der israelischen Führung.“ Anne-Sophie Bonefeld, eine Sprecherin des Internationalen Roten Kreuzes, ICRC, sagte, dass zurzeit keine medizinischen Hilfsgüter über die Grenze in den Gazastreifen gebracht werden könnten.

In der Nacht zum Montag wurden nach Angaben der israelischen Armeeführung 30 Ziele im Palästinensergebiet angegriffen, darunter ein unterirdischer Bunker der Hamas in Gaza-Stadt. Nach der Zerstörung des Bunkers sei es zu sekundären Explosionen gekommen, die darauf hindeuteten, dass hier Munition gelagert worden sei. Weitere Ziele waren Gebäude, die von der Hamas für operative Zwecke genutzt würden, Abschussrampen für Raketen sowie erneut Schmuggeltunnel an der ägyptischen Grenze zum Gazastreifen. In der Nacht und am Montagmorgen wurden Luftangriffe und Beschuss durch die israelische Marine auf Dschabaliya gemeldet. Eine siebenköpfige Familie soll dabei laut Al-Dschasira durch Granatenbeschuss von See her getötet worden sein. Augenzeugen berichteten, die israelische Armee habe im Osten des Gazastreifens mit Haus-zu-Haus-Durchsuchungen begonnen. Die zehntägige Offensive der israelische Armee konnte bisher den Raketenbeschuss israelischer Städte und Siedlungen im Süden Israels durch die Hamas nicht beenden. Auch am Sonntag wurden erneut Raketeneinschläge auf israelischem Boden gemeldet.

Parallel zu den Kampfhandlungen im Gazastreifen werden diplomatische Bemühungen fortgesetzt, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Die ägyptische Führung lud die Hamas zu Gesprächen nach Kairo ein. Die Hamas reagierte positiv auf den Vorschlag. Die Gespräche mit der Hamas finden zeitgleich mit dem Eintreffen einer französischen Regierungsdelegation unter Leitung des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy statt, der heute in Ägypten erwartet wird. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der eine Vermittlerrolle zwischen der UNO und der Hamas einnimmt, kritisierte unterdessen die israelische Führung für ihren Angriff auf Gaza scharf: Israel begehe mit dem Angriff auf Gaza einen inhumanen Akt. Durch den Angriff auf Gaza würden zudem die türkisch-israelischen Beziehungen belastet. Weiterhin betonte er, dass Israel den vorher geltenden Waffenstillstand durch die Seeblockade des Gazastreifens verletzt habe.

Kleine Chronik der Gaza-Krise

  In der Wikipedia gibt es den weiterführenden Artikel „Operation Gegossenes Blei“.

Quellen