Fall Stephanie: Gericht verhängt Höchststrafe gegen Mario M.
Artikelstatus: Fertig 20:03, 15. Dez. 2006 (CET) Bitte keine weiteren inhaltlichen Veränderungen vornehmen, sondern einen Folgeartikel schreiben. |
Dresden (Deutschland), 15.12.2006 – Im Prozess gegen Mario M. vor der Jugendschutzkammer des Dresdener Landgerichts ist der Angeklagte gestern unter anderem wegen Geiselnahme, Kindesentziehung, schweren sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zusätzlich wurde eine Sicherungsverwahrung angeordnet. Damit blieb das Gericht über dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die am 12. Dezember (nach Abschluss der Beweisaufnahme) 14 Jahre und neun Monate mit anschließender Sicherungsverwahrung beantragt hatte. Die Nebenklage hatte die gesetzliche Höchststrafe von 15 Jahren Gefängnis – ebenfalls mit anschließender Sicherungsverwahrung – gefordert.
Der Vorsitzende Richter, Tom M., wies darauf hin, dass vom Angeklagten „ein Klima fortwährender Gewalt und Einschüchterung geschaffen, das Kind in jeder Nacht an die Wand gefesselt und tags bis zu 30 Minuten gefesselt und geknebelt in eine Sperrholzkiste gesperrt“ wurde. Weiterhin wies der Richter darauf hin, dass es nicht zu verantworten sei, ein milderes Urteil zu sprechen. Obwohl die „nicht hinnehmbare“ mediale Vorverurteilung, das Geständnis und die Persönlichkeitsstörung des Verurteilten bei der Strafzumessung berücksichtigt wurden, konnte kein milderes Urteil erfolgen. Der Richter fügte hinzu, dass andere Menschen mit der gleichen Persönlichkeitsstörung keine solchen Taten begehen würden. Als Begründung für die Sicherungsverwahrung wurde genannt, dass weitere Taten dieser Art von Mario M. zu erwarten seien.
Mario M., der in einer realitätsfremden Welt lebe, wollte sich „ein Mädchen fangen und als Partnerin erziehen“, was er „in rücksichtsloser Weise und über die Interessen eines Kindes hinweg“ tat.
Oberstaatsanwalt Christian A. zeigte sich zufrieden mit dem Urteil, auf das nach seinen Angaben bereits seit der Befreiung des Opfers Stephanie R. am 15. Februar hingearbeitet wurde.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Verteidigung keinen Rechtsmittelverzicht erklärt hat. Innerhalb von einer Woche ist somit Revision möglich. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Rechtsmittel, hält es jedoch für wahrscheinlich, dass die Verteidigung tatsächlich Revision einlegen wird.
Richter Tom M. kritisierte die Berichterstattung der Medien. Das Magazin „Focus“ war in die Kritik geraten, da es Auszüge aus dem Gutachten abgedruckt hatte, in dem es um die Persönlichkeit von Mario M. ging. Zusätzlich trat Stephanie R. bei Johannes B. K. auf und stand dem „Spiegel“ für einen Bericht zur Verfügung.
Die Eltern des Opfers weinten bei der Urteilsverkündung aus Erleichterung und Rührung. Nach dem Ende des Prozesses meinte die Mutter: „Unser Kämpfen hat sich gelohnt.“ Stephanie R. war nicht anwesend, stattdessen hielt sie sich in der Schule auf, weil wieder Normalität in ihr Leben einkehren soll. Ihre Mutter gab an, Stephanies Bruder werde sie über das Urteil informieren.
Rechtsanwalt Ulrich von J., der die Nebenklage vertrat, hatte dem Freistaat Sachsen ein Ultimatum bis zum 22. Dezember gestellt. In dieser Zeit solle eine Entscheidung zu der wegen den Ermittlungspannen geforderten Entschädigung fallen. Stephanie brauche Geld für eine Delfintherapie, aber es seien laut von J. keine Hilfsangebote gefunden worden. Medienberichten zufolge war dies jedoch nicht der Fall. Sowohl das Justizministerium als auch der Weiße Ring e.V. haben demnach Angebote gemacht, die abgelehnt wurden.
Die damals 13 Jahre alte Stephanie R. wurde am 11. Januar entführt und konnte erst am 15. Februar befreit werden, als sie bei nächtlichen Spaziergängen Zettel mit Hilferufen fallengelassen hatte. Am 16. Februar wurde Haftbefehl gegen den 36-jährigen Mario M. erlassen. Nach mehr als sieben weiteren Monaten mit Ermittlungen erhob die Staatsanwaltschaft, vertreten durch Christian A., Anklage gegen Mario M., woraufhin am 6. November der Prozess vor dem Landgericht Dresden begann.
Der Angeklagte legte ein umfassendes Geständnis ab, nachdem er wegen wiederholter Störung der Anklageverlesung aus dem Gerichtssaal entfernt werden musste. Zwei Tage später gelang es Mario M., auf das Dach der Justizvollzugsanstalt Dresden zu fliehen, wo er zwanzig Stunden verbrachte. Der sächsische Justizminister Geert M. gab am 15. November Pannen in der JVA zu. Bei Stephanie R. und ihrer Familie entschuldigte er sich.
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Quellen
- e110: „‚Milde nicht zu verantworten‘“ (14.12.2006, 17:28 Uhr) Quelle nicht mehr online verfügbar
- e110: „Der Fall Stephanie“ (14.12.2006)
- Sächsische Zeitung online: „‚Wir sind glücklich und froh‘“ (14.12.2006)