Delmenhorst wehrt sich gegen Kaderschmiede für Neonazis
Artikelstatus: Fertig 18:09, 8. Aug. 2006 (CEST) Bitte keine weiteren inhaltlichen Veränderungen vornehmen, sondern einen Folgeartikel schreiben. |
Delmenhorst (Deutschland), 08.08.2006 – Delmenhorst ist in Bewegung. Die Nachricht, dass der als rechtsextremistisch eingestufte Rechtsanwalt Jürgen Rieger in der Stadt ein Hotel für Schulungen von Mitgliedern der rechten Szene erwerben will, hat alle politischen Kräfte aufgerüttelt. Zugleich zeigt sich in der Stadt so etwas wie „zivilgesellschaftlicher Protest“. Eine Bürgerversammlung, eine Demonstration und eine außerordentliche Stadtratssitzung waren die Formen, in denen sich der friedliche Protest des demokratischen Delmenhorst artikulierte.
In einem Gebäude der Com.media auf dem Gelände der ehemaligen Nordwolle, einem Kulturzentrum der Stadt, brachte der Delmenhorster DGB-Vorsitzende Ulrich Kelm den Willen der dort gestern Abend versammelten 1500 Delmenhorster Bürger mit den Worten zum Ausdruck: „Wir wollen nicht braun werden!“ Oberbürgermeister Carsten Schwettmann, der ebenfalls auf der Veranstaltung auftrat, musste sich einige Buhrufe gefallen lassen. Er kündigte unter dem Eindruck des Bürgerprotestes den Einsatz aller rechtsstaatlichen Mittel gegen das geplante Schulungszentrum an. Schwettmann befürchtet vor allem einen beträchtlichen Image-Schaden für die Stadt. Der frühere Bürgermeister der Stadt Verden, Heiner Falldorf, erklärte den Anwesenden, welche Probleme der letzte Versuch Riegers mit sich gebracht hatte, als dieser im Auftrag der so genannten „Wilhelm-Tietjen-Stiftung“ den Heisenhof in Dörverden gegründet hatte.
Nach der Versammlung auf dem Nordwollegelände kam es zu einem Demonstrationszug durch die Delmenhorster Innenstadt, der in einer Abschlusskundgebung vor der Delmehalle endete, an der nach Polizeiangaben bis zu 2.700 Demonstranten teilnahmen. Die Demonstration verlief meist friedlich. Für Unruhe sorgte lediglich eine Gruppe von 100 meist jugendlichen Personen in schwarzer Kleidung, die kurzfristig versuchten, sich an die Spitze des Demonstrationszuges zu setzen, und eine Kreuzung blockierten. Kundgebungsredner waren Manfred Klöpper vom DGB sowie für die Kirchen der ehemalige Pastor Albrecht Weber. Gegen sechs Angehörige der rechten Szene, die sich vor dem „Hotel am Stadtpark“ postiert hatten, wurde laut Polizeiangaben ein Platzverweis für die Dauer der Demonstration ausgesprochen.
Ebenfalls gestern war der Rat der Stadt Delmenhorst zu einer Sondersitzung zusammengetreten. Die Stadt muss sich mit der von einer Bürgerinitiative aufgestellten Forderung auseinandersetzen, das Hotel, das der Rechtsanwalt Rieger erwerben will, selbst zu kaufen. Die Bürgerinitiative hat dazu bereits Spendenaktionen ins Leben gerufen. Auf das Treuhandkonto der Initiative „Für Delmenhorst“ wurden bisher 15.961 Euro eingezahlt. Der Kaufpreis des Hotels beträgt 3,4 Millionen Euro. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Delmenhorster Rat fordert, die Stadt müsse den Differenzbetrag aufbringen, um zu verhindern, dass das „Hotel am Stadtpark“ in die Hände der Neonazis übergehe. Auf der Ratssitzung wurde außerdem beschlossen, das Hotel im Zentrum der Stadt in das „Sanierungsgebiet Innenstadt“ aufzunehmen, wodurch die Stadt Einfluss auf die Nutzung des Hotels zu nehmen gedenkt.
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Quellen
- weser-kurier.de: „Stadt im Grünen will nicht braun werden“ (ohne Datum, Online-Ausgabe vom 08.08.2006)
- dk-online.de: „Rat zieht alle Register zur Abwehr der Nazi-Schmiede“ (08.08.2006)
- weser-kurier.de: „Faschismus raus aus den Köpfen“ (ohne Datum, Onlineausgabe des WK vom 08.08.2006)