Bundesverfassungsgericht gibt Weg für Neuwahlen frei

Artikelstatus: Fertig 15:03, 25. Aug 2005 (CEST)
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Karlsruhe (Deutschland), 25.08.2005 – Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen der Bundestagsabgeordneten Jelena Hoffmann (SPD) und Werner Schulz (Grüne) gegen die Auflösung des Bundestages abgelehnt und damit den Weg für Neuwahlen freigemacht.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

„Der Kanzler hat jetzt ein Parlamentsauflösungsrecht, das Parlament hingegen nicht“, sagte Werner Schulz in Karlsruhe. Der Regierungschef könne sich auf bloßes Misstrauen und Prognose hin für eine Auflösung entscheiden. „Die neue Kanzlerdemokratie ist ein fataler Weg.“ Jelena Hoffmann betonte, sie bereue nichts, sei jedoch sehr enttäuscht. „Ich bin in völliger Überzeugung nach Karlsruhe gekommen, dass wir eine parlamentarische Demokratie haben. Heute ist mir erklärt worden, wir haben eine Kanzlerdemokratie.“

Nach der für die SPD verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) - wie von ihm gewünscht - am 1.Juli die Vertrauensfrage nach Art. 68 GG im Bundestag verloren. Bundespräsident Horst Köhler löste daraufhin am 21. Juli den Bundestag auf. Gegen diese Entscheidung zogen die Abgeordneten Hoffman und Schulz vor das Bundesverfassungsgericht mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des Art. 68 GG, der als Grundlage für die Auflösung herangezogen wurde, nicht vorlägen.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes lehnte die Organklage der Kläger jedoch als unbegründet ab. „Die angegriffenen Entscheidungen des Bundespräsidenten seien mit dem Grundgesetz vereinbar. Ein dem Zweck des Art. 68 GG widersprechender Gebrauch der Vertrauensfrage, um zur Auflösung des Deutschen Bundestages und zu einer vorgezogenen Neuwahl zu gelangen, lasse sich nicht feststellen. Der Einschätzung des Bundeskanzlers, er könne bei den bestehenden Kräfteverhältnissen im deutschen Bundestag künftig keine vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit getragene Politik mehr verfolgen, sei keine andere Einschätzung eindeutig vorzuziehen.“

Nach Überzeugung des Richters Jentsch hätte jedoch den Anträgen stattgegeben werden müssen: „Den vom Bundeskanzler vorgetragenen Gründen lässt sich seine politische Handlungsunfähigkeit und damit eine materielle Auflösungslage nicht entnehmen.“ So hat die Bundesregierung in der zurückliegenden Legislaturperiode die Kanzlermehrheit nie verfehlt. Die Gesetzesentwürfe zur „Agenda 2010“ seien erfolgreich gewesen. Seiner Auffassung nach kennt das Grundgesetz kein „konstruiertes Misstrauen“. Darüber hinaus „schwächt die Auffassung der Senatsmehrheit die Stellung des Deutschen Bundestages“.

Reaktionen

In einer ersten Reaktion auf das Urteil sprach der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Ernst Benda, von einer neuen Verfassungspraxis, die das Gericht mit dem Ausdruck der „auflösungsgerichteten Vertrauensfrage“ geprägt hat. Es gebe damit künftig eine unechte Vertrauensfrage, deren Ziel es nicht mehr sei, die Mehrheit zu stabilisieren, sondern eine Bundestagsneuwahl herbeizuführen.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), der Vertreter der Bundesregierung, zeigte sich sehr zufrieden mit der Entscheidung der Verfassungsrichter. „Das ist ein durchdachtes Urteil, zumal wegen des abgestuften Prüfungsprozesses keine willkürliche Handhabung für die Auflösung möglich ist.“

Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz erklärte, das Urteil werde auch über den Tag hinaus bedeutsam und wichtig sein. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) meinte: „Ich finde es gut, dass wir jetzt eine klare Entscheidung haben“. Der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle erklärte: „Die Neuwahlentscheidung des Bundesverfassungsgerichts macht den Weg frei für den Neuanfang in Deutschland.“ CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte, das Mehrheitsvotum der Karlsruher Richter diene der „Wiederherstellung des Rechtsfriedens“. CSU-Chef Edmund Stoiber sagte, dass „nun Gott sei Dank“ der Weg „für den notwendigen Wechsel in Deutschland“ frei sei.

Bundespräsident Köhler rief die Wähler nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. „Die Wählerinnen und Wähler haben jetzt die Möglichkeit, den Weg unseres Landes mitzubestimmen. Das ist ein großes Recht und jedermann sollte damit sorgsam umgehen.“

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes

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Quellen