Verhandlung über Klage gegen Auflösung des Parlaments

Karlsruhe (Deutschland), 09.08.2005 – Im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe begann heute die mündliche Verhandlung über die Organstreitverfahren zweier Bundestagsabgeordneter gegen die Auflösung des Bundestages durch Bundespräsident Horst Köhler, am 21. Juli 2005. Verfassungsrichter di Fabio, der Berichterstatter des „Zweiten Senats“ in diesem Verfahren, erklärte heute in der mündlichen Verhandlung, die Frage, vor die sich das Verfassungsgericht gestellt sehe, laute: „Parlaments- oder Kanzlerdemokratie?“ und: „Man könnte pointiert sagen: Wer führt die Republik?“

Gebäude des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe

Als Antragsteller treten in diesem Verfahren die Bundestagsabgeordneten Jelena Hoffmann (SPD) und Werner Schulz (Grüne) auf. Sie begründeten vor dem Gericht noch einmal ihre Position. Hoffmann begründete seine Klage mit der These, Bundeskanzler Schröder habe trotz der „gezielt“ verlorenen Vertrauensfrage immer noch die Mehrheit im Parlament: „Die Koalitionsmehrheit steht wie eine deutsche Eiche.“

Im Auftrag des Präsidenten verteidigte Michael Jansen, Staatssekretär im Bundespräsidialamt, die Entscheidung des Bundespräsidenten, den Deutschen Bundestag aufzulösen. Der Bundespräsident sei davon überzeugt, der Bundeskanzler habe sich durch die verlorene Vertrauensfrage und die beantragte Auflösung des Parlaments keine Vorteile verschafft. Er fügte hinzu, der Bundespräsident sei sich auch sicher, dass er mit seiner Entscheidung keine Festlegung bezüglich zukünftiger Anträge auf Parlamentsauflösung getroffen habe. Er sagte, die Entscheidung erleichtere keine „missbräuchliche vorzeitige Auflösung des Bundestags aus rein machtpolitischen Gründen.“

Als Vertreter der Bundesregierung rechtfertigte Bundesinnenminister Otto Schily das Vorgehen des Bundeskanzlers. Nach der von der SPD verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai könne sich der Bundeskanzler seiner Mehrheit nicht mehr sicher sein. Dieser Einschätzung könne man nichts entgegensetzen. Schily legte besonderen Wert auf die Feststellung, dass das Vorgehen der Bundesregierung mit der Linie der Verfassungsgerichtsentscheidung von 1983 übereinstimme. In diesem Zusammenhang erinnerte er das Gericht daran, dass es sich in seiner eigenen Zuständigkeit auf „eine Missbrauchskontrolle beschränkt“ habe. Damit widersprach er indirekt der Feststellung des Verfassungsrichters di Fabio, das Gericht habe die Grundsatzfrage zu entscheiden, „Wer führt die Republik?“

Themenverwandte Artikel

Quellen