Bundesgerichtshof: Anti-Nazi-Symbole sind erlaubt

Artikelstatus: Fertig 21:09, 15. Mär. 2007 (CET)
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Karlsruhe (Deutschland), 15.03.2007 – Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass die Verwendung durchgestrichener Hakenkreuze nicht verboten ist, wenn eine Distanzierung zum Nationalsozialismus eindeutig zu erkennen ist. Es hob damit ein umstrittenes Urteil des Landgerichts Stuttgart auf. Dieses hatte im September letzten Jahres einen Versandhändler zu einer Geldstrafe von 3.600 Euro verurteilt. Der Mann hatte im großen Stil T-Shirts, Buttons und weitere bei Antifaschisten beliebte Produkte mit durchgestrichenen Hakenkreuzen und anderen Anti-Nazi-Symbolen vertrieben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte darin aber einen Rechtsverstoß gesehen und eine Verurteilung des Mannes gefordert. Das Landgericht Stuttgart war dem Antrag gefolgt. Es hatte erklärt, dass es um eine grundsätzliche Tabuisierung nationalsozialistischer Kennzeichen gehe.

Populäres Anti-Nazi-Symbol: Durchgestrichenes Hakenkreuz

Vor dem für Staatsschutz zuständigen Dritten Strafsenat des Bundesgerichtshofs forderte aber neben der Verteidigung auch der Vertreter der Bundesanwaltschaft einen Freispruch. Bundesanwalt Gerhard Altvater führte dazu aus, dass auch objektiv zu erkennen gewesen sei, dass die beanstandeten Produkte sich gegen den Nationalsozialismus gewandt hätten. Ein Missbrauch durch Neonazis sei ausgeschlossen. Dieser Ansicht folgte der Senat. Er erklärte, dass der Tatbestand des §86a Strafgesetzbuch zu weit gefasst sei und einer Einschränkung bedürfe. Diese sei im Gesetzgebungsverfahren aber der Rechtsprechung überlassen worden. Bereits zuvor habe der Senat daher Verwendungen erlaubt, bei denen aus den Umständen erkennbar gewesen sei, dass der Schutzzweck des Gesetzes offensichtlich nicht verletzt worden war. Er entschied nun, dass es ebenfalls genügt, wenn bereits der Inhalt der Darstellung offenkundig und eindeutig eine Gegnerschaft zum Ausdruck bringt. Dies gelte auch bei kommerzieller Nutzung. Eine mögliche Verwendung solcher Darstellungen durch rechtsextreme Personen sei unwahrscheinlich, da diese derartige Darstellungen als „Verhöhnung der ihnen "heiligen" Symbole empfinden und selbst nicht gebrauchen würden“.

Die Kosten für das Verfahren müssen durch die Bundesrepublik Deutschland getragen werden; auch muss das Landgericht Stuttgart über eine Entschädigung für den Händler entscheiden. Diesem ist durch die Durchsuchung seiner Geschäftsräume und die Beschlagnahmung der Produkte ein Schaden entstanden. Die vorangegangene Verurteilung hatte für einiges Aufsehen gesorgt. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte eine Gesetzesänderung in Aussicht gestellt, sollte der Mann auch vor dem Bundesgerichtshof verurteilt werden. Gegenüber der Zeitung „Die Welt“ hatte sie erklärt: „Sollte auch Karlsruhe zu der Meinung kommen, dass unsere Gerichte in solchen Fällen eine Bestrafung fordern, dann ist mit dem Gesetz etwas nicht in Ordnung.“ Derzeit sind bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart noch fast 40 ähnliche Verfahren anhängig. Nach Bekanntwerden der Verurteilung des Versandhändlers hatten Bürger, unter anderem die Politikerin Claudia Roth (Die Grünen), sich reihenweise selbst angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erklärte, das weitere Vorgehen nach Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung entscheiden zu wollen.

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Quellen