Veröffentlicht: 22:09, 24. Mär. 2010 (CET)
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Dili (Timor-Leste), 24.03.2010 – Ninjas, die japanischen Schattenkrieger in Südostasien? Die Geschichte lässt einen zunächst schmunzeln, doch den Einwohnern von mehreren Orten in Timor-Leste dürfte es nicht nach Lachen sein. Seit Anfang des Jahres häufen sich die Berichte von Männern in schwarzen Kostümen, die Dörfer terrorisieren, Häuser niederbrennen und die Einwohner ausrauben. Drei Morde in der Region seit Dezember wurden den Ninjas zugeordnet. Armee (F-FDTL) und Polizei (PNTL) starteten daraufhin eine groß angelegte Aktion im Grenzgebiet zwischen den Distrikten Bobonaro und Cova Lima, im Südwesten des Landes. Ende Februar meldete Polizeichef Longuinhos Monteiro, der die Aktion persönlich leitete, dass 118 Verdächtige gefangen genommen worden und sieben Personen inhaftiert worden seien, die Presse berichtete am 1. März sogar von 534 Personen, die sich der Polizei gestellt hätten. Doch nur kurz darauf wurde von neuen Überfällen, nun in dem im Südosten liegenden Uatucarbau, berichtet. Auch hier waren Häuser angezündet worden. Matias da Silva de Jesus, der Suco-Chef von Loi Ulu, forderte einen Sicherheitsposten in seinem Suco, auch um die Einwohner der Nachbarorte besser schützen zu können. Die einzige Polizeistation im Subdistrikt liegt im Verwaltungszentrum an der Küste. Der Staatssekretär für Sicherheit Francisco Guterres versprach daher nun, auch nach Uatucarbau Polizisten für Ermittlungen zu entsenden, erklärte aber heute, dass zumindest die Ninjas in Uatucarbau nur ein Gerücht seien.

Terrorisieren „Ninjas“ die Landbewohner Osttimors?
Gebiete in Timor-Leste mit Berichten von „Ninjas“ 2010 (orange)

Die Überfälle treffen das Land, nachdem es sich gerade erst von der letzten Krise erholt hatte. 2008 hatten Rebellen Attentate auf die Staatsführung verübt. Staatspräsident José Ramos-Horta wurde dabei schwer verletzt. Da dabei aber der Rebellenchef Alfredo Reinado ums Leben kam, brach seine Bewegung zusammen und die „Petitioners“ ergaben sich in den folgenden Wochen nach und nach. Am 3. März dieses Jahres wurden schließlich 24 Attentäter zu Haftstrafen verurteilt, doch konnten nicht alle Fragen beantwortet werden. So konnte man nicht die genauen Umstände des Todes Reinados klären, und auch der Schütze, der Ramos-Horta niederschoss, konnte nicht ermittelt werden. Grund für Spekulationen und Verschwörungstheorien.

Nicht anders ist es bei den sogenannten Ninja-Überfällen. Manche glauben, dass die Meldungen aus politischen Gründen stark übertrieben werden. Karau Timor (zu deutsch „Timor-Büffel“), einer der mutmaßlichen Ninja-Führer, erklärte in einem Interview: „Versucht mich nicht gefangen zu nehmen, weil ich kein Ninja bin. Das ist eine Lüge. Manipuliert die Gesellschaft nicht!“ Im Nationalparlament Osttimors kam es zu einem heftigen Streit zwischen der größten Oppositionspartei FRETILIN und der an der Regierung beteiligten Partido Democrático (PD). Die FRETILIN warf der Regierung vor, sie hätte die paramilitärische Polizeiaktion nur gestartet, um regionale FRETILIN-Anhänger einzuschüchtern. Es kam sogar zu einem Handgemenge, als der FRETILIN-Abgeordnete Osorio Florindo den PD-Vertreter Vital dos Santos angriff. Zuvor hatte die PD-Fraktion die Anschuldigungen der FRETILIN zurückgewiesen, dass Mitglieder der PD an den Ninja-Überfällen beteiligt gewesen sein sollten. Andererseits vermuten Mitglieder der Regierungskoalition AMP hinter den Überfällen Anhänger der Veteranenorganisation CPD-RDTL und der Gruppe Bua Malus (deutsch: Betelnuss). Solche Gruppen haben gerade in den ländlichen Regionen nach den 24 Jahren Befreiungskrieg gegen Indonesien noch einen großen Einfluss, und beide sollen auch Verbindungen zu der FRETILIN haben. Die Spannungen kommen nicht von ungefähr. Gerade Bobonaro und Cova Lima waren zwischen PD und FRETILIN bei den Parlamentswahlen von 2007 hart umkämpft.

Die timoresische Menschenrechtsorganisation HAK Association fand aber bei eigenen Untersuchungen keine Belege für eine organisierte Kriminalität oder gar politisch motivierter Gewalt. In einem Bericht an den Premierminister Xanana Gusmão vom 15. Februar 2010 erklärte sie, dass man bei eigenen Zeugenbefragungen nur Berichte von Steinwürfen auf Häuser und Diebstähle erhalten habe. CPD-RDTL und Bua Malus würden zwar manchmal bei der Bevölkerung zu Irritationen führen, nicht aber systematisch Aktionen gegen die gesamte Bevölkerung durchführen. Zwischenfälle entstünden nur aufgrund von Problemen Einzelner und der vorhandenen Armut. Teilweise käme es auch vor, dass automatisch bestimmte Personen verhaftet würden, wenn es zu Verbrechen in der Region komme, so ein CPD-RDTL-Anhänger. Auch die drei Morde in Cova Lima und Bobonaro sollen demnach nicht auf ein organisiertes Bandenwesen zurückzuführen sein. Ein 15-jähriges Mädchen wurde vom ehemaligen Chefe de Aldeia von Atos (Subdistrikt Lolotoe) umgebracht, weil deren Vater den FRETILIN-Anhänger bei der Kommunalwahl im Oktober besiegt hatte. Zwar sei die Tat aus politischen Gründen geschehen, doch sei dies unabhängig von der Partei erfolgt. Der Täter und ein Komplize seien bereits seit Ende Januar im Gefängnis. Beim Tod eines Kleinkindes in Ogues (Subdistrikt Maucatar) stehe bei der Polizei ein Familienmitglied unter Mordverdacht, doch Beweise lägen noch nicht vor, und im Fall der gefundenen menschlichen Knochen in Lepo (Subdistrikt Zumalai) soll es sich um einen Mordfall von vor zehn Jahren handeln. Die Polizei nahm als Tatverdächtigen einen psychisch Gestörten fest. Gerade aber die Knochen seien als Beweis für die Brutalität der „Ninjas“ bei Fernsehberichten über die Polizeiaktion präsentiert worden. Die lokale Bevölkerung werde durch die Medien und die Polizeiaktion in Angst und Schrecken versetzt. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Indonesier während der Besatzungszeit die Bevölkerung mit paramilitärischen „Ninja“-Milizen terrorisierten. Hier wirkt die Erinnerung noch nach. Auch soll es zu Polizeigewalt gegen Unschuldige und unbegründete Verhaftungen gekommen sein.

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Quellen