Wissenschaftler skeptisch gegenüber Meldungen über kanadischen Quantencomputer

Artikelstatus: Fertig 22:30, 19. Feb. 2007 (CET)
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Mountain View (Vereinigte Staaten), 19.02.2007 – Am vergangenen Mittwoch hat das kanadische Unternehmen „D-Wave“ im Museum für Computergeschichte im kalifornischen Mountain View nach eigenen Angaben den ersten kommerziell nutzbaren Quantencomputer vorgestellt. Wissenschaftler äußern sich skeptisch über diese Meldung.

Rainer Blatt, Professor an der Universität Innsbruck und Leiter des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI), sagte laut österreichischer Nachrichtenagentur „APA“, ihm seien trotz Nachforschungen keinerlei wissenschaftliche Veröffentlichungen über die Entwicklung bekannt. Derartige Veröffentlichungen gehören zum Standard in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Sie ermöglichen es anderen Wissenschaftlern, die Ergebnisse zu überprüfen. Das Vorgehen des kanadischen Unternehmens mit Sitz bei Vancouver bezeichnete der österreichische Physiker als „befremdlich“. „Nachdem das Gerät angeblich patentiert ist, könnten die Hersteller ohne weiteres Details bekannt geben“, so Rainer Blatt weiter. Rainer Blatt schränkt seine Kritik aber auch ein, da er zu wenig über das von der kanadischen Firma vorgestellte System wisse. Phil Kuekes, der in der „Quantum Science Research Group“ von Hewlett-Packard in diesem Bereich forscht, zeigte sich ebenfalls skeptisch gegenüber den Ergebnissen von „D-Wave“. „Solange wir nicht mehr Details zu den Messungen sehen, ist es schwer zu sagen, ob sie erfolgreich waren oder nicht“, sagte Phil Kuekes laut „Associated Press“ (AP). Bei der Präsentation war der Prozessor nicht vor Ort, weil er laut „D-Wave“ zu empfindlich für den Transport ist. Stattdessen wurde in Mountain View ein Livevideo gezeigt. Unabhängige Wissenschaftler hatten bisher keinen Zugang zum Prozessor. Laut Geordie Rose, dem Unternehmensgründer, soll dies in der zweiten Hälfte dieses Jahres der Fall sein. Lieven Vandersypen, dessen Arbeitsgruppe an der Technischen Universität Delft ebenfalls in diesem Bereich forscht, sagte laut „spectrum.ieee.org“ zum Prozessor der Kanadier folgendes: „Nachdem, was ich im Web bisher über die Hardware herausfinden konnte, scheint es eindrucksvoll, 16 dieser Supraleiter-Bauteile zu verbinden und sie in einem Spezialkühlschrank zu verdrahten.“ Die Möglichkeiten der Kontrolle bei den Problemen, die der Prozessor lösen kann, seien minimal. „Natürlich muss man irgendwo anfangen“, fügte Lieven Vandersypen lakonisch hinzu.

Das Unternehmen bemerkte selbst, dass es sich nicht um einen Quantenprozessor im eigentlichen Sinne handele, sondern dass das vorgestellte Modell „lediglich quantenmechanische Phänomene ausnutzen würde“. Herb Martin, ein Vorstandsmitglied des Unternehmens, sage dazu laut AP, dass sich die Nutzer nicht für Quantencomputer, sondern für eine Beschleunigung von Anwendungen interessierten. Die Entwicklung eines reinen Quantencomputers hält Herb Martin für „Zeitverschwendung“. Man könnte die Forschung in diesem Bereich mit Milliarden Dollar finanzieren, ohne dass am Ende ein funktionsfähiger Computer entstehe, zitiert AP das „D-Wave“-Vorstandsmitglied.

Fachlich sei darauf hingewiesen, dass die Formulierung „Ausnutzung quantenmechanischer Effekte“ ein Euphemismus ist, denn jeder gewöhnliche Computer benutzt Halbleiterelektronik und diese ist ein technisches Teilgebiet der Quantenmechanik. Bei dem vorgestellten Modell handelt es sich also nicht um einen Quantenprozessor, sondern um einen ganz gewöhnlichen Prozessor.

Zusammenfassend lässt sich die vorangegangene Meldung am ehesten als Effekthascherei oder PR-Gag seitens des Unternehmens interpretieren. Vom physikalischen Standpunkt aus betrachtet, lässt sich sagen, dass man von der technischen Realisierung des ersten wirklichen Quantencomputers noch Jahrzehnte entfernt ist.

Das kanadische Unternehmen stand ursprünglich der Universität von British Columbia nahe und ist heute ein kommerzielles Startup-Unternehmen. Im Mai letzten Jahres erhielt die Firma Venture Capital in Höhe von 14 Millionen US-Dollar, um die Entwicklung des Prozessors mit der Bezeichnung „Orion“, der nur zur Lösung eines speziellen Problems fähig ist, zu finanzieren.

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Quellen