Verwirrung um angeblich verhinderten Amoklauf an Kölner Schule

Veröffentlicht: 20:19, 22. Nov. 2007 (CET)
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Köln (Deutschland), 22.11.2007 – Nach einem angeblich verhinderten Amoklauf an einer Kölner Schule besteht weiter Unklarheit über das tatsächliche Geschehen. So hatte die Kölner Polizei in einer ersten Pressekonferenz am Sonntag erklärt, dass zwei Jugendliche im Alter von 17 und 18 Jahren eine Bluttat an ihrer Schule, dem Georg-Büchner-Gymnasium im Kölner Westen, geplant hätten. Diese Tat sei durch die Polizeiarbeit verhindert worden. Bei den Schülern seien Airsoftgun-Pistolen und eine Armbrust gefunden wurden, die zur Durchführung der Tat verwendet werden sollten. Die beiden Jugendlichen hätten sich als Mobbingopfer ihrer Mitschüler gesehen. Der 17-jährige Schüler ist unterdessen bereits am Freitag in wahrscheinlich suizidaler Absicht vor eine Straßenbahn gelaufen, von dieser überrollt und dabei getötet worden. Nach Darstellung der Polizei ist es zuvor durch zwei Polizeibeamte zu einer sogenannten „Gefährderansprache“ des Schülers in der Schule gekommen. Das Gespräch soll normal verlaufen sein, der Schüler sei nach normaler Beendigung des Gespräches entlassen worden.

Beispiel für eine Airsoftgun-Waffe

In den darauffolgenden Tagen wurden aber starke Zweifel an der Darstellung der Polizei laut. So wurde Anfang der Woche nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln bekannt, dass die Jugendlichen ihre Anschlagspläne offenbar bereits vor Wochen aufgegeben hatten. Diese Ansicht stützt sich sowohl auf Aussagen des festgenommenen 18-Jährigen wie auch auf Dateien und Chat-Protokolle, die auf den beschlagnahmten Computern der Jugendlichen gefunden wurden. Zwar hätten die Jugendlichen zuvor detaillierte Vorbereitungen getroffen und gar eine angebliche „Todesliste“ aufgestellt. Auf Betreiben des Älteren seien diese Pläne allerdings bereits vor vier Wochen aufgegeben worden. Die Staatsanwaltschaft erklärte dazu, dass der Jugendliche „wohl eingesehen [habe], dass das doch kein gangbarer Weg für ihn ist“. Er habe die Pfeile der von ihm beschafften Armbrust zurückgefordert und dem Jüngeren sogar die Sehne der Waffe abgekauft. Die Armbrust war dadurch nicht mehr funktionstüchtig. Der Jüngere habe daraufhin ebenfalls von der weiteren Verfolgung der Pläne abgesehen. Auf Grund dieser veränderten Situation habe die Staatsanwaltschaft darauf verzichtet, den 18-Jährigen einem Haftrichter vorzuführen. Er wurde stattdessen in eine psychiatrische Klinik gebracht.

Weiter Unklarheit herrscht über das vor seinem mutmaßlichen Suizid geführte Gespräch mit dem 17-Jährigen. So hatte der stellvertretende Schulleiter Michael Wagenführ die Darstellung der Polizei bestritten. Das Gespräch sei nicht beendet gewesen, sondern der Jugendliche sei während eines Toilettenganges aus einem Fenster geflohen. Er sei anschließend sowohl von den am Gespräch beteiligten Polizisten wie Lehrern erfolglos im Umfeld gesucht worden. Die Polizei Köln beharrt unterdessen weiter auf ihrer Darstellung, dass das Gespräch zu einem normalen Ende geführt worden sei und der Toilettengang erst danach stattgefunden habe. Da die Polizisten bereits auf dem Weg zu ihrer Dienststelle gewesen seien, hätten sie von der mutmaßlichen Flucht nichts mitbekommen.

Beispiel einer modernen Armbrust

Verwirrung stiftet ebenfalls ein Interview mit dem Kölner Polizeipräsidenten Klaus Steffenhagen. Nach einem kritischen Videobeitrag hatte er am Dienstagabend in der „Lokalzeit Köln“ des WDR-Fernsehens die Darstellung bekräftigt, dass der Junge nicht geflohen sei. Er begründete dies damit, dass bereits im Rahmen des Gespräches am Freitag herausgekommen sei, „dass hier keine große Gefahrenlage mehr vorhanden ist“. Dem Jungen sei erklärt worden: „Es gibt keinen Anfangsverdacht gegen Sie; es gibt keine Gefahr, die von Ihnen ausgeht.“ Der Junge sei daher nach dem Gespräch normal entlassen worden. Eine Erklärung, wieso die Polizei trotz dieser angeblich bereits am Freitag gewonnenen Erkenntnisse noch am Sonntag von einem verhinderten Amoklauf berichtet habe, gab Steffenhagen allerdings nicht ab.

Fraglich ist zudem, ob die zwei Schüler tatsächlich nur mit Softair-Waffen und einer Armbrust ein Blutbad hätten durchführen können. Nach Ansicht von Experten ist eine Armbrust für einen Amoklauf nur bedingt tauglich: Zwar flögen die Geschosse bis zu 100 Meter weit, es dauere aber jeweils zwischen 20 und 30 Sekunden die Waffe nachzuladen und erneut abzufeuern. Zudem würden die im Vergleich zu den im Bogensport verwendeten Pfeilen schwereren Geschosse einer Armbrust ihre Bewegungsenergie schneller verlieren, so dass schon nach 80 Metern keine durchdringende Wirkung mehr erzielt werde. Geübte Armbrustschützen gehen sogar von einer effektiven Reichweite von nur rund 50 Metern aus, und dies auch nur mit einer Profiwaffe. In Köln war aber nur ein Billigmodell einer Armbrust mit geringer Zielgenauigkeit gefunden worden. Laut Waffengesetz ist Erwachsenen der Kauf und Besitz einer Armbrust ohne behördliche Genehmigung erlaubt. Auch die generelle Gefährlichkeit von Softair-Waffen wird angezweifelt. Die oft echten Waffen täuschend echt nachempfundenen Pistolen verschießen nur Kunststoffprojektile. Diese können bei einem Augentreffer allerdings schwere Verletzungen verursachen. Nach Medienberichten sollen die zwei Jugendlichen geplant haben, sich zusätzlich zu den zwei Softair-Pistolen und der Armbrust auch noch Rohrbomben und Molotow-Cocktails zu beschaffen.

Quellen