Venezuela schürt den Territorialstreit mit Guyana in Gebiet mit großem Offshore-Ölfund

Veröffentlicht: 17:45, 16. Jan. 2021 (CET)
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Georgetown (Guyana), 16.01.2021 – Die politischen Spannungen zwischen Guyana und Venezuela verschärfen sich in einem langjährigen Grenzstreit über ein Gebiet, das zwei Drittel des kleineren englischsprachigen südamerikanischen Landes umfasst. Das betroffene Gebiet ist die rohstoffreiche Region Esequibo, in der der Energieriese ExxonMobil 2008 mit der Suche nach Öl begonnen hat. Das Unternehmen entdeckte vor kurzem bedeutende Öl- und Gasvorkommen in Guyana, wodurch das Land an der Schwelle zu einem wirtschaftlichen Aufschwung steht.

Die strittige Region Guayana Esequiba

Am 9. Januar kündigte der venezolanische Präsident Nicolás Maduro an, dass er die Provinz „zurückerobern“ werde, die westlich des Essequibo-Flusses in Guyana liegt. Während Gold, Diamanten und Holz zu den Schätzen der Region gehören, liegt der Fokus des venezolanischen Anspruchs auf der Küste – dem Gebiet des riesigen Liza-Ölfeldes von ExxonMobil, das nach Schätzungen des Unternehmens etwa 120.000 Barrel Öl pro Tag produzieren wird. In seiner Projektdarstellung beschreibt ExxonMobil das Gebiet als Teil des Stabroek Blocks und nennt es „den ersten bedeutenden Ölfund vor der Küste Guyanas“.

Die Entdeckung von Guyanas Öl- und Gasvorkommen hat das Land zum jüngsten Mitglied der globalen Energiewirtschaft gemacht, während Venezuela bereits ein etablierter Akteur ist. Trotz der Tatsache, dass Venezuela mit mehr als 300 Milliarden Barrel über die größten Ölreserven der Welt verfügt, steht das Land seit einigen Jahren am Rande des sozioökonomischen Zusammenbruchs. Die Krise verschärfte sich 2017, nachdem der Oberste Gerichtshof des Landes die Nationalversammlung aufgelöst hatte.

Im Jahr 2019 ordnete Präsident Maduro an, dass der Oppositionsführer Juan Guaidó wegen Hochverrat angeklagt wird, da er dem Verzicht auf Venezuelas Anspruch auf die Region Esequibo angeblich zugestimmt hatte. Der erneute Vorstoß aus Venezuela folgt auf den Amtsantritt der pro Maduro eingestellten Nationalversammlung am 5. Januar dieses Jahres, deren Legitimität von der Opposition angezweifelt wird.

In der Zwischenzeit nannte Guyanas Präsident Irfaan Ali Maduros Forderung „eine juristische Nichtigkeit“ und bemerkte:

„Ich erinnere daran, dass die Souveränität über diese Küste und das dazugehörige Landgebiet im Schiedsspruch von 1899 Guyana (damals Britisch-Guayana) zugesprochen wurde. Guyana ist zuversichtlich, dass der Internationale Gerichtshof (IGH) dessen Gültigkeit und Rechtsverbindlichkeit unmissverständlich bestätigen wird.“

Nach gemeinsamen Übungen der Küstenwache der USA und Guyanas am 8. Januar traf Admiral Craig Faller, Kommandeur des US Southern Command, am 11. Januar zu einem dreitägigen Besuch in Guyana ein – ein Signal, dass die Interessen der scheidenden Trump-Administration fest mit denen Guyanas übereinstimmen.

Venezuela, einst ein wichtiger Partner, hat seit der Wahl des sozialistischen Präsidenten Hugo Chávez im Jahr 1998 ein kontroverses Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Im Jahr 2018 sagte Venezuelas Außenministerium, dass die Beteiligung der USA an dem Streit gleichbedeutend mit einer „Einmischung“ sei.

Die Botschafterin der Vereinigten Staaten in Guyana, Sarah-Ann Lynch, hat sich für eine rechtssichere, friedliche Lösung der Kontroverse ausgesprochen.

Die Angelegenheit wurde im Juni 2020 vor den Internationalen Gerichtshof (IGH), die wichtigste juristischen Instanz der Vereinten Nationen, gebracht. Venezuela hat sich konsequent geweigert, an dem IGH-Verfahren teilzunehmen und den Weg der bilateralen Gespräche vorgezogen.

Minister Jorge Rodriguez, der Guaidó im venezolanischen Parlament ersetzt hat, hat Berichten zufolge die Opposition beschuldigt, mit dem IGH zu paktieren, um im Grenzstreit zugunsten von Guyana zu entscheiden.

Obwohl ExxonMobil versucht hat, die Arbeiten wie gewohnt fortzusetzen, kam es zu Zwischenfällen, bei denen Marineschiffe aus Venezuela ihre Boote abfingen und sie aus dem Gebiet mit der Behauptung zurückwiesen, dieses läge nicht im Hoheitsgebiet von Guyana.

Die Karibische Gemeinschaft (CARICOM) hat sich in der Vergangenheit dazu verpflichtet, „Venezuela und Guyana in diesem Streit zu unterstützen“, wobei sie deutlich gemacht hat, dass sie eine „friedliche Lösung“ für die festgefahrene Situation vorziehen würde. Der neue CARICOM-Vorsitzende, Trinidad und Tobagos Premierminister Keith Rowley, wird am 12. Januar ein virtuelles Treffen der Mitgliedsstaaten leiten, aber es ist unklar, ob der Territorialstreit dabei auf der Tagesordnung stehen wird.


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