Update zum Biden-Rückzug: Wie geht es jetzt weiter?
Bitte keine inhaltlichen Veränderungen vornehmen. |
Update zum Biden-Rückzug: Wie geht es jetzt weiter?
Ein Rückblick auf Bidens Präsidentschaft und das, was noch kommt
Washington D.C. (Vereinigte Staaten), 22.07.2024 – In einem Post auf dem sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) hatte der zur Zeit amtierende US-Präsident Joe Biden am Sonntagabend seinen Rückzug als Kandidat der Demokraten im US-Präsidentschaftswahlkampf verkündet. Gleichzeitig hatte er angekündigt, seine bisherige Vizepräsidentin Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin zu unterstützen.
„Es war die größte Ehre meines Lebens, Euer Präsident zu sein. Und auch wenn es meine Absicht war, eine Wiederwahl anzustreben, glaube ich, dass es im Interesse meiner Partei und des Landes ist, wenn ich mich zurückziehe und mich ausschließlich darauf konzentriere, meine Aufgaben als Präsident für den Rest meiner Amtszeit zu erfüllen.“ – Auszug aus Bidens Statement auf X
Joe Biden beendet mit diesem Schritt seine über 50 Jahre lange politische Karriere, die er 1972 als Lokalpolitiker mit der Wahl in den Senat für die Demokratische Partei begann, wo er sich als Außenpolitiker sowie als katholischer Vertreter der politischen Mitte einen Namen machte. 1998 bewarb er sich zum ersten Mal als Präsidentschaftskandidat, stieg jedoch aus dem Rennen aus, da Plagiatsvorwürfe gegen ihn erhoben worden waren. 2008 versuchte Biden es erneut, verlor jedoch gegen Barack Obama und meldete, nachdem er nur 0,93% der Stimmen bekommen hatte, seinen Rückzug bei der Bewerbung zum Kandidaten an. Nach dem Wahlsieg Obamas 2008 wurde Biden Vizepräsident, der er bis zum Ende der Amtsperiode Obamas, bis 2017, blieb. Als solcher sprach er sich für die Ermöglichung der gleichgeschlechtlichen Ehe aus und versuchte nach Amokläufen eine Verschärfung des Waffenrechts zu erreichen; Letzteres fand jedoch im Kongress keine Mehrheit. Zunächst wollte er eigenen Angaben 2016 zufolge als Präsident kandidieren, gab dies dann nach dem Tod seines Sohnes Beau auf, unterstützte aber Hillary Clinton im Wahlkampf. Ende 2019 gab Biden bekannt, als Präsidentschaftskandidat für die Wahl 2020 antreten zu wollen. Nachdem er sich u.a. gegen Bernie Sanders durchgesetzt hatte, wurde er nominiert und gewann gegen seinen republikanischen Gegner und Vorgänger im Präsidentenamt Donald Trump mit 56,1% aller Stimmen. Als Präsident hob er viele Entscheidungen und Gesetze seines Vorgängers bereits in den ersten Stunden seiner Amtszeit wieder auf. Ebenso erließ er Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie, was Trump nur sehr zögerlich getan hatte. Biden setzte außerdem den bereits begonnen Abzug von US-Truppen aus Afghanistan fort und unterstützte die Ukraine nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022.
Bidens Rückzug kommt nicht völlig überraschend. Spätestens seit dem desaströsen TV-Duell war für viele Demokraten klar, dass die Wahl mit Joe Biden nur schwer zu gewinnen wäre. Im TV-Duell wirkte er fahrig und war teilweise kaum zu verstehen. In der Folge wurden die Zweifel, ob der 81-Jährige dem Amt mental noch gewachsen ist, immer lauter. Zunächst wehrte sich Biden gegen die Vorwürfe, in einem Interview mit ABC sagte er, dass nur der Allmächtige ihn davon abhalten könne, noch einmal anzutreten. Der Druck wurde aber immer größer und es wurde deutlich, dass auch die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Bidens Kandidatur nicht mehr unterstützte. Hinzu kamen wohl auch die desaströsen Umfragewerte.
Harris habe seine volle Unterstützung, teilte Biden mit. Es sei Zeit, zusammenzukommen und Donald Trump zu besiegen. Harris zu seiner Vizepräsidentin zu machen, sei die beste Entscheidung gewesen, die er je getroffen habe. Harris erklärte bereits ihr Einverständnis, die Kandidatur zu übernehmen. Sie werde sich die Nominierung durch die Demokratische Partei verdienen und Trump schlagen, erklärte sie. Sie fühle sich geehrt durch die Unterstützung des Präsidenten. Kurz nach Bidens Bekanntmachung druckten die Demokraten bereits erste Plakate mit Harris′ Gesicht und Namen. Bidens Wahlkampfteam wurde in „Harris for President“ umbenannt. Eine Nominierung Harris′ als Kandidatin gilt als wahrscheinlich, auch weil es keine wirkliche Konkurrenz gibt. Die aufstrebenden Demokraten Gavin Newsom und Gretchen Whitmer haben bereits erklärt, Harris zu unterstützen. Auch, um einen parteiinternen Streit zu verhindern. Ob noch andere Politiker sich für die Kandidatur bewerben, bleibt abzuwarten. Viel Zeit haben sie aber nicht mehr: Der Parteitag der Demokraten findet bereits vom 19. bis zum 22. August in Chicago statt. Der ehemalige Präsident Obama schreibt dazu: „Wir werden in den kommenden Tagen durch unbekannte Gewässer navigieren. Aber ich habe außerordentliches Vertrauen, dass die Anführer unserer Partei in der Lage sein werden, einen Prozess zu schaffen, aus dem ein herausragender Kandidat hervorgeht.“ Pelosi ergänzte: „Es darf nicht wie eine Thronfolge aussehen, sondern muss ein demokratischer Prozess sein.“
Kamala Harris ist die erste Frau und die erste Schwarze, die jemals US-Vizepräsidentin war. Ihr Vater wanderte aus Jamaika in die USA ein; er studierte dort Wirtschaft. Ihre Mutter kam ursprünglich aus Indien. Biden gab ihr die Aufgabe, sich um das Thema Migration an der Grenze zu Mexiko zu kümmern. Ein schwieriges Unterfangen, besonders bei den Demokraten, da der linke Flügel eine humanere Einwanderungspolitik fordert, der rechte Flügel aber den Republikanern auch nicht zu viel Angriffsfläche bieten will, falls die Politik nachlässig erscheine. Genau deswegen sind Harris’ Beliebtheitswerte auch nicht sonderlich gut. Sie stand lange Zeit im Schatten des Präsidenten; galt als blass und hatte mit schlechten Umfragewerten zu kämpfen. Dennoch scheint sie in einigen Umfragen besser abzuschneiden als Biden, wenn auch trotzdem meist hinter Trump.
Bidens Rückzug scheint auch Großinvestoren wieder auf den Plan zu rufen: Mehr als 60 Millionen US-Dollar haben demokratische Wähler seit Bidens Rückzug bereits für den Wahlkampf von Harris gespendet, darunter mehr als 50 Millionen Dollar allein am Sonntag (entspricht ca. 46 Mio. Euro). Investoren, die ihre Unterstützung nach dem TV-Duell zurückgezogen hatten, geben nun bereitwillig große Geldsummen; die Demokraten erleben einen regelrechten Spendenboom.
Bidens politischer Gegner Trump schrieb auf seiner eigenen Plattform Truth Social im gewohnten Wut-Ton zu Bidens Rückzug: „Der korrupte Joe Biden war nicht geeignet, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, und ist sicherlich nicht geeignet zu dienen – und war es auch nie!“ Im Weiteren schrieb er, den Schaden schnell beheben zu wollen. Zuvor hatte Trump gegenüber CNN gesagt, es sei seiner Ansicht nach leichter, Kamala Harris bei den US-Präsidentschaftswahlen im November zu schlagen als Joe Biden, was aber nicht der Realität entsprechen dürfte. Trotzdem muss Trump nun seinen Wahlkampf grundlegend umstellen, denn bisher bestand der überwiegend auf Angriffen gegen Joe Biden, v.a. wegen dessen körperlicher und geistiger Fitness.
Aus dem demokratischen Lager kamen Würdigungen, wie etwa von den Clintons: „Wir schließen uns Millionen von Amerikanern an und danken Präsident Biden für alles, was er erreicht hat, indem er sich immer wieder für Amerika eingesetzt hat.“ Bundeskanzler Scholz teilte mit, dass sein Freund Joe Biden viel erreicht habe: für sein Land, für Europa und die Welt. Dank ihm sei die transatlantische Zusammenarbeit eng, die NATO stark, die USA ein guter und verlässlicher Partner für Deutschland. Sein Entschluss, nicht noch einmal zu kandidieren, verdiene Anerkennung. Der CDU-Vorsitzende Merz schrieb auf X, Joe Biden habe mehr als fünf Jahrzehnte lang dem amerikanischen Volk gedient. Seine heutige Entscheidung verdiene größten Respekt. Ähnlich äußerten sich auch die Grünen-Chefin Ricarda Lang und der Bundestagsabgeordnete Michael Roth.
Der polnische Präsident Donald Tusk schrieb: „Lieber Präsident Joe Biden, Sie haben oft schwierige Entscheidungen getroffen, dank derer Polen, Amerika und die Welt sicherer sowie Demokratie und Freiheit stärker sind.“ Sein tschechischer Amtskollege Petr Fiala äußerte sich wie folgt: „Das ist zweifellos die Entscheidung eines Staatsmanns, der seinem Land jahrzehntelang gedient hat.“ Israels Präsident Jitzchak Herzog schrieb in einem Post, er wolle seine aus tiefstem Herzen empfundene Dankbarkeit für Biden zum Ausdruck bringen. Er habe als erster US-Präsident Israel in Kriegszeiten besucht. Er sei als wahrer Verbündeter des jüdischen Volkes ein Symbol für die unzerreißbare Bande zwischen beiden Völkern.
Für Biden musste der Druck wohl spätestens nach dem TV-Duell zu groß geworden zu sein. Dass seine Entscheidung auf große Zustimmung trifft, ist u.a. an dem plötzlichen Spendenboom zu erkennen. Dennoch: Selbst wenn sich Bidens präferierte Kandidatin Harris auf dem Parteitag durchsetzt, bleibt abzuwarten, ob sie Trump schlagen kann. Und was dieser noch so im Wahlkampf plant.
Links
BearbeitenQuellen
Bearbeiten- ZDF heute: „US-Wahl: Biden steigt aus - so geht es weiter“ (21.07.2024)
- Der Spiegel: „Harris soll bereits mehr als 500 Delegiertenstimmen sicher haben“ (22.07.2024)
- fr.de: „Nach Bidens Rückzug vor US-Wahl: Vize-Präsidentin Harris bringt sich in Stellung – Trump reagiert“ (22.07.2024)
- BR24: „Biden ist raus aus dem US-Wahlkampf - Wie geht es jetzt weiter?“ (22.07.2024)
- tagesschau.de: „Zwischen Respekt und Häme“ (21.07.2024)