Ungarn: Neues Mediengesetz stellt Radio, Fernsehen, Zeitungen und das Internet unter staatliche Kontrolle

Veröffentlicht: 18:48, 21. Dez. 2010 (CET)
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Budapest (Ungarn), 21.12.2010 – Neben den öffentlich-rechtlichen Medien – Fernsehen, Rundfunk, sowie der Nachrichtenagentur MTI – werden in Ungarn nun auch auch private Fernseh- und Rundfunksender sowie Zeitungen und Internetportale der Aufsicht der nationalen Medienbehörde Ungarns, (National Media and Infocommunications Authority Hungary, NMHH) unterstellt. Das beschloss das ungarische Parlament am Montagabend. Im Sommer des Jahres waren bereits die öffentlich-rechtlichen Medien unter die Aufsicht der Medienbehörde gestellt worden.

Lage Ungarns in Europa

Die Medienbehörde erhielt mit dem gestrigen Gesetzesbeschluss Verfassungsrang. Der Präsident der NMHH darf in eigener Verantwortung, also ohne direkte parlamentarische Kontrolle, Verordnungen und Vorschriften erlassen, an denen sich die Medien des Landes in ihrer redaktionellen Arbeit orientieren müssen. Verstöße gegen diese Regelungen können hohe Geldstrafen bis zu 90.000 Euro nach sich ziehen. Internet-Portale und Online-Publikationen müssen sich künftig bei der NMHH registrieren lassen.

Die NMHH legt dem Parlament einmal jährlich einen Bericht vor. Ansonsten untersteht die Aufsichtsbehörde dem „Medienrat“, der vom Parlament eingesetzt wird. Zur Präsidentin der neuen Behörde war im August 2010 Annamária Szalai für neun Jahre ernannt worden, die als Parteigängerin der Regierungspartei Fidesz gilt. Auch ihre Stellvertreter und der gesamte Vorstand besteht aus Fidesz-Parteimitgliedern.

Laut eines bereits am 2. November des Jahres verabschiedeten Gesetzespaketes, kurz „Medienverfassung“ genannt, sind die in den Presse- Funk-, Fernseh- und elektronischen Medien arbeitenden Journalisten zu „ausgewogener“ und „unparteilicher“ Berichterstattung verpflichtet. Ein Gesetzespassus verbietet „Hassreden“. Auch die Schließung von Zeitungen oder Sendern ist möglich. Der journalistische Grundsatz des Quellenschutzes wird von dem neuen Mediengesetz dahingehend eingeschränkt, dass Quellen nur geschützt sind, wenn sie keine vertraulichen Informationen verbreiten und nicht gegen Gesetze verstoßen.

Politische Beobachter bezeichneten das neue Gesetz als die Einführung der Zensur. Da die NMHH als Aufsichtsbehörde als auch der so genannte Medienrat, der die neue Medien- und Telekommunikationsbehörde (NMHH) beaufsichtigen soll, von Anhängern der rechtsgerichteten Regierungspartei Fidesz besetzt wird, bedeutet die Einführung der Medienkontrolle eine Stärkung der Position des amtierenden Regierungschefs Viktor Orbán.

Während die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) der Mediengesetzgebung Ungarns kritisch gegenübersteht[1], sprechen Abgeordnete der Fidesz, die das Gesetz verabschiedet hatten, von einem „gesunden Gleichgewicht“ zwischen der Pressefreiheit und dem „öffentlichen Interesse“.

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Fußnoten

  1. Die aus Bosnien stammende Beauftragte für Medienfreiheit der OSZE, Dunja Mijatovic, hatte im September erklärt: „Gesetze wie dieses sind eigentlich aus totalitären Regimen bekannt, in denen Regierungen die Redefreiheit einschränken.“

Quellen