Ukraine: Machtkampf zwischen Präsident und Ministerpräsidentin verschärft sich

Veröffentlicht: 17:45, 5. Mär. 2009 (CET)
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Kiew (Ukraine), 05.03.2009 – Der Machtkampf zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko und der Premierministerin Julia Timoschenko hat sich am Mittwoch erheblich verschärft:

Viktor Juschtschenko
Julia Timoschenko

Am Mittwoch Mittag waren etwa 20 bewaffnete und vermummte Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes Sluschba bespeky Ukrajiny (SBU) in die Konzernzentrale des Gaskonzerns NAK Naftohas Ukrajiny eingedrungen. Bei den SBU-Spezialkräften handelt es sich um Einheiten, die dem Präsidenten Wiktor Juschtschenko unterstehen. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens hätten die SBU-Kräfte die Originaltexte der jüngsten Gasverträge zwischen Russland (Gazprom) und der Ukraine (NAK Naftohas) gesucht, hieß es später. Diese sollten die mutmaßliche Entwendung des RosUkrEnergo Transitgases durch NAK Naftohas beweisen.

Zu den Hintergründen: Die RosUkrEnergo, ein russisch-ukrainischer Gashändler mit Sitz in der Schweiz, hatte Mitte Januar 2009 etwa elf Milliarden Kubikmeter Erdgas in unterirdischen ukrainischen Zwischenspeichern. RosUkrEnergo hatte erhebliche Schulden bei der russischen Gazprom. Im Rahmen der Einigung im russisch-ukrainischen Gasstreit hatte Premierministerin Julia Timoschenko angeblich mit Gazprom vereinbart, dass die ukrainische NAK Naftohas Ukrajiny diese elf Milliarden Kubikmeter Erdgas für 1,7 Milliarden US-Dollar kaufen könne.

Nach der Anweisung vom Timoschenko hatte sich der ukrainische Zollchef Walerij Choroschkowski geweigert, die Gasvorräte an NAK Naftohas zu übertragen, weil nur RosUkrEnergo über das eingelagerte Erdgas verfügen dürfe. Daraufhin wurde Choroschkowski am 28. Januar 2009 entlassen und durch Taras Schepitko ersetzt.

Der regionale Zollbeamte Taras Schepitko wurde am Dienstag den 3. März 2009 nunmehr wegen der illegalen Aneignung von Transitgas der RosUkrEnergo vom SBU-Inlandsgeheimdienst verhaftet. Die ukrainische Zollbehörde forderte inzwischen vom SBU-Inlandsgeheimdienst Erklärungen über die Festnahme. Auch das ukrainische Parlament (Werchowna Rada) forderte Auskünfte vom SBU.

Premierministerin Timoschenko wirft dem SBU-Inlandsgeheimdienst und dem dahinter stehenden Präsidenten Juschtschenko inzwischen groß angelegte Repressalien gegen den Zollbeamten Schepitko vor.

Nach den SBU-Spezialeinsatzkräften sind auch einige Abgeordnete des Timoschenko Blocks in die NAK Naftohas Konzernzentrale gelangt. Die Abgeordneten wollten beweisen, dass die SBU-Ermittlungen rechtswidrig seien. Die SBU-Ermittlungen wurden auch von Alexander Jefremow, stellvertretendem Fraktionschef der oppositionellen Partei der Regionen des ehemaligen Präsidenten Leonid Kutschma, scharf kritisiert.

Ein Stadtbezirksgericht in Kiew hat die Besetzung und Untersuchung der NAK Naftohas Konzernzentrale und die Beschlagnahmung von Dokumenten inzwischen für illegal erklärt.

Unterdessen ist auch der russische Energiekonzern Gazprom besorgt, dass durch den bewaffneten Geheimdiensteinsatz in der NAK Naftohas Konzernzentrale die ausstehenden Raten von 400 Millionen US-Dollar bis zum 7. März 2009 gefährdet werden.

Der Gasstreit um RosUkrEnergo und NAK Naftohas und die Ermittlungen durch den SBU-Inlandsgeheimdienst werden als Eskalation des schwelenden Machtkampfes zwischen dem Präsidenten Wiktor Juschtschenko und der Premierministerin Julia Timoschenko angesehen.

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