Tunesien gibt sich eine Verfassung

Veröffentlicht: 08:45, 28. Jan. 2014 (CET)
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Tunis (Tunesien), 26.01.2014 – „Wir opfern unsere Seele und unser Blut für Dich, Tunesien“, stimmte die Nationalversammlung Tunesiens am späten Sonntagabend ein. Drei Jahre ist nun der Aufstand gegen den ehemaligen tunesischen Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali her. Drei Jahre hat es gedauert, dem Land eine neue Verfassung zu geben. Mit einer Zeremonie wird am Montag die neue Verfassung offiziell in Kraft treten.

Moncef Marzouki, Interimspräsident

Der Weg dorthin war kein leichter, denn die neue Verfassung war mehrfach aufgeschoben worden. Nach nun mehr als zwei Jahren Übergangsregierung wurde schließlich der Verfassung mit 200 der 216 Stimmen zugestimmt. Dabei gab es zwölf Enthaltungen sowie vier Gegenstimmen.

Zine El Abidine Ben Ali

Das Mutterland des arabischen Frühlings ist somit der erste arabische Staat, der sich eine demokratisch geprägte Verfassung mit Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie Gleichberechtigung unter den Geschlechtern gibt – trotz einer fast durchgängig muslimischen Bevölkerung. Die tunesische Verfassung ist somit wegweisend und ein Meilenstein in der arabischen Freiheitsbewegung. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon nannte die neue Verfassung einen „historischen Meilenstein“. Tunesien könne ein Vorbild für andere Völker sein, betonte er. Gleichzeitig wandte er sich an die internationale Gemeinschaft mit der Bitte, Tunesien auf seinem Weg verstärkt zu unterstützen.

Die Revolution und der Sturz Ben Alis in Tunesien 2010/2011 war der Auftakt des arabischen Frühlings. Es folgten Ägypten, Libyen, Jemen und Syrien. Was alle einte, war die Schwierigkeit, eine neue Regierung zu finden, die jede Interessensgruppe berücksichtigt. Verschiedene Vorstellungen von der neuen „Freiheit“ ließen die Kämpfe erneut ausbrechen – oder wie im Fall Syriens unter rücksichtslosen Diktatoren zum Bürgerkrieg ausweiten. Mehr als ein halbes Jahr nach dem Sturz Ben Alis und zahlloser personeller Änderungen in der Übergangsregierung konnten die Arbeiten an der neuen Verfassung beginnen. Doch die politischen Fehden zwischen der säkular orientierten Opposition und den Islamisten der Ennahda-Partei zogen die Anstrengungen in die Länge.

Ende Juli 2013 stürzte der Mord an dem Oppositionspolitiker Mohamed Brahmi das Land in eine schwere politische Krise. Neue Proteste gingen durchs Land, der damaligen islamischen Regierungspartei Ennahda wurde vorgeworfen, an dem Mord eine politische Verantwortung zu tragen. Diese trat daraufhin von der Regierung zurück und verzichtete auf politische Verantwortung, um die Krise zu beenden. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass Tunesien auch ohne fremde Hilfe die Belastungsprobe durchstehen konnte.

Während Ägypten also davorsteht, die Kontrolle zu verlieren, und Libyen noch immer in den Nachwirren der politischen Führungs- und Vertrauenslosigkeit steckt, darf Tunesien auf ruhigere Zeit hoffen.


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