Springer will die WAZ-Mediengruppe aufkaufen

Veröffentlicht: 12:41, 1. Okt. 2011 (CEST)
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Essen (Deutschland), 01.10.2011 – Als Jakob Funke und Erich Brost 1948 die WAZ gründeten, legten sie fest, dass die Besitzverhältnisse paritätisch zwischen ihren Familien bleiben sollen. Nachdem sich die WAZ zu einem milliardenschweren Medienkonzern entwickelt hat, führte dies bereits in der nächsten Besitzergeneration zu Problemen und brachte uns schließlich zum heutigen Ereignis.

WAZ-Druckhaus in Essen

Nach dem Tod der Witwe von Erich Brost machte die Funke-Tochter Petra Grotkamp den erbberechtigten Enkeln das Angebot ihren 50-Prozent-Anteil für 470 Millionen Euro, davon 300 Millionen in bar, zu übernehmen. Dem voraus ging ein jahrelanger Familienstreit innerhalb der Funke-Familiengesellschaft die den 50-Prozent-Anteil der Funke-Erben kontrolliert. Immer wieder versuchte Frau Grotkamp das Stimmrecht über möglichst viele Anteile zu erlangen. Inklusive einiger Klagen und recht dubioser Geheimverträge. Nun holt sie zum finalen Schlag aus und versucht entgegen dem früheren Paritätsgebot die Brost-Anteile der WAZ-Gruppe zu übernehmen.

Die Brost-Erben haben dem Verkauf im Prinzip zugestimmt. Der Testamentsvollstrecker prüft ob das Angebot vorteilhaft für alle Erben ist. Genau diesen Zeitpunkt wählt die Axel Springer AG, um den Brost-Enkeln und dem Testamentsvollstrecker ein eigenes Angebot vorzulegen. Dieses hat, wohl mit Rücksicht auf kartellrechtliche Bedenken und den komplizierten WAZ-Gesellschafterverträgen, mehrere Optionen:

  1. Für die gesamte WAZ-Gruppe bietet die Axel Springer AG einen Kaufpreis von 1,4 Milliarden Euro und ist hierbei sogar bereit alle sich stellenden kartellrechtlichen Fragen alleine zu klären bzw. das Risiko der Kosten für eventuelle Auflagen der Kartellämter zu übernehmen.
  2. Besonderes Interesse gilt den Geschäftsaktivitäten in Österreich (z. Bsp. Krone) und den Internetaktivitäten der WAZ (z. Bsp. Markt-Gruppe) und einigen ausgewählten Regionalzeitungen in Deutschland. Hierfür bietet Springer 800 Millionen Euro und wäre sogar bereit einzelne WAZ-Gesellschafter im Boot zu lassen.
  3. Einzelne Verlage und Internetportale aus der WAZ-Gruppe aufzukaufen aber unter dem Dach der Funke Holding oder Brost Familiengesellschaft weiterzuführen. Dies wäre die rechtlich einfachste aber auch für alle Beteiligten am wenigsten profitable Möglichkeit. Es ist allerdings möglich, dass das komplizierte Geflecht der WAZ-Gesellschafterverträge, mehr als diese Option gar nicht zulässt.

Dies ist ein weiterer Versuch der Springer AG, wie auch anderer Medienkonzerne, in den relativ abgeschotteten NRW-, und vor allem Ruhrgebietsnachrichtenmarkt einzubrechen. Es gab viele andere Anläufe in Essen und Umgebung Fuß zu fassen. Teilweise mit Konkurenzprodukten, vor allem im Internetbereich, teilweise mit dem Versuch Beteiligungen an schon vorhandenen Medien zu erwerben. Diese Bemühungen scheiterten auf zum Teil spektakuläre Weise, da Konsumenten aus dem Ruhrgebiet mittlerweile große Probleme damit haben Nachrichten- und Anzeigemedien zu akzeptieren, die nicht irgendwo WAZ-Gruppe im Impressum stehen haben. Auch Versuche mit der WAZ-Gruppe zusammenzuarbeiten scheiterten häufig, da in den letzten Jahren der Funke-Familienstreit zu verschiedenen und häufig wechselnden Standpunkten in Bezug auf solche Projekte geführt hat.

Nachdem die Axel Springer AG in den letzten Jahren zum Multimediakonzern umgebaut wurde, passen vor allem die Internetportale der WAZ-Mediengruppe und der Anteil an der Markt-Gruppe hervorragend in die neue Unternehmensstruktur. Allerdings hatte sich der Vorstandsvorsitzende Döpfner, der den weiteren Umbau massiv vorantreibt, in letzter Zeit vom Zeitschriftenmarkt eher distanziert, was auf eine erneute Änderung der Geschäftsinteressen der Axel Springer AG hindeuten könnte.

Quellen