Spekulationen um 54 Jahre alten Olympiasieg von Josy Barthel
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Luxemburg (Luxemburg), 30.11.2006 – In Luxemburg kennt jedes Kind seinen Namen. Das größte Fußballstadion des Großherzogtums, ein Gymnasium und zahlreiche Straßen, Räumlichkeiten oder Plätze tragen seinen Namen. Wenn ein Sportler so etwas wie eine nationale Vorbildfunktion erfüllen kann, dann trifft das zweifellos auf Joseph „Josy“ Barthel (1927–1992) zu. Um so größer war der Aufschrei der Luxemburger Presselandschaft, als der „Berliner Tagesspiegel“ in seiner Sonntagsausgabe einen Artikel über eben diesen Josy Barthel veröffentlichte, in dem dieser des Dopings beschuldigt wurde. Josy Barthel hatte 1952 bei den XV. Olympischen Spielen von Helsinki als erster die Ziellinie des 1.500-Meter-Laufes erreicht. Er ist damit bis heute der einzige Luxemburger, der offiziell eine olympische Goldmedaille gewonnen hat. (1900 hatte der Luxemburger Michel Théato bereits auf umstrittene Art und Weise eine Goldmedaille im Marathon gewonnen. Dieser Sieg wird aber bis heute offiziell von Frankreich für sich beansprucht.) Später wurde Barthel zuerst Präsident des luxemburgischen Olympischen Komitees und dann als Minister, zuständig für verschiedene Ressorts, sogar Mitglied der großherzoglichen Regierung.
Im Artikel des Tagesspiegels war zu lesen, der spätere Sportminister von Luxemburg sei durch eine Doktorarbeit von Oskar Wegener des Dopings überführt worden. Zwar habe Wegener den Namen Barthels erst vor Kurzem bekannt gegeben, doch habe er bereits in den Jahren 1952 bis 1954 in seiner Arbeit „Die Wirkung von Dopingmitteln auf den Kreislauf und die körperliche Leistung“ über ihn berichtet; Zitat: „So wurde einem Leichtathleten, wie Trainer Gerschler berichtete, auf der Londoner Olympiade…“ (1948) „… nach der Gabe eines solchen Mittels so schlecht, dass er Mühe hatte, die Krämpfe auf seiner Laufsrecke zu überstehen. Vier Jahre später errang er nach gründlicher körperlicher Vorbereitung die Goldmedaille.“ Dieser Artikel wurde in den vergangenen Tagen in Luxemburg harscher Kritik unterworfen. Zum einen wurde dem Autor Erik Eggers schlampige Recherche vorgeworfen – Barthel war nie Sportminister – zum anderen war es der zitierte Dr. Oskar Wegener selbst, der in einem Interview mit RTL Radio Lëtzebuerg die Aussagen Eggers widerlegte. „… wenn er das jetzt so behauptet, dann hat er mir das in den Mund gelegt… das ist unverständlich.“ „Das würde ich nach meinem Wissen von damals nie behaupten“, sagte Wegener dem Sender gegenüber. Über Eggers sagte er des Weiteren „ich habe auch nicht mit ihm zusammengearbeitet… das“ (diese Behauptung) „ist unverschämt“.
Tatsache ist, dass 1952 Doping kaum als Mogelei angesehen wurde. So bestätigte der schwedische Arzt und langjährige Präsident der Medizinischen Kommission des Leichtathletik-Weltverbands und ehemalige Hochspringer Arne Ljungqvist in einem Interview mit der Luxemburger Tageszeitung „d'Wort-Luxemburger Wort für Wahrheit und Recht“, dass bereits kurz nach dem Krieg Amphetamine und andere leistungssteigernde Mittel in Sportlerkreisen häufig genommen wurden. „Damals stellte man keine Fragen und niemand hat sich daran gestört“, sagte Ljungqvist gegenüber dem „Wort“.
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Quellen
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- Berliner Tagesspiegel: „Mit der Kraft der Panzerschokolade“ (26.11.2006)
- wort.lu: „Barthel bei Olympiasieg 1952 gedopt?“ (27.11.2006)
- RTL Radio Luxemburg: „Mettesjournal (Mittagsjournal): ‚Berliner Tagesspiegel geht Ente auf den Leim‘“ ( (Audiodatei) ) (27.11.2006)
- RTL Radio Luxemburg: „Owesjournal (Abendjournal): ‚Dr Wegener wurde falsch zitiert‘“ ( (Audiodatei) ) (27.11.2006)
- wort.lu: „Enkelin verteidigt Barthel gegen Vorwürfe“ (29.11.2006)