Spanische Grippe: Überreaktion des Immunsystems war tödlich

Artikelstatus: Fertig 20:19, 19. Jan. 2007 (CET)
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Winnipeg (Kanada), 19.01.2007 – Fast 90 Jahre dauerte es, bis die Forscher dem Geheimnis der „Spanischen Grippe“ von 1918 auf die Spur kamen. Die durch den Erreger H1N1 ausgelöste Pandemie tötete damals fast 50 Millionen Menschen. Auffällig war, dass unter den Toten ungewöhnlich viele junge Erwachsene waren, während Kinder und alte Leute nicht so stark betroffen waren.

Virionen des rekonstruierten Virus der spanischen Grippe, 18 Stunden nach Infektion der Kultur.

Ein japanisch-amerikanisches Forscherteam unter Leitung von Darwyn Kobasa vom Nationalen Mikrobiologielabor in Winnipeg (Kanada) berichtet jetzt in der Zeitschrift „Nature“ (Ausgabe 445 vom 18. Januar 2007) über die Ergebnisse einer Studie an Menschenaffen. Danach löste das Virus eine Überreaktion des körpereigenen Abwehrsystems aus, die das Lungengewebe zerstörte. Eine derartige Reaktion konnten die Wissenschaftler jetzt auch bei den untersuchten Primaten beobachten, die sie mit im Labor nachgebauten H1N1-Viren infizierten.

Da junge Erwachsene im Allgemeinen ein starkes Immunsystem besitzen, verlief die Erkrankung bei ihnen am schwersten. Bei dem Angriff des Abwehrsystems auf die Viren, die sich vor allem in den Atemwegen und der Lunge vermehren, wurden nicht nur die Krankheitserreger vernichtet, sondern auch das Lungengewebe zerstört. Die Zerstörung körpereigenen Gewebes durch das schwächere Immunsystem von Kindern und alten oder kranken Menschen war dagegen wesentlich geringer.

Bei ihren Untersuchungen infizierten die Forscher die Versuchstiere zum Vergleich auch mit der heutigen Variante des H1N1-Virus. Dabei kam es zu einer angemessenen Immunantwort, und die Tiere wurden wieder gesund.

In den Jahren 1918 bis 1920 infizierte sich fast ein Drittel der damaligen Weltbevölkerung mit diesem Grippevirus. Die Zahl der Todesopfer war 25-mal so hoch wie bei anderen Grippepandemien. Wieso die Zerstörungskraft dieses Grippevirus so groß war, blieb trotz aller Anstrengungen der Wissenschaft bis heute ein Rätsel. Seit damals bemühten sich Forscher darum, das Geheimnis zu entschlüsseln, um die Menschheit vor der Wiederholung einer so folgenschweren weltweiten Epidemie schützen zu können.

Strukturformel von Oseltamivir

Seit 2003 gibt es immer wieder Infektionen mit der Variante H5N1 des so genannten Vogelgrippe-Erregers, die bei mehr als 80 Prozent der infizierten Vögel tödlich verläuft. Gelegentlich infiziert dieser Erreger auch Menschen. Wie die Weltgesundheitsorganisation angibt, hat es bisher 267 durch H5N1 ausgelöste Erkrankungen bei Menschen gegeben, von denen 161 tödlich verlaufen sind. Im Dezember 2006 starben ein 26-jähriger Ägypter und seine 16-jährige Nichte an einer mutierten Variante von H5N1. Diese Mutante war resistent gegen Oseltamivir, dem Wirkstoff des Grippemittels „Tamiflu“, das bisher als das wichtigste Mittel im Kampf gegen die Vogelgrippe gilt.

Schon 2005 gab es vergleichbare Todesfälle in Vietnam. Damals starben zwei Mädchen an einer H5N1-Infektion; herkömmliche Grippemittel versagten auch dort. Fred Hayden, Experte der Weltgesundheitsorganisation, sagte nach der Untersuchung der in Ägypten aufgetretenen Viren, das Virus sei nicht so gefährlich geworden, dass eine Pandemie drohe. Die Therapieempfehlungen werden nicht geändert.

Quellen