Skandal um rechtsterroristischen „Nationalsozialistischen Untergrund“ weitet sich aus

Veröffentlicht: 15:25, 8. Jul. 2012 (CEST)
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Berlin (Deutschland), 08.07.2012 – Nach mehreren Pannen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Verfassungsschutzes bei der Aufklärung des rechtsterroristischen „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) will Thüringens Innenminister Geibert auch den Präsidenten seines Landesamtes für Verfassungsschutz in den einstweiligen Ruhestand versetzen. Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum 31. Juli 2012 in den vorzeitigen Ruhestand geht. Es hatte zunehmend Kritik an den Ermittlungen der zuständigen Behörden, die sich über mehr als zehn Jahre hinzogen, und der unklaren Rolle sogenannter V-Leute in der rechten Szene gegeben. Die rechtsterroristischen Aktivitäten wurden auch von ausländischen Geheimdiensten beobachtet, so hatte der italienische Inlandsnachrichtendienst AISI bereits am 21. März 2003 dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln verwertbare Informationen geliefert.

Dem NSU, der vermutlich in den 1990er Jahren entstand und erst im November 2011 öffentlich bekannt wurde, werden unter anderem zehn Morde an türkisch- und griechischstämmigen Männern sowie einer Polizeibeamtin vorgeworfen. Von den drei führenden Mitgliedern des NSU ist nur noch Beate Zschäpe am Leben, sie befindet sich in Untersuchungshaft. Seit Dezember 2012 ermittelt die Staatsanwaltschaft nach einer Privatanzeige auch gegen den thüringischen Verfassungsschutz wegen des Verdachts der Beihilfe zur Flucht, Strafvereitelung im Amt und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.

Inzwischen befasst sich der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags mit weiteren Einzelheiten: am kommenden Mittwoch sollen 25 geheime Akten zur sogenannten Operation „Rennsteig“ vorgelegt werden. Zudem sollen die Klarnamen der V-Leute den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses mitgeteilt werden. Weitere Erkenntnisse erhoffen sich die Bundestagsabgeordneten von Aussagen des Geheimdienstmitarbeiters, der am 11. November 2011 einen Teil der Akten vernichtete. Nur zwei Tage später war Holger G., einer der Hauptzeugen, wegen Unterstützung des NSU verhaftet worden. Ein weiterer der mutmaßlichen Verantwortlichen aus der rechten Szene, Ralf Wohlleben, wurde erst am 29. November 2011 verhaftet. Nach umfassendem Geständnis und einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist Holger G. am 25. Mai 2012 freigelassen worden, da ihm keine Mithilfe nachgewiesen werden konnte.

Sebastian Edathy (SPD), der den Untersuchungsausschuss leitet, verlangt auch vom Militärischen Abschirmdienst (MAD), diesbezügliche Akten vorzulegen. Der Vertreter von Bündnis90/GRÜNE, Wolfgang Wieland, will bei den Befragungen herausfinden, ob ein V-Mann Mitglied des NSU gewesen ist oder sich um die Mitgliedschaft bemüht habe. In den Akten, die dem NSU-Untersuchungsausschuss des Erfurter Landtags vorlagen, befinden sich nach Angaben des Senders MDR Thüringen auch Dokumente des Militärischen Abschirmdienstes (MAD).

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