Shanghai: falsches Geld war nicht Ursache der Silvestertragödie

Veröffentlicht: 02.01.2015, 10:33 MEZ
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Shanghai (China), 02.01.2015 – Am Tag nach der tödlichen Massenpanik vom Silvesterabend in Shanghai mischen sich Trauer und Entsetzen in die Suche nach den Ursachen.

Die Zahl der Toten wird inzwischen mit 36 Personen angegeben, und noch immer befinden sich zahlreiche der 48 Verletzten - darunter 13 Schwerverletzte - in Krankenhäusern. Die Behörden haben die Untersuchung aufgenommen und unter anderem Videoaufnahmen von öffentlichen Sicherheitskameras ausgewertet. Danach stellt der Ablauf des Unglücks sich nun so dar, dass nicht der Abwurf von Gutscheinen der Auslöser der unkontrollierten Massenbewegung war. Die Gutscheine wurden – das zeigen die Aufnahmen – erst nach dem Beginn des tödlichen Gedränges geworfen.

Das Unglück ereignete sich auf einer leicht ansteigenden dauerhaft errichteten Aussichtsplattform am Prachtboulevard des Bund, die einen besonders guten Blick über den Huangpu-Fluss und den gegenüberliegenden Shanghaier Stadtteil Pudong mit seiner modernen Hochhausarchitektur gibt.

Nach Augenzeugenberichten war diese Aussichtsplattform überfüllt und es strömten noch immer mehr Menschen nicht nur auf die Plattform, sondern sie versuchten, so war das Empfinden der Menschen in den vorderen Reihen, ebenfalls noch an den Rand der Plattform mit der besten Aussicht zu kommen. Gegen 23:20 Uhr (Ortszeit) begann sich die Situation aus Sicht eines Augenzeugen zuzuspitzen, der Druck der Massen zu groß zu werden. Die Polizei hatte bereits den Zugang zur Plattform abgeriegelt, da die Überfüllung offensichtlich war. Aber die Menschen drängten weiter auch durch Ausgänge hinauf und machten es den Menschen auf der Plattform deshalb schwer, diese zu verlassen. Gegen 23:30 Uhr Ortszeit wurden zahlreiche Polizisten zum Eingreifen herangezogen, die sich aber nur schwer durch die Menschenmenge zum Einsatzort voranbewegen konnten. So dauerte es bis 23:40 Uhr (Ortszeit), ehe die Masse unter zunehmend lauter werdenden Rufen, nicht weiter zu drängen, langsam ruhiger wurde. Dabei konnte man zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich sehen,wie Menschen massenhaft stürzten, berichteten Augenzeugen. Gegen 23:55 Uhr (Ortszeit) hatte sich die Plattform dann so weit geleert, dass man das Ausmaß der Tragödie zu erahnen begann, als zwischen Bergen von Schuhen, Mützen und Souvenirs die Opfer sichtbar wurden.

Sicht auf die Uferpromenade „The Bund

Ahnungslos von der Tragödie, die sich nur wenige Meter von ihnen entfernt ereignet hatte, begannen die Massen auf der Promenade dann einen Countdown in das Neue Jahr.

In der Parteizeitung People's Daily wird geurteilt, dass China eben doch noch ein Entwicklungsland sei, da in entwickelten Ländern solche Unglücke nicht vorkämen. Gleichzeitig werden in der chinesischen Presse Forderungen laut, dass eine Millionenmetropole wie Shanghai eine ständige Aufsichts- und Planungbehörde für Massenereignisse brauche, um derartige Vorgänge zu vermeiden. Dabei betont die Stadt, dass man zu diesem Jahreswechsel gar keine Lichtershow geplant habe, da sich in den letzten Jahren bis zu 300.000 Menschen versammelt hatten und die Situation als zu unübersichtlich eingeschätzt worden war. Dies widerspricht früheren Darstellungen, nach denen das Zentrum der Veranstaltung gerade wegen der Massen für dieses Jahr an den Unglücksort verlegt worden war. Experten des Roten Kreuzes in China weisen außerdem darauf hin, dass in China nur etwa 1 Prozent der Bevölkerung Training in Erster Hilfe erhalte und dass Verhaltensmaßregeln in Notfällen praktisch unbekannt seien. Die Schilderungen decken sich mit der Beobachtung von westlichen Besuchern in China, die das Verhalten der Chinesen in U-Bahnen oder an Bushaltestellen oftmals als sehr undiszipliniert beschreiben, wo es regelmäßig zu Szenen kommt, die eher einem Ringkampf gleichen als dem Verhalten von Menschen auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause. Darauf angesprochen zucken Chinesen dann nur die Schultern und sagen „wir sind eben so viele“, da müsse man drängeln um voranzukommen.



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