Schwere Vorwürfe gegen Chef der niedersächsischen Staatskanzlei
Veröffentlicht: 11:47, 21. Feb. 2015 (CET) Bitte keine inhaltlichen Veränderungen vornehmen. |
Hannover (Deutschland), 21.02.2015 – Am 9. September 2014 gab es auf dem Betriebsgelände einer Entsorgerfirma in Ritterhude bei Bremen eine Explosion, bei der ein Mitarbeiter getötet wurde. Außerdem wurden die umliegenden Wohnhäuser schwer beschädigt. Die Ursache der Explosion ist bis heute ungeklärt. Wie lange die staatsanwaltlichen Ermittlungen dauern werden, ist ungewiss.
Für die Genehmigung und Überwachung der Tanklager auf dem Betriebsgelände war bis 2005 der Landkreis Osterholz zuständig. 1991 bis 1995 leitete Jörg Mielke das Rechtsamt, dann wurde er Dezernent für die Bereiche Bauen, Umwelt, Kultur und Tourismus. Zwischenzeitlich trat er der SPD bei. Im Januar 2005 wurde er zum Landrat gewählt. Seit dem 19. Februar 2013 ist er Chef der Niedersächsischen Staatskanzlei. Aktuell äußerte er sich zu den Vorwürfen bezüglich der Entsorgerfirma widersprüchlich: „Vom Sommer 2004 bis Frühjahr 2006 gab es eine Vielzahl von Beanstandungen, die bis 2006 alle erledigt worden sind. Daher ist der Vorwurf, ich hätte Illegales geduldet, nicht gültig.“ Am 31. März 2005 hatte Mielke schriftlich mitgeteilt, die Lagerung der Abfälle auf dem Betriebsgelände sei nicht genehmigt worden und auch nicht genehmigungsfähig. Allerdings führte er damals weiter aus, es werde „eine Gesamtlösung geprüft“.
Nach Recherchen des NDR wurden Chemieabfälle in einer Verbrennungsanlage entsorgt, und es gab eine Genehmigung, bis zu 40.000 Liter brennbare Flüssigkeit zu lagern. 2010 sollen es jedoch bereits 146.000 Liter und am Tag der Explosion 342.000 Liter gewesen sein. Das Unternehmen erhielt auch Fördermittel vom Land, so etwa im Jahre 2001 für ein Forschungsvorhaben „Demonstrationsanlage zur Rückgewinnung von Poliermitteln mit dem Ziel der Rückführung in den Produktionsprozess“ in Höhe von rund 409.000 Euro.
Die jeweilige Verantwortung bzw. Zuständigkeit für die Genehmigung ergibt sich aus dem betroffenen Rechtsgebiet – also Baurecht, Umweltrecht oder Strafrecht. Somit können im Einzelfall die Gemeinde Ritterhude, der Landkreis Osterholz oder das Land Niedersachsen zuständig sein. Hinsichtlich der Lagerung großer Mengen brennbarer Flüssigkeiten hatten die Bundesländer bis 2005 bei der Genehmigung und Überwachung mehr Gestaltungsspielräume, bevor das Bundesrecht – etwa durch das Wasserhaushaltsgesetz – im Rahmen der Föderalismusreform verschärft wurde.
In den Jahren 2003 bis 2013 regierte in Niedersachsen eine schwarz-gelbe Koalition aus CDU und FDP. Diese wurde Anfang 2013 durch eine rot-grüne Regierung abgelöst. Zuständiger Umweltminister ist seitdem Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen). Gegenwärtig kommt die Kritik an Jörg Mielke und der jetzigen Landesregierung auch von der FDP, die aber seinerzeit mit ihren Umweltministern 2003 bis 2013 selbst eine Mitverantwortung trägt. FDP-Minister Hans-Heinrich Sander betrieb nach Ansicht einiger Verbände keinen aktiven Umweltschutz.
Jörg Mielke wurde bereits aus verschiedenen Gründen kritisiert. So habe er vom Chef des Ritterhuder Unternehmens, auf dessen Gelände es 2014 zur Explosion kam, Geschenke angenommen. Dies rechtfertigt er damit, es sei übliche Praxis gewesen, dass Unternehmen sich zum Jahresende auf diese Weise bei der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit bedankten. In ähnlichen Fällen – etwa bei dem Korruptionsverfahren gegen den früheren niedersächsischen Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) – erkannte er ebenfalls keine Bestechlichkeit und nahm die betroffene Person in Schutz.
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Quellen
- ooksnpdf.com: „Föderalismusreform in Deutschland“ (18.06.2014)
- www.welt.de: „Poker um den Prozess gegen Christian Wulff“ (07.04.2013)
- www.weserberge.de: „Sander krempelt Umweltpolitik um“ (23.10.2004)
- www.weser-kurier.de: „Geschenke von Ritterhuder Firmenchef: Mielke weist Vorwürfe zurück“ (23.09.2014)
- www.haz.de: „Neue Vorwürfe gegen Ritterhuder Firma“ (05.02.2015)
- www.ndr.de: „Ritterhude: Ex-Landrat weist Vorwürfe zurück“ (18.02.2015)