Neapels Müll wird jetzt in Deutschland entsorgt
Veröffentlicht: 23:06, 1. Apr. 2008 (CEST) Bitte keine inhaltlichen Veränderungen vornehmen. |
Neapel (Italien) / Leverkusen / Hamburg (Deutschland), 01.04.2008 – Italien exportiert Müll nach Deutschland. Kein Aprilscherz, sondern ein Verzweiflungsakt der italienischen Behörden, um das Müllproblem der Stadt Neapel wenigstens kurzfristig ein wenig zu lindern. Kommunen in Deutschland nehmen der italienischen Region Kampanien 160.000 Tonnen Müll ab, darunter mehrere Städte in Nordrhein-Westfalen (Bonn, Düsseldorf, Herten, Kamp-Lintfort, Köln, Leverkusen, Weisweiler und Wuppertal) sowie die Stadt Hamburg. Diese Städte verfügen über leistungsfähige Müllverbrennungsanlagen, die noch freie Kapazitäten haben. Was liegt also näher als ein Geschäft mit den vom Müllnotstand geplagten italienischen Behörden. Die Stadt Hamburg kassiert dafür 150 Euro pro Tonne, hinzu kommen noch die Transportkosten in Höhe von 200 bis 230 Euro. Nach Angaben der FAZ nimmt die Stadt Hamburg so knapp 37 Millionen Euro ein. Der Transport erfolgt auf dem Schienenweg. Darauf haben sich der Sonderbeauftragten der italienischen Regierung für den Müllnotstand und die Umweltministerien des Bundes und der Länder geeinigt. Wolfgang Hürter, Aufsichtsvorsitzender von SWB, nennt den Vorgang ein „ein Musterbeispiel für internationale Solidarität unter den Kommunen in der EU. Es entspricht dem Gedanken ‚Global denken, lokal handeln‘, dem sich die Stadt Bonn verschrieben hat.“ Ein Ministeriumssprecher des deutschen Bundesumweltministeriums sagte, dass Deutschland als einziges EU-Land über entsprechende Kapazitäten verfüge. Es existiert bereits ein Abkommen zwischen Italien und dem Bundesland Sachsen, nach dem in diesem Bundesland 35.000 Tonnen Müll entsorgt werden. Allerdings soll die Hilfe kein Dauerzustand werden. Die Verbrennung des Mülls in Hamburg und Nordrhein-Westfalen ist auf zehn Wochen befristet. Auch mit der Schweiz und Israel verhandelt der italienische Müllkommissar De Gennaro.
Das Müllproblem in Neapel besteht bereits seit Monaten und eine kurzfristige Lösung ist nicht in Aussicht. In zwei Jahren soll eine Verbrennungsanlage in Acerra den Müll Neapels aufnehmen. Die Ursachen des Müllproblems sind vielschichtiger Natur. Eine große Rolle spielt dabei die italienische Mafia, die über Jahre eine Lösung der Müllproblematik über politische Kontakte blockierte, um selbst den Müll auf wilden Deponien zu entsorgen. 1.200 illegale Giftmüllkippen „schmiegen“ sich in die wegen ihrer landschaftlichen Reize hochgepriesene Region um Neapel. Hinzu kommen die sich im ewigen Parteienstreit blockierenden politischen Parteien, die sich gegenseitig für das Müllproblem verantwortlich machen. Die andere Seite der Müllmisere: Die Camorra erwirtschaftet Schätzungen zufolge fast 20 Milliarden Euro pro Jahr.
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Quellen
- faz.net: „Nur Deutschland entsorgt Müll aus Neapel“ (01.04.2008)
- welt.de: „Hamburg verbrennt Müll aus Neapel“ (01.04.2008)
- stadtwerke-bonn.de: „Hürter: Kritik der Bonner Grünen an internationaler Hilfe für Neapel ist nicht nachvollziehbar“ (01.04.2008)
- rp-online.de: „Müll aus Neapel nach Leverkusen“ (01.04.2008)
- tagesschau.de: „Die Vororte versinken immer noch im Müll“ (14.01.2008)
- derstandard.at: „Ein Ausflug ins Todesdreieck“ (27.03.2008)