Nach dem Urteil in Köln stoppt jüdisches Krankenhaus Beschneidungen aus religiösen Gründen

Veröffentlicht: 10:46, 30. Jun. 2012 (CEST)
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Berlin (Deutschland) / Köln (Deutschland), 30.06.2012 – Das Jüdische Krankenhaus in Berlin zieht Konsequenzen aus dem Urteil des Kölner Landgerichts, das eine Beschneidung eines nicht einwilligungsfähigen vierjährigen Jungen als Körperverletzung gewertet hat. Es sprach in der Urteilsbegründung von einer „schweren und irreversiblen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit“.

Jüdisches Krankenhaus Berlin

Ein Sprecher des Krankenhauses gab bekannt, dass die Beschneidung als Teil der Arbeit der Ärzte gesehen wird, man wünsche sich diese bald wieder durchführen zu können. Nach dem Urteil könne man das medizinische Personal jedoch mit der juristischen Unsicherheit nicht alleine lassen. Daher würden bis auf weiteres keine Beschneidungen mehr aus rein religiösen Gründen durchgeführt werden. Der Leiter der Klinik Kristof Graf: Das Urteil sei „in seinen Konsequenzen eine Katastrophe“ und „erschreckend in seinen Dimensionen“. Er sprach weiter von einer massiven Einschränkung der Religionsfreiheit. Das Jüdische Krankenhaus befindet sich in einem Stadtviertel Berlins mit einem hohen türkischen Bevölkerungsanteil. Von den 300 Beschneidungen, die letztes Jahr durchgeführt wurden, war bei zwei Dritteln ein rein religiöser Grund gegeben. Überwiegend wurde der Eingriff bei Angehörigen der muslimischen Religionsgemeinschaft durchgeführt.

Durchführung einer Beschneidung in Zentralasien, vermutlich Turkmenistan, ca. 1865–1872.


Die männliche Beschneidung ist weit verbreitet, etwa ein Viertel aller Männer weltweit haben diesen Eingriff hinter sich. Dennoch stellte das Kölner Landgericht fest: „Weder das Elternrecht noch die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit können diesen Eingriff rechtfertigen.“ Vorausgegangen war die Beschneidung eines vierjährigen Jungen im November 2010 durch einen Kölner Arzt. Die Eltern, die dem islamischen Glauben angehören, hatten sich die Operation gewünscht. Die Vorhaut wurde daraufhin von dem Arzt entfernt. Eine medizinische Notwendigkeit gab es nicht. Als wegen einer Nachblutung eine Weiterbehandlung erforderlich war, hatte die Staatsanwaltschaft Kenntnis von dem Vorgang erhalten und Anklage gegen den Arzt erhoben. Das Amtsgericht in Köln sprach den Arzt mit Urteil vom 21.09.2011 (Az. 528 Ds 30/11) frei, der Eingriff sei aufgrund der wirksamen Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern gerechtfertigt gewesen. Nach der Berufung der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung, sah das Landgericht eine Körperverletzung als gegeben an (Urteil vom 07.05.2012; Az. 151 Ns 169/11). Nur wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtum wurde der angeklagte Arzt freigesprochen. Auf einen solchen können sich die Mediziner nach diesem Urteil nicht mehr berufen.

Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft ein „Beschneidungstourismus“ zu beobachten sein wird. Der Eingriff wird dann sicher oft in den Heimatländern der Eltern durchgeführt werden.

Nach dem Urteil hat neben dem Zentralrat der Juden auch die Türkisch-Islamische Union eine Erklärung herausgegeben. Darin heißt es, das Urteil sei „ein Akt, der in Missachtung der Religion und der hieraus entstandenen Tradition einen Eingriff in diese darstellt und weder von einem ausgeprägten Rechtsverständnis zeugt, noch von gesamtgesellschaftlicher Verantwortung“.


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