Nach Bundesverfassungsgerichtsurteil droht Nachtragshaushalt für 2023

Veröffentlicht: 13:52, 25. Nov. 2023 (CET)
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Berlin (Deutschland), 22.11.2023 – Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von der vergangenen Woche, das die Übertragung gesparter Coronaausgaben in den Klimafonds als rechtswidrig feststellte, hat die Politiker der Ampelkoalition kalt erwischt. Unklarheit besteht auch, ob der als „Doppelwumms“ bezeichnete Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF nun ebenso rechtswidrig ist. Das Bundesfinanzministerium hat inzwischen eine Haushaltssperre für alle Ausgaben angeordnet, deren Auszahlung noch nicht angewiesen war. Nun soll geklärt werden, ob für 2023 ein Nachtragshaushalt erforderlich ist. Die für Donnerstag vorgesehene abschließende Beratung des Bundeshaushalts im Finanzausschuss wurde abgesagt. Ob es vor dem Jahresende überhaupt zur Verabschiedung eines Haushaltsgesetzes für 2024 kommt, war nicht zu erfahren.

Die Haushaltssprecher der Ampelkoalition, Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP), teilten vor der Presse mit, man wolle „einen Haushalt aufstellen, der alle Urteilsargumente und gleichzeitig das Gebot des Grundgesetzes nach einem Haushaltsabschluss noch dieses Jahr berücksichtigt“. Sachverständige hatten am Dienstag vor dem Haushaltsausschuss einen Vorschlag erläutert, wie die Regierung für 2023 und 2024 einen verfassungsgemäßen Haushalt aufstellen könne. „Diesen prüfen wir jetzt intensiv. Das muss dann aber auch die Opposition machen können“, verlangten die Sprecher. Die Verschiebung der Beratung wurde von der Opposition gewünscht.

Dementsprechend wurde auch im Bundestag die Tagesordnung für die kommende Woche geändert; die Haushaltsdebatte werde verschoben. Der CDU/CSU-Haushaltsexperte Christian Haase zeigte sich zufrieden. „Wir freuen uns, dass die Vernunft bei der Ampel gesiegt hat.“ Dem Unions-Vizefraktionsvorsitzenden Mathias Middelberg zufolge war die Ampel „kurz davor, einen weiteren verfassungswidrigen Haushalt zu verabschieden“. Er stellte fest: „Die Ampel wird nun Prioritäten setzen und damit auch Einsparungen vornehmen müssen.“ Middelberg forderte die Regierung auf, sich bei der Aufstellung des Nachtragshaushalts für 2023 zu beeilen. „Denn dieser muss zwingend noch vor Jahresende verabschiedet werden.“

Durch die Nichtigkeitserklärung des Bundesverfassungsgerichts für die Umwidmung nicht genutzter Corona-Kredite im Umfang von 60 Milliarden Euro entstand im Haushalt 2023 eine große Lücke. Nun stehen etliche klimapolitische und wirtschaftspolitische Maßnahmen auf der Kippe. Aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sollten ab 2024 mindestens 2,6 Milliarden zur Strompreiskompensation für energieintensive Unternehmen durch den CO2-Preis finanziert werden. Außerdem beabsichtigte das Bundeswirtschaftsministerium die Förderung der Produktion von Halbleitern in Deutschland und wollte mit rund vier Milliarden Euro insgesamt 31 Projekte unterstützen. In 15 Fällen wurden den Unternehmen bereits rechtsverbindliche Förderzusagen erteilt, doch die Finanzierung der 16 weiteren Projekte ist fraglich. Gefährdet sind auch die Subventionen in Milliardenhöhe für die Ansiedlung des taiwanischen Chip-Herstellers TSMC in Dresden und des US-Unternehmens Intel in Magdeburg. Mit den Zahlungen aus dem KTF sollten außerdem 45 Unternehmen unterstützt werden, die ihre Produktion auf erneuerbare Energien umstellen müssen. Hier haben bislang nur sechs Unternehmen, darunter Thyssenkrupp aus Essen, Förderbescheide erhalten. Die übrigen haben vermutlich Pech. Darunter sind 25 Unternehmen, die in Absprache mit der Regierung bereits in Vorleistung getreten sind. Unter den gefährdeten Projekten ist die Dekarbonisierung der Stahlwerke von ArcelorMittal in Bremen und Eisenhüttenstadt und von Saarstahl im Saarland. Die Förderung des Automobilbatteriezellen-Werks des schwedischen Unternehmens Northvolt in Heide in Schleswig-Holstein steht ebenso auf der Kippe wie der Umweltbonus für Verbraucher, die neue E-Autos anschaffen.

Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) schlägt Alarm. Aus dem KTF hätten in den nächsten vier Jahren vier Milliarden zur Finanzierung von Baumaßnahmen der Deutschen Bahn kommen sollen. Die Generalsanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim in der zweiten Jahreshälfte 2024 könnte der Finanzierungslücke zum Opfer fallen. Insgesamt plant die Deutsche Bahn bis Ende des Jahrzehnts die Sanierung von 40 Streckenabschnitten in ganz Deutschland.

Ebenfalls aus dem KTF finanziert werden sollten die Mittel für neue Heizungen und energetische Sanierungen im Rahmen des sogenannten „Heizungsgesetzes“. Diese waren zunächst von der Haushaltssperre ausgenommen, doch die weitergehende Ausgabensperre vom Montagabend schließt möglicherweise diese Mittel ebenfalls ein. Unklar ist die Situation, was die Finanzierung der Preisbremsen für Strom und Gas aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) angeht. Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer teilte den Ministerien in einem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, mit, dass die Kredite aus dem Sondervermögen für die Energiepreisbremsen „im Jahr 2023 nach derzeitiger Rechtslage nicht mehr genutzt werden“ könnten. Doch aus Kreisen im Finanzministerium heißt es, dass die Auszahlung der Energiepreisbremsen im Jahr 2023 nicht betroffen sei.

Die Regierung hatte 2022 die Schuldenbremse ausgesetzt und das Finanzministerium zur Aufnahme von Krediten bis zu 200 Milliarden Euro ermächtigt. Diese Ausgaben sollten weitgehend erst 2023 und 2024 zur Auszahlung kommen, doch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde klargestellt, dass Notlagenkredite unter Umgehung der Schuldenbremse nur im Jahre ihres Beschlusses verwendet werden dürfen. Aus Kreisen des Bundeskabinetts und der Regierungskoalition wurde bekannt, dass für den Bundeshaushalt 2023 eine nachträgliche Aussetzung der Grundgesetzregelung zur Schuldenbremse geplant ist. Doch seien diese Pläne noch nicht entscheidungsreif. Für den Klimafonds könnte im neuen Jahr ein neuer Wirtschaftsplan beschlossen werden.


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