Massendemonstrationen in Taipeh gegen „Anti-Abspaltungsgesetz“

Taipeh (Taiwan) / Peking (Volksrepublik China), 27.03.2005 – Der Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans haben sich durch die Massendemonstration am Samstag in Taipeh verschärft. Peking warf der taiwanesischen Regierung vor, neue Spannungen zu provozieren. Mit ihrer "extremen Unabhängigkeitsbestrebung" habe Taiwans Regierung die Bevölkerung in die Irre geführt und neue Feindschaft gesät, erklärte die Pekinger Führung der staatlichen Nachrichtenagentur „Neues China“ Xinhua zufolge. Die Kräfte der Sezession seien „die größte Bedrohung des Friedens in der Taiwan-Straße“.

Massendemonstrationen in Taipeh gegen „Anti-Abspaltungsgesetz“

Rund eine Million Menschen hatten gestern gegen das am 14. März vom Parlament in Peking verabschiedete Anti-Abspaltungsgesetz protestiert. Das Gesetz droht Taiwan, das von der Volksrepublik China seit jeher als abtrünnige Provinz betrachtet wird, für den Fall weiterer sezessionistischer Bestrebungen mit dem Einsatz „nicht-friedlicher Mittel“. - „Der Unabhängigkeits-Lauf Taiwans ist eine leere Zurschaustellung seiner Stärke“, lautete die Überschrift der Pekinger Morgenpost am Sonntag. Die Zeitungen druckten allerdings keine Bilder der Demonstration; Berichte von CNN und BBC waren Beobachtern zufolge zensiert.

Das nimmt nicht wunder, waren die Demonstranten doch alles andere als zurückhaltend: Grüne Stirnbänder mit der Aufschrift „Demokratie, Frieden, schützt Taiwan“, Stinkefinger-Plakate, Transparente mit der Aufschrift „Fuck China“ und ein großformatiges Banner mit dem Konterfei des chinesischen Premierministers Wen Jiabao auf den Straßen ausgebreitet, das die Teilnehmer des Protestzugs symbolisch mit Füßen treten konnten, waren wohl zu starker Tobak für die Führung in Peking. Auch Taiwans Präsident Chen Shui-bian hatte mit seiner gesamten Familie am „Karneval des Friedens“ in Taipeh beteiligt, hielt jedoch keine Rede. Chen soll damit auch auf Befürchtungen der USA reagiert haben, dass die in Taiwan regierende Demokratische Partei (DPP) die Massendemonstrationen zum Protestmarsch für eine Unabhängigkeit Taiwans umfunktionieren könnte. Bereits am 28. Februar des vergangenen Jahres hatte er zusammen mit einer Menschenkette gegen die mehr als 600 Mittelstreckenraketen demonstriert, die China gegenüber Taiwan installiert haben. Peking lässt dem taiwanischen Verteidigungsministerium zufolge jedes Jahr 75 weitere Raketen aufstellen, was China bislang noch nicht dementiert hat.

Wegen der von Peking forcierten „Ein-China-Politik“ - sie nahm ihren Anfang nach einem Besuch des seinerzeitigen US-Präsidenten Richard Nixon Anfang der 70-er Jahre im damals noch meist als Rotchina bezeichneten Mutterland - erkennen heute nur noch 26 meist kleine Staaten Taiwan diplomatisch an (die Bundesrepublik Deutschland nicht). China versuchte in den vergangenen Jahren vehement, Taiwan international weiter zu isolieren.

Peking: ein Gesetz zum „Schutz der Interessen der taiwanesischen Landsleute“

Jeder, der den Text des Gesetzes sorgfältig gelesen habe, werde erkennen, das dies ein Gesetz sei, um eine friedliche Wiedervereinigung herbeizuführen und die Beziehungen über die Taiwanstraße hinweg zu verbessern. Es sei ein Gesetz zum "Schutz der Interessen der taiwanesischen Landsleute", so Pekings Sprachrohr Xinhua. Es habe weithin auch „die Anerkennung der internationalen Gemeinschaft gefunden“.

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana kritisierte unterdessen das chinesische Anti-Abspaltungsgesetz. In der Bild am Sonntag erklärte er, dass das Vorgehen Pekings Auswirkungen auf die Pläne der Europäischen Union haben könnte, das Waffenembargo gegen die Volksrepublik aufzuheben.

US-Außenministerin Condoleezza Rice hatte die Konfliktparteien bei ihrem Besuch in Peking unlängst aufgefordert, die Situation nicht „gegenseitig hochzuschaukeln“ und nichts zu unternehmen, was den Status quo weiter verletzen könnte.

Quellen