Kundus-Untersuchungsausschuss: Schneiderhahn verteidigt sein Verhalten

Veröffentlicht: 21:41, 18. Mär. 2010 (CET)
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Berlin (Deutschland), 18.03.2010 – Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, wies heute vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur sogenannten Kundus-Affäre Vorwürfe zurück, er habe den Bundesverteidigungsminister zu den Vorgängen um den Luftangriff auf zwei Tanklaster in Afghanistan im letzten Jahr nicht ausreichend informiert. Den von einem deutschen Oberst befohlenen Luftangriff auf zwei Tanklastwagen am 4. September 2009 hatte der amtierende Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zunächst als militärisch gerechtfertigt beurteilt, diese Einschätzung später jedoch zurückgezogen.

General Wolfgang Schneiderhan, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr (2005)

Mehrere Personen, die mit dem Vorgang befasst waren, mussten im Zusammenhang mit der Affäre bereits zurücktreten. Der ehemalige Verteidigungsminister Franz-Josef Jung, der in der neuen Regierung den Posten des Arbeitsministers bekleidete, trat zurück, weil seine Informationspolitik über die Vorgänge bei dem Luftangriff kritisiert worden war. Jung hatte die Zahl der zivilen Opfer zunächst wesentlich niedriger angegeben. Nach der Amtsübernahme durch zu Guttenberg entließ dieser den Generalinspekteur der Bundeswehr, General Schneiderhan, sowie den Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Peter Wichert. Der Minister hatte beiden Amtsträgern vorgeworfen, ihn nicht ausreichend informiert zu haben beziehungsweise sogar Informationen zurückgehalten zu haben.

Schneiderhan erklärte am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages wörtlich: „Die Frage, ob ich die Minister so beraten habe, dass sie entscheidungsfähig waren, ja, diese Frage beantworte ich eindeutig mit ja.“ Schneiderhahn wehrte sich vor allem gegen den Vorwurf, er habe Informationen absichtlich zurückgehalten. Seiner Ansicht nach, konnten die Äußerungen des Ministers (zu Guttenberg) entsprechend interpretiert werden. Der Minister hat seine Äußerungen zum Verhalten Schneiderhahns, die zu seiner Entlassung führten, inzwischen etwas relativiert. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters in der vergangenen Woche hatte zu Guttenberg erklärt: „Ich hatte nie den Eindruck, dass seitens General Schneiderhan oder Dr. Wichert vorsätzlich oder böswillig gehandelt wurde.“ Diese Ministeräußerung hatte Schneiderhan mit Erleichterung zur Kenntnis genommen, wie er sagte. Laut dpa hatte der Minister wörtlich von „unterschlagenen Dokumenten“ gesprochen.

Schneiderhan legte vor dem Untersuchungsausschuss eine detaillierte Beschreibung des Informationsflusses nach dem Luftangriff in Kundus dar. Eine besondere Rolle spielt in der öffentlichen Aufarbeitung der Vorgänge ein Bericht deutscher Feldjäger über den Angriff, der der Bild-Zeitung zugespielt worden war. Diesen Bericht habe Schneiderhan im September ausführlichst in seinem Stab diskutiert und dann dem damaligen Verteidigungsminister Jung zugeleitet. Schneiderhan legte dar, dass er die Qualität dieses Berichts bemängelt habe, weil er zu viele Spekulationen enthalten habe. Der Generalinspekteur erläuterte dann, dass er seine informationspolitische Aufgabe vor allem darin sieht, die vorliegenden Informationen zu verdichten, um dem jeweiligen Minister fundierte Entscheidungshilfen zu geben. Den Feldjägerbericht habe er gegenüber Verteidigungsminister zu Guttenberg zwar erwähnt, der Bericht selbst war dem Minister aber wohl nicht vorgelegt worden. Wegen der darin enthaltenen spekulativen Tendenzen sei der Bericht in Abstimmung mit Minister Jung zurückgegeben worden. Seine Aufgabe beschrieb der Vier-Sterne-General so: „Der Generalinspekteur und sein Stab haben die Aufgabe, den Minister urteilsfähig zu machen. Für sein Urteil ist er selbst verantwortlich.“ Bezüglich der Einschätzung des Luftangriffs bei Kundus habe er den Minister persönlich „zu Vorsicht und Zurückhaltung“ geraten. Laut dpa-Informationen waren diese Worte in einem Brief enthalten, die der General im November vergangenen Jahres an den Minister gerichtet habe.

Für seine Entlassung machte der Generalinspekteur letztlich gezielte Indiskretionen im Verteidigungsministerium verantwortlich. Insbesondere die Weiterleitung des Bundeswehr-Feldjägerberichts an die Bild-Zeitung habe am Ende sowohl den Rücktritt des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Jung als auch die Entlassung des Staatssekretärs Peter Wichert nach sich gezogen. Diese Enthüllungen bezeichnete Schneiderhan als „ungeheuerlichen Vorgang“, an dem letzlich nur die Taliban ihre Freude gehabt hätten. Dem Ansehen Deutschlands und der militärischen und politischen Führung der Bundeswehr sei jedoch durch den Vorgang schwerer Schaden zugefügt worden.

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