Kolpingwerk verliert Arbeitsgerichtprozess gegen schwulen Mitarbeiter

Artikelstatus: Fertig 08:02, 23. Apr. 2007 (CEST)
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Frankfurt am Main (Deutschland), 23.04.2007 – Nachdem das katholische Kolpingwerk der Diözese Limburg einem langjährigen und schwulen Mitarbeiter fristlos gekündigt hatte, hat am 18. April 2007 das Arbeitsgericht Frankfurt dies für unwirksam erklärt. Anlass für die Kündigung war das Bekanntwerden eines Chatprofils des Mitarbeiters in einem Internetportal für Schwule.

Der 53-Jährige Sozialpädagoge arbeitete seit gut 10 Jahren für das Kolpingwerk und leitete ein Wohnheim des Vereins für Auszubildende in Frankfurt. Laut Darstellung des Kolpingwerks begann der Fall im September 2006 als ein Mitarbeiter des Kolpingwerks auf der Internetseite GayRomeo das Kontaktprofil des Heimleiters entdeckte und darüber mit einer Kollegin sprach. Diese meldete sich dann mit den Daten ihres jungen Kollegen an, verabredete sich mit dem Heimleiter in einer Schwulenkneipe und sagte später das Date wieder ab. Der Vorstand des Vereins erfuhr Anfang Oktober vom Chatprofil, und kündigte den Mitarbeiter außerordentlich, nachdem dieser zugegeben hatte die Daten ins Internet gestellt zu haben.

Der Anwalt des Kolpingwerks Klaus Baumann, welcher auch Vorsitzender des Frankfurter Kolpinghauses, dem Trägerverein des Wohnheims ist, führte bei der Verhandlung aus, dass so ein Chatprofil nicht mit der katholischen Sittenlehre zu vereinbaren ist. Mehrfach betont er, dass der Heimleiter nicht gekündigt wurde, weil er schwul sei, sondern man habe die Heimbewohner vor möglichen sexuellen Kontakten mit dem schwulen Heimleiter schützen müssen und weiters habe sich der Sozialpädagoge erpressbar gemacht. Besonders angekreidet wurden von Baumann die konkreten Einträge im Profil: „In unseren Augen ist das würdelos. [...] Er hat sein Geschlechtsteil öffentlich als Schwanz bezeichnet und beschrieben, welche sexuellen Praktiken er bevorzugt.“ Das sage auch etwas über den Menschen aus und sei nicht vereinbar mit dem Erziehungsauftrag des katholischen Vereins.[1] Weiters berief sich der Anwalt auf den Tendenzschutz und Sonderstatus von Kirchen als Arbeitgeber. Nach Kolping-Geschäftsführer Arnold Tomaschek habe sich der Heimleiter auch nackt mit einem Foto präsentiert. Zudem habe er Partner im Alter von 18 bis 28 Jahren für "Sexdates" gesucht.[2] Nach Angabe des Klägers war das "Nacktfoto" nur ein Bild mit freiem Oberkörper.[3]

Eine potentielle Erpressbarkeit ergibt sich erst aus dem Umstand, dass Arbeitgeber so eine Kündigung aussprechen, wie man zum Beispiel bei der Bundeswehr und der British Army inzwischen eingesehen hat. Warum der Sozialarbeiter gerade Beziehungen zu Jugendlichen in einem Abhängigkeitsverhältnis eingehen soll, die klarerweise auch bei heterosexuellen Personen vorkommen können, ist unklar. Auch eine in konservativen Kreisen öfters angenommene „Verführung zur Homosexualität“ wird heute von den meisten Sexualwissenschaftlern zurückgewiesen. Zum Sonderstatus der Kirche als Arbeitgeber sei darauf hingewiesen, dass das Kolpingwerk der Diözese Rottenburg-Stuttgart in einem Prozess um Bezahlung nach dem für den klagenden Arbeitnehmer günstigeren diözesanen Arbeitsrecht im Jahre 2001 von sich aus angegeben hat nicht unter der Kontrolle der Kirche zu stehen und auch evangelische und konfessionslose Mitarbeiter zu beschäftigen.[4] Es gibt bei Gayromeo die Möglichkeit von öffentlichen Profilen, wobei diese nur bei externer Verlinkung von Suchmaschinen erfasst werden. Sonst kann man nur innerhalb GayRomeos über verschiedene Kriterien nach Gleichgesinnten suchen. Die von Gayromeo vorgegebene Bezeichnung „Schwanz“ erscheint automatisch im Profil, sobald man die ungefähre Größe oder den Beschneidungsstatus angibt.

Schon zu Beginn stellte der Richter die Frage „Warum konnte man den Kläger nicht auffordern, sein Profil rauszunehmen und es damit gut sein lassen?“[1] Weiters erkannte er keinen konreten Bezug des Chatprofils zum Arbeitsverhältnis, stellte klar dass Sexuelle Orientierung und sexuelle Vorlieben Privatangelegenheit des Arbeitnehmers seien und damit liege kein wichtiger Kündigungsgrund vor.

Der Vorstand des Vereins will jetzt prüfen, ob er in Berufung geht. Was weiter mit dem Sozialpädagogen geschieht ist unklar, da das Kolpingwerk derzeit keine vergleichbare Stelle frei hat und die alte schon neu vergeben wurde.

Manfred Bruns, der Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) begrüßt dieses Urteil, die Ansicht des Gerichts über Privatangelegenheiten und ‚außerdienstliches Verhalten‘ und unterstreicht, dass niemand gekündigt werden darf, weil er homosexuell ist und dazu steht. Weiters meinte er:

„Diesen selbstverständlichen Grundsatz will die römisch-katholische Kirche nicht anerkennen. Deshalb hatten die Verantwortlichen vom Diözeseverband Limburg ihre Kündigung damit begründet, dass der Mitarbeiter in einem Chatprofil nach Kontakten zu anderen Homosexuellen gesucht hatte. Aber auch wenn sich der Mitarbeiter fest gebunden hätte und eine Lebenspartnerschaft eingegangen wäre, hätte ihm dies nichts geholfen. Dann wäre ihm erst recht gekündigt worden.

Wir sind sehr froh, dass der römisch-katholischen Kirche durch dieses Urteil bescheinigt wurde, dass ihre diskriminierende Praxis gegenüber ihren lesbischen und schwulen Mitarbeitern rechtswidrig ist.“ LSVD-Pressemeldung[5]

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Quellen

  1. 1,0 1,1 fr-online.de: „Schwuler Sozialpädagoge bekommt Recht - Katholische Kündigungsgründe“ (19.04.2007)
  2. spiegel.de: „Heimleiter darf trotz Partnersuche weiterarbeiten“ (18.04.2007)
  3. queer.de: „Chatprofil rechtfertigt keine Kündigung - Kommentar Michael am 19.04.2007, 16:41:20 Uhr“ (19.04.2007)
  4. lexitus.com: „BAG, Urteil vom 26. 7. 2001 - 6 AZR 350/ 00“ (Lexetius.com/2001,2760 [2002/5/1203]) (26.07.2001)
  5. lsvd.de: „Sexuelles Verhalten ist kein Kündigungsgrund – Zum Urteil im Kolpingwerkprozess“ (LSVD-Pressemeldung) (19.04.2007)