Internationale „Solidaritätsflotte“ für Gaza von Israel aufgebracht

Veröffentlicht: 08:45, 1. Jun. 2010 (CEST)
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Haifa (Israel), 01.06.2010 – Ein internationaler Hilfskonvoi, der von Zypern aus Kurs auf den Gazastreifen genommen hatte, wurde am Montag vom israelischen Militär in internationalen Gewässern aufgebracht. Die Schiffe wurden vom Free Gaza Movement, einem Zusammenschluss von pro-palästinensischen Aktivisten, gechartert, um auf die Blockade des Gazastreifens aufmerksam zu machen. Dabei kamen beim Entern des unter türkischer Flagge fahrenden Schiffes „Marmara“ mindestens neun Personen ums Leben. Ein israelischer Fernsehsender berichtete, es seien 19 Personen getötet und 26 weitere verletzt worden. Ein Hamas-Sender sprach von bis zu 20 Toten und rund 50 Verletzten. Die aufgebrachten Schiffe werden derzeit nach Haifa und Aschdod eskortiert oder sind dort schon eingetroffen.

Die „Mavi Marmara“

Der Vorfall hat weltweit Verärgerung und Wut hervorgerufen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat den israelischen Militäreinsatz verurteilt. Frankreichs Außenminister Kouchner sagte, er sei „hochgradig schockiert“, und Staatspräsident Nicolas Sarkozy warf Israel einen „unangemessenen Einsatz von Gewalt“ vor. Guido Westerwelle zeigte sich „tief besorgt“. Spanien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, bestellte den israelischen Botschafter in Madrid ein und bezeichnete den Zwischenfall als „inakzeptabel“ und „äußerst schwerwiegend“. Auch in Stockholm und Athen wurden die Botschafter einbestellt.

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas nannte den Zwischenfall ein „Massaker“. Das arabisch-israelische Mitglied der Knesset Talab al-Sana stellte fest, dass „dieses Ereignis zeigt, dass man kein Deutscher sein muss, um ein Nazi zu sein“. Die Arabische Liga bezeichnete den Vorfall als „terroristischen Akt“ und berief für den 1. Juni eine Dringlichkeitssitzung in Kairo ein. Der UN-Sicherheitsrat trat bereits am Montagabend zusammen, auch die ständigen Regierungsvertreter der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wurden noch am selben Tag nach Brüssel beordert. EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek bezeichnete das israelische Vorgehen als „einen grundlosen Angriff“ und als „klaren und inakzeptablen Bruch des internationalen Rechts“.

Friedensdemonstration in Belfast (31. Mai 2010)

Weltweit fanden wie in Belfast, Amman und Beirut spontane Demonstrationen statt. Die türkische Regierung erklärte, das Aufbringen von Schiffen in internationalen Gewässern sei ein Bruch des internationalen Rechts. Griechenland beendete ein gemeinsames Manöver griechischer und israelischer Kampfflugzeuge auf Kreta vorzeitig. In Istanbul kam es zu spontanen Demonstrationen am Gebäude der israelischen Botschaft. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, als einzelne Demonstranten das Gebäude mit Steinen bewarfen. Hamas rief zu einer weltweiten „Intifada“ von Arabern und Muslimen gegen israelische Botschaften auf.

Auch in der überwiegend von Arabern bewohnten Stadt Nazaret ist es zu einer Demonstration gekommen. Israelische Polizeieinheiten bereiten sich darauf vor, dass sich gewaltsame Proteste in Israel verbreiten könnten, und wurden deswegen in Alarmbereitschaft versetzt. Dies gelte vor allem für die Umgebung der al-Aqsa-Moschee am Tempelberg und den Hafen von Aschdod, teilte Polizeichef Dudi Cohen mit.

Teilnehmer an dem Konvoi sind unter anderem der schwedische Schriftsteller Henning Mankell und die irische Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corrigan. Aus Deutschland kommen unter anderem zwei Bundestagsabgeordnete der Linken, Annette Groth und Inge Höger. Israel, das 2007 eine Seeblockade gegen den Gazastreifen verhängte, hatte vor der Abfahrt des Konvois angekündigt, diesen – notfalls gewaltsam – abfangen zu wollen und die Personen an Bord in ihre Heimatstaaten abzuschieben oder gegebenenfalls zu inhaftieren.

Der Nachrichtensender Al-Dschasira meldete, an der Militäraktion, die im Morgengrauen gegen 4:30 Uhr Ortszeit begonnen habe, seien hunderte israelische Elitesoldaten beteiligt gewesen. Benjamin Ben Elieser, der derzeitige Industrie- und Handelsminister, erklärte im Armeerundfunk, die israelischen Soldaten seien mit Messern und Äxten erwartet worden. Die Lage sei dann nach Provokationen und Rangeleien außer Kontrolle geraten. Elieser kommentierte Fernsehbilder als „nicht schön, ich kann nur mein Bedauern über alle diese Toten äußern“.

Nach Darstellung eines israelischen Militärsprechers hat es seitens der Aktivisten den Versuch gegeben, die israelischen Soldaten zu „lynchen“. Einem israelischen Soldaten sei die Waffe entrissen worden. Der Aktivist hätte sie dann gegen andere israelische Soldaten gerichtet, diese seien auch mit Messern und Stöcken bedrängt worden. „Dies sind sehr aggressive Leute, keine Friedensaktivisten“, kommentierte der Militärsprecher das Verhalten der Friedensaktivisten. „Wir wollten, dass diese Aktion ohne Opfer ausgeht.“

Wohin die Aktivisten gebracht wurden, ist bislang unklar. Gisela Siebourg, Vorsitzende des Vorstandes der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft (DPG), berichtete im Gespräch mit Telepolis: „Nach den einen Meldungen hat die israelische Armee in Aschdot selbst ein Gefangenenlager für bis zu 600 Personen eingerichtet. Nach anderen Meldungen sind in Aschdot Gefangenenbusse mit verblendeten Scheiben vorgefahren, um die Inhaftierten in ein Lager in die Wüste Negev zu bringen.“

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Quellen