Grippepandemie: Deutsche Ärzteschaft kritisiert Notfallplanung und schränkt Mitwirkung ein

Artikelstatus: Fertig 20:44, 15. Dez. 2005 (CET)
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Köln (Deutschland), 15.12.2005 – Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung lehnen ab, dass Ärzte die Risikogruppen definieren, die bei einer möglichen weltweiten Grippeepidemie bevorzugt antivirale Medikamente erhalten werden. Ethische und juristische Gründe werden dafür von den beiden Organisationen der deutschen Ärzteschaft angeführt. Gleichzeitig wird der vom Robert Koch-Institut erstellte "Nationale Influenzapandemieplan" kritisiert, weil er zur vorbeugenden Medikamenteneinnahme keine konkreten Angaben mache. Die bisherige Bevorratung antiviraler Arzneimittel durch deutsche Bundesländer wird als nicht ausreichend bezeichnet, um den voraussichtlich medizinisch notwendigen Bedarf zu decken.

Die im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte Stellungnahme nimmt Bezug auf Bitten von Landesgesundheitsbehörden, bei Planungen zur Rationierung eines knappen Vorrats an Medikamenten mitzuwirken, und stellt fest, dass ein Arzt ein Arzneimittel verordnen müsse, unabhängig davon, ob es erhältlich ist, wenn es für die Medikamenteneinnahme medizinische Gründe gebe. Zu diesen Gründen zähle auch der Kontakt zu Grippekranken unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls. Nichtmedizinische Zuteilungskriterien zur vorbeugenden Verwendung und Zuteilungskriterien bei Arzneimittelknappheit könnten nur im politischen Meinungsbildungsprozess bestimmt werden. Die Ärzteverbände kritisieren, dass dies bisher unterblieben sei und die Bevorratung nur den Einsatz der Medikamente zur Behandlung bereits Erkrankter vorsehe.

Exemplarisch werden im Ärzteblatt-Artikel drei der möglichen Entscheidungssituationen beurteilt, die entstehen, wenn während einer Pandemie Personen ohne Grippesymptome den Arzt wegen einer Verordnung antiviraler Medikamente aufsuchen:

  • Kurzzeitprophylaxe zur Pflege von erkrankten Angehörigen und zum Schutz im Haushalt des Erkrankten lebender Kinder: Verordnung ist medizinisch begründbar, Oseltamivir ist für diese Verwendung zugelassen.
  • Langzeitprophylaxe für Mitarbeiter ärztlicher Praxen mit berufsbedingt zahlreichen Kontakten zu Grippekranken: "Medizinisch relevante" Begründung der Verordnung besteht, es gibt jedoch nur begrenzte Erkenntnisse zur dauerhaften Wirksamkeit und Verträglichkeit.
  • Langzeitprophylaxe für Mitarbeiter örtlicher Verwaltungs-, Versorgungs- und Vollzugsbehörden zur Aufrechterhaltung von Behördendiensten mit Bürgerkontakten: Anlass zur Verordnung ist aus medizinischer Sicht fraglich.

Hintergrund ist die sich unter Geflügel vor allem in Ost- und Südostasien ausbreitende Vogelgrippe vom Typ Influenza A/H5N1, deren Erreger so mutieren könnte, dass er unter Menschen Epidemien hervorruft. Ein solches Virus könnte sich gefährlich ausbreiten, bevor ein Impfstoff entwickelt ist und in ausreichender Menge hergestellt wird. Solange stehen zum Schutz nur hygienische Maßnahmen zur Verfügung sowie Medikamente, die als Virostatika die Vermehrung des Virus in befallenen Organen einschränken können. Relativ wirkungsvoll soll das Medikament Oseltamivir (Tamiflu ®) sein, das aber bisher nur von einer einzigen Firma hergestellt wird, die zudem lediglich über beschränkte, dem Bedarf bei einer möglichen Pandemie nicht angepasste Produktionskapazitäten verfügt. Inzwischen wird über die Vergabe von Lizenzen zur Herstellung von Oseltamivir an weitere Firmen verhandelt, mehrere Staaten hatten zuvor angekündigt, das Medikament auch ohne Lizenz herstellen zu lassen, um preisgünstig einen ausreichenden Vorrat anlegen zu können.

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Quellen