Gewalttätige Proteste in Islamabad

Veröffentlicht: 31.08.2014, 17:02 (CEST)
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Islamabad (Pakistan), 31.08.2014 – Über zwei Wochen verliefen die Proteste gegen Premierminister Nawaz Sharif in Islamabad friedlich. Selbst das Eindringen der Demonstranten in das ursprünglich mit einer gesichertern Bannmeile umgegebene Regierungsviertel hatte nicht zur befürchteten Gewalt geführt. Doch dies änderte sich, als in der Nacht des 30. August Demonstranten direkt zur offiziellen Residenz des Premierministers marschierten. Das Gelände war zwar von Sicherheitskräften bewacht, aber die Protestierer benutzten einen LKW, um das Eingangstor zu durchbrechen. Der Eingang zum Gebäude selbst wurde von Soldaten bewacht, die ein Betreten des Gebäudes durch die Eindringlinge verhinderten, die sich daraufhin in dem weitläufigen Gelände verteilten. Sharif selbst befand sich zu diesem Zeitpunkt in Raiwind, aber er kehrte im Laufe des Sonntags früher als eigentlich vorgesehen nach Islamabad zurück.

Wie genau oder warum es zu dem Gewaltausbruch kam, darüber gibt es keine Klarheit; beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, angefangen zu haben. Die Demonstranten sollen mit Äxten, Hämmern, Stöcken, Schleudern und Drahtscheren bewaffnet gewesen sein, berichten die Medien. Die Polizei spricht hingegen von 200 Frauen, die im Gebrauch von Handfeuerwaffen ausgebildet seien, obwohl sie keine derartigen Waffen sicherstellen konnte. Insgesamt sollen es 1.600 bis 2.000 „Terroristen“ gewesen sein, die auf den Amtssitz marschiert seien, sagt die Polizei. Frauen hatten sehr auffällig bereits den Durchbruch in die Bannmeile angeführt. Die Zahl der Demonstranten innerhalb des Regierungsviertels wird auf insgesamt 25.000 geschätzt.

Imran Khan und Tahir ul-Qadri, die Anführer der Proteste, hatten ihre Rhetorik in den Tagen zuvor zunehmend verschärft. Der Marsch auf den Amtssitz des Präsidenten war bereits zuvor angedroht worden. Obwohl Khan angekündigt hatte, dass er in vorderster Reihe marschieren werde und sich auch der Gewalt der Sicherheitskräfte aussetze, blieb er während dieses Aufmarsches in seinem als Kommandozentrale und Unterkunft dienenden Container. Ul-Qadri soll sich in einem kugelsicheren Fahrzeug in der Nähe des Präsidentenhauses aufgehalten haben. Von der Seite der Regierung hatte es in den letzten Tagen den Versuch gegeben, die Situation durch die Einschaltung der Armee zu lösen. Armeechef General Raheel Sharif versuchte am Freitag erstmals zu vermitteln, nachdem Regierung und Opposition seit einer Woche nicht mehr miteinander gesprochen hatten. An den Auseinandersetzungen waren bisher aber nur reguläre Polizeikräfte beteiligt, paramilitärische Polizeieinheiten und Einheiten der Armee wurden nicht eingesetzt. Die Armee flog lediglich mit Hubschraubern zur Beobachtung über das Gebiet.

Während die Auseinandersetzungen auch im Laufe des Tages immer wieder mit unverminderter Härte weitergingen, verteidigte zunächst der für Wasser und Elektrizät zuständige Minister Abid Sher Ali das Vorgehen der Polizei, da die Demonstranten das internationale Ansehen des Landes gefährdeten. Marvi Memon, eine einflussreiche Politikerin der regierenden Muslim League, sagte sogar, die Demonstranten hätten Pakistan in eine „Bananenrepublik“ verwandelt.

Imran Khan hielt eine Rede an seine Anhänger, in der er Sharif als einen „Faschisten“ bezeichnete und behauptete, er unterstütze die Demokratie nicht. Er beschuldigte Sharif, das Parlament belogen zu haben. Zu den gewaltätigen Auseinandersetzungen kündigte er an, dass er eine Anzeige gegen die Regierung erstatten werde, da friedliche Proteste vor dem Haus des Premierministers in einer Demokratie erlaubt seien. Die Regierung habe das Recht gebrochen, indem sie Demonstranten mit Tränengas und Gummigeschossen beschossen habe, sagte er. Khan rief alle Pakistani auf, gegen Sharif zu rebellieren.

Bei den Auseinandersetzungen wurden über 400 Personen, darunter etwa 20 Frauen, meist durch Gummigeschosse verletzt. Unter den Verletzten, die in den beiden größten Krankenhäusern Islamabads behandelt werden, sollen sich auch 26 Polizisten befinden. Es hat mindestens drei Tote im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen gegeben. Einer der Todesfälle steht im Zusammenhang mit einem Sturz von einem Baum, der andere Tote sei zuvor durch einen spitzen Gegenstand durchbohrt worden, hieß es von Ärzten dazu. Die Zahl der Toten wird von ul-Qadri jedoch mit 13 angegeben, und es sollen sich noch etwa 30 Personen in Lebensgefahr im Krankenhaus befinden.

Verschiedene Medien berichten, dass ihre Reporter ebenfalls von der Polizei angegriffen worden seien.

Aus Lahore werden ebenfalls gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gemeldet, während Proteste in Karachi friedlich verliefen. In der Provinz Punjab wurde unterdessen ein Versammlungsverbot erlassen.

Berichte, dass Armeechef Raheel Sharif sich bereits mit ranghohen Offizieren getroffen habe, um die Lage zu besprechen, wurden dementiert. Bestätigt wird, dass es ein Treffen von Raheel Sharif mit den Korpskommandeuren geben soll, in dem die Lage in Islamabad erörtert werden soll. Das Treffen war zunächst für den Montag vorgesehen, wurde dann aber auf den Sonntagabend (Ortszeit) vorgezogen. Auch eine Besprechung Sharifs mit den Mitgliedern der Regierung über die Situation hat stattgefunden. Die Regierung soll Beschlüsse gefasst haben, ohne dass Genaueres bekannt wurde.


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