Gefälschter Eintrag bei Wikipedia sorgt für Wirbel

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Saint Petersburg (USA), 15.12.2005 – Eine gezielte Falschinformation in einem Wikipedia-Lexikoneintrag über John Seigenthaler Senior durch den US-Amerikaner Brian Chace aus Nashville (Tennessee) schlug öffentlich hohe Wellen. Das kostenlose Online-Lexikon Wikipedia, ein Schwesterprojekt von Wikinews, geriet daraufhin selbst in die Kritik.

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Chase hatte den ehemaligen Zeitungsverleger John Seigenthaler, der ehemals Assistent von Robert Kennedy war, mit den Anschlägen auf die Kennedy-Familie in Verbindung gebracht. Er behauptete, der Verleger der Zeitung „Tennessean“ und Gründungsdirektor von „USA Today“ habe von 1971 bis 1984 in der Sowjetunion gelebt und sei in den Anschlag verwickelt gewesen. Die Biographie von Seigenthaler wurde somit bewusst gefälscht. Diese Falschinformation stand 132 Tage unentdeckt in einem Wikipedia-Artikel.

Der Verleger schrieb daraufhin einen Artikel in der Zeitung „USA Today“, wo er sich kritisch über die Glaubwürdigkeit von Wikipedia äußerte.

Nachdem Brian Chase durch Zurückverfolgen seiner IP-Adresse identifiziert wurde, entschuldigte er sich in einem persönlichen Brief beim Verleger und legte seine Arbeit als Betriebsmanager einer Speditionsfirma nieder. Er wollte den Eintrag als Scherz verstanden wissen, um damit einen Arbeitskollegen zu schockieren, der mit den Seigenthalers gut bekannt sei. Seigenthaler nahm die Entschuldigung von Chase an und verzichtete seinerseits auf das Beschreiten des Klageweges.

Der Vorgang löste ein vielfältiges Medienecho aus. In den USA reagierten unter anderem „CNN“ und die „New York Times“. Exemplarisch für die deutsche Presselandschaft macht ein Artikel aus der „Zeit“ deutlich, wie der Fall aufgegriffen wurde. Bezüglich der Qualität in Wikipedia-Artikeln lässt die Wochenzeitung „Die Zeit“, selbst Herausgeberin eines kommerziellen Lexikons, kein gutes Haar an Wikipedia. Sie übt harsche Kritik an der Qualität der Wikipedia-Lexikon-Artikel und schreibt, „der große Knall“ sei „überfällig“ gewesen. Sie zitiert die „Süddeutsche“ mit dem Verdikt, Wikipedia sei ein „Brockhaus des Halbwissens“. Kritisiert werden auch Journalistenkollegen, die Wikipedia als „bequeme und kostenlose Informationsquelle“ unkritisch nutzen würden. „Die Zeit“ legt den Finger in die Wunde und bezieht sich dabei vor allem auf das Qualitätsmanagement von Wikipedia. Der Fall zeige die Grenzen von Wikipedia auf: „Offensichtliche Fehler oder systematischer Vandalismus werden von den freiwilligen Helfern in der Regel schnell entdeckt und beseitigt, bei komplizierten Sachverhalten dauert es jedoch wesentlich länger – falls die Fehler überhaupt auffallen.“ Angaben zu Quellen, sofern diese überhaupt vorhanden seien, müssten sich die kritischen Leser mühsam aus der Versionsgeschichte, dem Artikeltext oder der Diskussion zum Artikel heraussuchen.

Wikipedia hat inzwischen auch auf diese Kritik reagiert. Die vorher schon lange diskutierte Möglichkeit, die Mitarbeit von anonymen Nutzern zu beschränken, wurde in der englischen Ausgabe umgesetzt. Als zeitweises Experiment ist es unangemeldeten Benutzern nicht mehr möglich neue Artikel anzulegen. Der Lexikonartikel von Seigenthaler wurde von Falschaussagen befreit und für weitere Bearbeitungen gesperrt. In einem Interview bezeichnete Jimmy Wales, geistiger Vater und Gründer von Wikimedia, diese Einschränkungen jedoch nicht als grundsätzliche Infragestellung des Wikiprinzips (der Möglichkeit für jeden Nutzer, an der Entwicklung von Artikeln und Seiten in Wikipedia mitzuarbeiten). Den Einfluss der Diskussion um den Fall Seigenthaler auf den Erfolg von Wikipedia schätzte Wales ebenfalls als gering ein.

Weblinks

Quellen