Frankreich: Polizei räumt von Einwanderern besetztes Gebäude

Artikelstatus: Fertig 22:42, 18. Aug. 2006 (CEST)
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Cachan (Frankreich), 18.08.2006 – Die Polizei hat gestern das von Einwanderern besetzte „Gebäude F“ auf dem Gelände der Universität von Cachan im Département Val-de-Marne geräumt. Das fünfstöckige Gebäude, ein ehemaliges Studentenwohnheim, war nach Angaben der Bewohner das größte besetzte Haus in Frankreich. Vor fünf Jahren hatten Einwanderer das Gebäude besetzt, nachdem es nicht mehr als Wohnheim genutzt wurde und leer stand.

Die meisten der etwa 1.000 Bewohner sind Einwanderer aus Westafrika, insbesondere aus der Elfenbeinküste und Mali. Nach Angaben des französischen Innenministeriums erfolgte die Räumung auf Wunsch des Rektors der „Académie de Créteil“ und wurde von der Polizeipräfektur des Départements Val-de-Marne organisiert. Das Innenministerium begründet die Räumung, an der rund 500 Polizisten beteiligt waren, mit einer konstanten Verschlechterung der Sicherheitsbedingungen im Gebäude, die für die Bewohner, wie beim Brand in einem ähnlichen Gebäude in der Rue de Provence in Paris im letzten Jahr, lebensgefährliche Folgen haben könnten. Bei Bränden in Unterkünften von Einwanderern kamen im letzten Sommer in Frankreich 50 Menschen ums Leben. In einer Pressemitteilung des Innenministeriums wird zudem auf Blei und Asbest im Gebäude hingewiesen. Auch angezapfte elektrische Leitungen stellten eine Gefahr dar. Einige der Bewohner sollen vorübergehend in Hotels oder Sozialwohungen untergebracht werden. Einwanderern ohne gültige Papiere droht die Abschiebung in ihr Heimatland. Offiziellen Angaben zufolge hielten sich zum Zeitpunkt der Räumung mehr als 500 Menschen im Haus auf, unter ihnen 49 ohne Aufenthaltsgenehmigung. Die Polizei nahm 69 Menschen vorübergehend fest.

Bereits im April 2004 hatte ein Gericht die Räumung des Hauses angeordnet. Das Gericht war damit einer Forderung der Träger der Studentenwohnheime nachgekommen. Sie hatten gefordert, das Gebäude abzureißen, um die entstehende freie Fläche für einen Parkplatz zu nutzen. Unmittelbar danach hatten die Behörden den Bewohnern zugesichert, jeden Einzelfall zu prüfen und das Gebäude nicht vollständig zu räumen. Nach einem Wechsel an der Spitze der Präfektur zu Beginn dieses Jahres wurde diese Haltung aufgegeben. Bernard Tomasini, der Präfekt von Val-de-Marne, sagte, dass beim Polizeieinsatz in Cachan niemand verletzt worden sei. Nach Angaben von Hilfsorganisationen haben sich einige Bewohner der Räumung widersetzen wollen. Sie hätten sich in ihren Zimmern verbarrikadiert und Gegenstände aus den Fenstern geworfen.

Linke Oppositionsparteien und Hilfsorganisationen äußern Kritik an der Räumung des Gebäudes, die von ihnen als „Aktionismus“ und „immigrantenfeindlich“ bezeichnet wird. Jean-Baptiste Eyraud, Vorsitzender der Organisation „Droit au logement“ (Für das Recht auf Wohnraum), sprach in diesem Zusammenhang von einer „brutalen Abschiebung“. Nach Angaben der „Parti communiste français“ (PCF) hätten sich die 500 Hausbewohner, die sich illegal in Frankreich aufgehalten hatten, um Aufenthaltsgenehmigungen und um sicheren Wohnraum bemüht. Verschiedene Gruppen haben zu Demonstrationen vor dem geräumten Gebäude aufgerufen. Etwa die Hälfte der Bewohner sei laut Hilfsorganisationen im Besitz gültiger Papiere, könne aber keinen anderen Wohnraum finden.

Innenminister Nicolas Sarkozy (UMP) hatte mit einer Initiative, der das Parlament Ende Juni zugestimmt hatte, für eine Verschärfung der französischen Einwanderungsgesetze gesorgt. Nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub sagte Nicolas Sarkozy am 15. August in einem Fersehinterview, dass vor Ende des Jahres 25.000 Menschen aus Frankreich abgeschoben werden sollten. Diese Zahl wurde der Präfekturen zuvor als Richtlinie vorgegben. 2005 wurden 20.000 Menschen aus Frankreich abgeschoben. Als Reaktion auf die Kritik der Opposition an Abschiebungen von Schulkindern kündigte der Innenminister Ausnahmeregelungen für „gut integrierte Familien“ an. Etwa 30.000 Menschen hatten sich um derartige Ausnahmegenehmigungen bemüht. Laut Nicolas Sarkozy wird es aber nur in 6.000 Fällen eine Ausnahmegenehmigung geben.

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Quellen