Ehrenmord in Hamburg: Bruder erstach seine 16-jährige Schwester

Veröffentlicht: 15:29, 20. Mai 2008 (CEST)
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Hamburg (Deutschland), 20.05.2008 – In der Nacht zum vergangenen Freitag, den 16. Mai wurde eine 16-jährige aus Afghanistan stammende Jugendliche mit mehr als 20 Messerstichen getötet. Tatverdächtiger ist ihr 23-jähriger Bruder. Der Vorfall ereignete sich auf einem Parkplatz im Hamburger Stadtteil St. Georg in der Nähe des belebten U-Bahnhofs Berliner Tor. Passanten und Anwohner des U-Bahnhofs, die die Schmerzensschreie der Jugendlichen gehört hatten, alarmierten die Polizei und die Feuerwehr. Eine Stunde lang versuchten Notärzte, das Mädchen zu reanimieren, jedoch ohne Erfolg.

Dem Bruder, der wie seine Schwester einen deutschen Pass hat, wird Mord vorgeworfen. Er hat die Tat inzwischen gestanden und nannte als Motiv, seine Schwester habe sich von der Familie und deren traditionellen Vorstellungen abgewandt und eine westliche Lebensweise bevorzugt. Der junge Mann wurde zwölf Stunden nach dem Mord festgenommen, nachdem ein Freund, der bei der Tat dabei gewesen war, sich kurz danach der Polizei gestellt hatte. Der 23-Jährige leistete bei seiner Verhaftung keinen Widerstand. Er war der Polizei bereits als „Intensivtäter“ in Sachen Gewalt bekannt.

Inzwischen werden weitere Zeugen vernommen. Wie Polizeisprecher Ralf Meyer mitteilte, steht dabei im Zentrum der Ermittlungen die Frage, ob es andere Personen gibt, „die von der Tat gewusst haben, die Tat gebilligt haben“. Vor allem soll geklärt werden, ob der Bruder von anderen Personen, eventuell aus dem Familienumfeld, zur Tat angestiftet worden sei. Die Familie soll die 16-Jährige für ein Jahr nach Afghanistan geschickt haben. Sie sollte dort wieder auf den – in den Augen der Familie – islamisch korrekten Lebensweg zurückfinden.

Die Jugendliche hatte bereits öfter Zuflucht vor ihrer Familie in einer Jugendhilfeeinrichtung gesucht, wo sie Anfang Mai auch dreimal übernachtet hatte. Im vergangenen Jahr war sie schon einmal von ihrem Bruder angegriffen und brutal zusammengeschlagen worden. Daraufhin hatte sie Anzeige erstattet. Insgesamt hat die 16-Jährige seit 2006 drei Fälle von Gewalt durch Familienmitglieder der Polizei gemeldet. Dabei handelte es sich um eine Körperverletzung und zwei gefährliche Körperverletzungen. Die Polizei geht jedoch davon aus, dass sie nicht von alle Vorfällen Kenntnis erlangte. In mindestens einem Fall berief sich die junge Frau bei der anschließenden Vernehmung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Auch die ältere Schwester soll der Jugendlichen Striemen ins Gesicht gekratzt haben.

Der 23-jährige Bruder war wegen früherer Angriffe auf seine Schwester zu einer anderthalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, die er Anfang Mai antreten sollte. Am Morgen vor der Tat wurde ihm bekannt, dass sein Antrag auf Strafaufschub abgelehnt worden war.

Die Hamburger Sozialbehörde prüft, inwieweit Hamburgs staatliche Einrichtungen alles getan haben, um die 16-Jährige zu unterstützen. Das teilte die Sprecherin der Sozialbehörde, Jasmin Eisenhut, am gestrigen Montag mit. Weitere Auskünfte wollte die Behördensprecherin nicht geben. Auch in dem für das Jugendhaus, in das das Mädchen geflüchtet war, zuständigen Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung wird über Konsequenzen aus den Geschehnissen nachgedacht. Es werde überlegt, „ob unsere Instrumente der Jugendarbeit ausreichend gegriffen haben und ob die Zusammenarbeit mit Polizei und Jugendamt richtig funktioniert hat“, sagte der Leiter des Landesbetriebs, Klaus-Dieter Müller.

Die migrationspolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, Nebahat Güçlü, glaubt, dass man zumindest das Mordrisiko hätte reduzieren können, wenn es in Hamburg genügend Einrichtungen gäbe, die die jungen Frauen wirklich schützen würden. Sie sieht darin ein Versäumnis der Politik. Wenn der Kinder- und Jugendnotdienst erst am nächsten Morgen feststelle, dass das Mädchen nicht da sei, „sollte man sich wirklich fragen, ob das die richtige Unterbringung sein kann“, äußerte sich Güclü.

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