Deutsches Verfassungsgericht schränkt Nutzung der „Vorratsdatenspeicherung“ vorläufig ein

Veröffentlicht: 16:48, 19. Mär. 2008 (CET)
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Karlsruhe (Deutschland), 19.03.2008 – Das Bundesverfassungsgericht hat auf dem Wege der einstweiligen Anordnung (Az. 1 BvR 256/08) die Nutzung der durch die sogenannte „Vorratsdatenspeicherung“ erfassten Daten bis zu einem endgültigen Entscheid über die von acht Bürgern erhobene Verfassungsbeschwerde eingeschränkt. Die im Telekommunikationsgesetz neu geschaffene Regelung der Paragrafen 113a und 113b dient der Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Union. Sie verpflichtet die Anbieter von Telekommunikationsdiensten Verkehrs- und Standortdaten bei der Nutzung von Telefonen, E-Mail und Internet für einen Zeitraum von sechs Monaten zu speichern. Dem Wunsch der Kläger auf ein Verbot dieser Speicherung ist das Gericht in diesem vorläufigen Entscheid nicht nachgekommen, allerdings wurde eine Nutzung der gespeicherten Daten auf die Verfolgung schwerer Straftaten im Sinne des Paragrafen 100a Absatz 2 der Strafprozessordnung eingeschränkt.

In einer Pressemitteilung erklärt das oberste deutsche Gericht dazu, dass es das Inkrafttreten und den Vollzug eines Gesetzes nur mit größter Zurückhaltung aussetzen dürfe, da hierdurch stets erheblich in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eingegriffen werde. Dies gelte insbesondere, wenn die fragliche Rechtsnorm wie im vorliegenden Fall die Umsetzung einer Vorgabe des Europäischen Gemeinschaftsrechtes sei. Eine vorläufige Aussetzung der Speicherung lehnte das Gericht ab, da hierin noch kein besonders schwerwiegender und irreparabler Nachteil für die Betroffenen läge. Für den Bereich des Abrufs der gespeicherten Daten habe das Gericht eine Folgenabwägung vorgenommen. Hätte das Gericht beispielsweise den Abruf nicht verboten oder eingeschränkt, bedeute dies Nachteile von ganz erheblichen Gewicht für Einzelne und die Allgemeinheit, sofern sich die angegriffene Regelung später als verfassungswidrig erweisen würde. Umgekehrt bedeute der Erlass einer entsprechenden Anordnung Nachteile für das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung, falls das Gericht später zur Auffassung käme, dass die Regelung verfassungsgemäß sei. Das Gericht führte weiter aus, dass diese Nachteile bei den nicht im Paragraf 100a Absatz 2 der Strafprozessordnung genannten Taten aber in Kauf zu nehmen seien. Der Gesetzgeber habe durch die Beschränkung der hier genannten Tatbestände deutlich gemacht, dass er anderen Straftaten geringere Bedeutung im Hinblick auf Eingriffe in die Grundrechte zumesse.

Der Bundesregierung gaben die Verfassungsrichter auf, dem Gericht bis zum 1. September 2008 einen Bericht über die praktischen Auswirkungen der Datenspeicherungen und dieser Anordnung zukommen zu lassen. Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass das Verfassungsgericht das Hauptverfahren der Verfassungsbeschwerde vor dem Jahresende eröffnen wird.

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