Demonstrant im Koma – Schwere Vorwürfe gegen die französische Polizei
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Paris (Frankreich), 21.03.2006 – Bei der Großdemonstration gegen die so genannten Ersteinstellungsverträge (CPE), die eine Aufhebung des Kündigungsschutzes für Berufsanfänger bedeuten, zog sich ein Demonstrant am Samstag in Paris eine lebensgefährliche Kopfverletzung zu. Nun werden schwere Vorwürfe gegen die französische Bereitschaftspolizei Compagnies Républicaines de Sécurité (CRS) erhoben. Augenzeugen berichten, dass Beamte der CRS den 39-jährigen Cyril Ferez getreten haben, als dieser auf dem Boden lag. Ein Bericht eines CRS-Beamten zeichnet ein anderes Bild von dem Vorfall.
Der Vorfall ereignete sich bei der Räumung des Place de la Nation durch die CRS nach dem Ende der Kundgebung gegen die Ersteinstellungsverträge etwa um 20:30 Uhr. Cyril Ferez arbeitet in Torcy für das Telekommunikationsunternehmen Orange und ist Mitglied der Gewerkschaft Sud-PTT, die Mitarbeiter der Post und von Telekommunikationsunternehmen vertritt. Nach Angaben des Fotografen Bruno Stevens ist Cyril Ferez mit anderen Demonstranten vor der Polizei weggelaufen. „Er war langsamer. Er hat einen Schlag direkt auf den Kopf erhalten. Er ist wie ein Sack zusammengebrochen. Sie haben weiter auf ihn eingeschlagen, als er am Boden lag“, sagte der Fotograf der französischen Zeitung Libération. In dem Moment, als Cyril Ferez von den Polizisten geschlagen wurde, hat sich Cyril Ferez nach Angaben von Victor Tonelli, einem weiteren anwesenden Fotografen, nicht feindlich benommen. Die Polizisten sollen mit Gummiknüppeln und mit den Füßen auf den Demonstranten eingeschlagen haben. Die Gewerkschaft SUD PTT wirft der Polizei vor, trotz Aufforderungen keine ärztliche Hilfe für den Verletzten angefordert zu haben. Die Gewerkschaft fordert ein offizielles Treffen mit dem Innenminister am Mittwochnachmittag und bezeichnet das Verhalten der Polizei als unwürdig für die Regierung eines demokratischen Staates. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters wurde der Schwerverletzte sofort ins Krankenhaus eingeliefert. Nach Angaben von Regierungsmitarbeitern, die sich auf die behandelnden Ärzte berufen, wurde Cyril Ferez mit 2,7 Gramm Alkohol im Blut ins Krankenhaus Henri-Mondor de Créteil eingeliefert. Nach einem Bericht eines CRS-Beamten, der der Nachrichtenagentur AFP als Kopie vorliegt und sich auf Aussagen von Cyril Ferez stützt, bevor dieser ins Koma gefallen ist, soll sich Cyril Ferez seine Verletzungen nicht von CRS-Beamten zugezogen haben. Laut diesem Bericht soll Cyril Ferez von anderen Demonstranten angegriffen worden sein. Der Bericht wurde der Polizeirevision übergeben. Oppositionsparteien und Gewerkschaften fordern eine vollständige Aufklärung des Vorfalls.
Am Sonntagmorgen fiel Cyril Ferez ins Koma. Die Polizeirevision „Inspection générale des services“ will den Vorfall untersuchen. Aus diesem Grund möchte die Polizeirevison herausfinden, welche Zeugen vor Ort waren und welche Beamten der CRS am Vorfall beteiligt waren. Die Ärzte gehen davon aus, dass Cyril Ferez, wenn er überlebt, unter den neurologischen Folgen leiden wird. Unmittelbar nach der Demonstration hatte die Polizeipräfektur erklärt, dass 18 Demonstranten verletzt worden seien, es aber keine Schwerverletzten gegeben habe.
Für den 28. März haben französische Gewerkschaften und Studentenorganisationen einen Generalstreik angekündigt. An den Protesten gegen CPE hatten sich am Samstag landesweit 1,5 Millionen Menschen beteiligt.
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Quellen
- Der Standard (APA/dpa): „Schwere Vorwürfe gegen Polizei wegen Einsatz bei Protesten in Paris“ (21.03.2006)
- Basler Zeitung (dpa): „Demonstrant im Koma: Vorwürfe gegen französische Polizei“ (21.03.2006)
- Reuters, Frankreich: „Un témoin affirme que Cyril Ferez a été frappé par des CRS“ (21.03.2006)
- Libération: „Un manifestant entre la vie et la mort“ (21.03.2006)
- Netzeitung: „Frankreichs Gewerkschaften beschließen Streik“ (20.03.2006)
- Netzeitung: „Pariser Polizei nach Prügel in der Kritik“ (21.03.2006)
- Libération: „Questions sur le blessé de la Nation“ (21.03.2006)