Arbeitslose werden durch Hartz IV ausgegrenzt statt reaktiviert
Veröffentlicht: 20:38, 20. Sep. 2013 (CEST) Bitte keine inhaltlichen Veränderungen vornehmen. |
Jena (Deutschland) / Hamburg (Deutschland), 20.09.2013 – Eine neue Studie der Universität Jena bescheinigt den Hartz-Reformen fatale Folgen. „Die Hartz-IV-Logik produziert das Gegenteil von dem, was sie leisten will: Sie erzeugt Passivität, wo sie Aktivierung vorgibt“, sagte der Arbeits- und Wirtschaftssoziologe Klaus Dörre von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Das Stigma Hartz IV sei für die Betroffenen inzwischen vergleichbar mit dem schwarzer Hautfarbe im Süden der USA. Für die qualitative Untersuchung wurden Hartz-IV-Bezieher über einen Zeitraum von sieben Jahren wiederholt befragt. Bundesweit gibt es rund 6,1 Millionen Empfänger. Der Befund der Jenaer Soziologen: Das Beschäftigungssystem hat sich von einer fordistischen Vollbeschäftigungs- zu einer prekären Vollerwerbsgesellschaft gewandelt. Die Um-Jeden-Preis-Arbeiter sind dabei nur eine Gruppe unter mehreren. Es gibt noch den Typus der Als-Ob-Arbeiter. Dörre plädiert dafür, die Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher aufzuheben und mehr Beschäftigung etwa im Pflege- und Bildungssektor zu schaffen. Hartz IV stellt sich für Klaus Dörre als Teufelskreis dar, aus dem man kaum entrinnen kann, wenn man einmal drin ist. Für kaum einen Befragten hat es Verbesserungen gegeben, den Sprung aus dem Leistungsbezug haben nur ganz wenige aus dem Sample der Studie geschafft. Bei manchen wurden es in den sieben Jahren zehn, zwölf Stationen - Ein-Euro-Job, Praktikum und Ähnliches, am Ende waren sie aber immer wieder im Leistungsbezug trotz enormem Energieaufwand. Es gibt eine größer werdende Gruppe von Menschen, die an oder unterhalb der Schwelle der Respektabilität lebt - das ist Hartz IV - und sie kommen da nicht mehr heraus.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht von einer „Zwei-Klassen-Arbeitsmarktpolitik“: „Die Menschen werden nicht aktiviert, sondern immer weiter ausgegrenzt, nach dem Motto: Du hast versagt“.
Weil eine Mitarbeiterin des Hamburger Jobcenters Hartz IV scharf kritisiert hatte, wurde sie im Jobcenter gemobbt und inzwischen suspendiert. Sie ist dagegen vor Gericht gegangen. In ihren Augen machen die Sanktionen krank und können sogar in den Selbstmord treiben. Ihre wichtigste Forderung ist die sofortige Abschaffung der Sanktionspraxis. Sie spricht sich stattdessen für ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) aus. Außerdem müsse das Personal der Jobcenter aufgestockt und besser qualifiziert werden.