„Hitlergruß“ – Angeklagter verurteilt, Berufung angekündigt

Veröffentlicht: 20:25, 30. Mär. 2011 (CEST)
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Siegen (Deutschland), 30.03.2011 – Das mutmaßliche Verwenden des Hitlergrußes brachte am 29. März einem jungen Mann eine Geldstrafe von 1.000 Euro ein. So entschied das Amtsgericht Siegen in erster Instanz und folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Zwei Männer hatten sich im vergangenen Sommer während des Verlaufs der Fußball-Weltmeisterschaft in der Siegener Innenstadt aufgehalten und Alkohol konsumiert. Um nicht die von Drogenabhängigen häufig als Fixerstuben missbrauchten städtischen Toiletten benutzen zu müssen, suchten sie sich ausgerechnet den Stellplatz der Dienstfahrzeuge der Bundespolizei aus, um ihr Geschäft zu verrichten. So jedenfalls begründete der Angeklagte das Verhalten.

Das brachte die Beamten auf den Plan. Sie verhängten ein Ordnungsgeld von 25 Euro und schickten die beiden dorthin gebrachten Wildpinkler wieder aus der Wache.

Dem jüngeren der beiden Männer scheinen dann die Nerven durchgegangen zu sein. Er habe - auf einem nicht mit einem Aufzeichnungssystem versehenen Überwachungsmonitor erkennbar - den rechten Arm gehoben und laut „Heil Hitler“ gerufen, weswegen man ihn erneut in die Wache zitierte. Genau gesehen und gehört habe er das, äußerte der als Zeuge geladene Polizeibeamte am Dienstag in der Verhandlung, in der er, entgegen einem Antrag des Angeklagten, unvereidigt blieb.

Der bestritt den Vorwurf vehement. Er habe durch das laute Ausrufen des Wortes „eitler“, was wie der NS-Gruß habe klingen sollen und als „vielleicht unkluge aber mitnichten strafbare Provokation gegen die Beamten“ gemeint gewesen sei, lediglich seinem Frust Luft machen wollen. Wenn man den Hitlergruß da hineininterpretiere, dann sei das für ihn „jetzt, nach der Richtigstellung, vorsätzliche falsche Verdächtigung durch einen Beamten im Dienst, in Tateinheit mit uneidlicher Falschaussage vor Gericht“, weswegen er Anzeige erstatten werde.

Der andere damals alkoholisierte Mann druckste herum und machte den Eindruck, dass ihm die Sache peinlich war. In der Sache bestätigte er den Angeklagten. Er habe sich neben diesem aufgehalten und gehört, wie dieser: „Ich bin eitler!“ gesagt habe. Einen Hitlergruß habe er weder gesehen noch gehört. „Dafür hätte er sich von mir auch eine gefangen!“ sagte der Zeuge im Hinblick auf den Angeklagten. Mehrfache Nachfragen und Strafandrohungen der Staatsanwaltschaft beantwortete er mit der Aussage, nur das angeben zu können, was er gehört und gesehen habe.

Eine als Zeugin geladene junge Frau, die verspätet bei Gericht eintraf, konnte nur aussagen, dass sie betrunkene Männer laut rufen gehört habe. Wegen ihrer kleinen Schwester sei ihr dies unangenehm gewesen. Belasten oder entlasten wollte sie den Angeklagten aber nicht. „Ich habe das gar nicht so genau mitbekommen“, war ihre Anmerkung zur Nachfrage der Staatsanwältin.

Schon beim ersten Aufenthalt in der Wache habe sich der Angeklagte „tendenziell ausländerfeindlich - aber nicht strafbar“ geäußert. Dagegen habe man ihm „unmissverständlich gesagt, dass wir so etwas hier nicht wollen“. Auch dieser Aussage des Polizisten widersprach der Angeklagte. Ob er - wie nach seiner Auskunft geschehen - gesagt habe, dass die Polizei „sich lieber um ein paar migrantische Mitbürger kümmern“ solle, „die sich hier danebenbenehmen“, oder ob er mit Parolen gehetzt hätte, seien „nicht nur im Detail, sondern komplett verschiedene Dinge. Hier ist absolut die Wahrnehmung verrutscht, der Beamte hat zurecht gesagt, dass meine Äußerungen nicht strafbar sind. Nur um die Strafbarkeit kann es vor Gericht gehen, nicht um ein mögliches ungutes Gefühl.“

Das Urteil, das Richterin Stumm nach einer Dreiviertelstunde fällte, legte dem Angeklagten schließlich eine Geldstrafe von eintausend Euro in hundert Tagesraten auf. Der Beamte sei glaubwürdig und eine Belastungstendenz nicht erkennbar. Es genüge bereits, sich „durch mögliche Parolen die den Anschein erwecken könnten, dass man einer extremen Gesinnung zuspreche“, strafbar zu machen. Ob man tatsächlich Extremist sei, sei hier irrelevant.

Nach dem Urteil kommentierte der Angeklagte den Fall wie folgt: „Die Urteilsbegründung ist reichlich dürftig. Ironische Zoten wie: ,Heil Hitler - von seiner schlimmen Krankheit' (Harald Schmidt) darf man unter dieser Voraussetzung auch nicht mehr anbringen. Dem gern gehegten und gepflegten Missverständnis kann man nur die Rechtsmittel, die uns zur Verfügung stehen und die Öffentlichkeit entgegensetzen.“ Dies werde er jetzt tun.

Bis zur endgültigen Urteilsfindung bleibt das Urteil vom 29. März vorläufig außer Kraft.

Die Siegener Justizbehörden befassen sich derzeit mit einem weiteren Fall, der gewisse Ähnlichkeiten aufweist. Der Bürgermeister der Stadt Netphen, Paul Wagener (parteilos), hatte einen Bürger angeblich in die Nähe des Dritten Reiches gerückt. Der war dagegen vor Gericht gezogen und hatte einen Strafbefehl erwirkt. Da auch der Bürgermeister Rechtsmittel eingelegt hat, steht ein Urteil ebenfalls noch aus.

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