Schuldiskussion in Baden-Württemberg: Kümmert Stuttgart sich nicht um die Schulen?

Veröffentlicht: 11:24, 27. Sep. 2007 (CEST)
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Tübingen (Deutschland), 27.09.2007 – Bei einer Sitzung des Gesamtelternbeirates (GEB) in Tübingen kam es am Dienstag, den 25. September, zu harscher Kritik an der Politik des Kultusministeriums in Stuttgart mit Kultusminister Helmut Rau (CDU) an der Spitze. Zu große Klassen, große Lücken in der Lehrerversorgung, fachfremd gehaltener oder ganz ausfallender Unterricht – das waren nur einige der Vorwürfe, die vor allem Elternvertreter der Realschulen hören ließen, die sich in besonderem Maße vernachlässigt fühlen.

Hauptgast des Abends war Jürgen Wissenbach, Leiter der Abteilung Schule und Bildung im Landratsamt, der seinerseits versuchte, die von Lennart Hovemann, Referent im Regierungspräsidium, in den letzten Wochen vertretene Ansicht, es handele sich lediglich um „eine gefühlte geringere Versorgung“, mit Zahlen zu untermauern. An diesem Abend hatte er einen schweren Stand, auch wenn seinen Zahlen zufolge die Grundversorgung abgesichert sei, solange arbeitslose Lehrer als Potential für die kurzfristige Vertretung längerfristiger Krankheitsfälle zur Verfügung stünden und angestellte Lehrer fachfremd unterrichten würden. Er selbst, so Wissenbach, habe zwei Fächer studiert, aber schon acht Fächer unterrichtet, auch wenn es ihm gelungen sei, sich dabei vom Chemielehrerpult fernzuhalten.

Wie es gelingen könne, ohne Fachlehrer das Fachprofil der Schule zu halten, konnte Wissenbach dabei nicht beantworten. Die vielen Bildungsbaustellen aber, so musste Wissenbach hören, zehrten nicht nur an den letzten Reserven des Landratsamtes, sondern auch an den Nerven der Schüler, der Lehrer und des Gesamtelternbeirats. Auch die Rektoren aller Schulformen waren alles andere als glücklich. Frau von Kutzschenbach, geschäftsführende Schulleiterin für Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen, stellte den Slogan vom „Kinderland Baden-Württemberg“ in Frage. Nur mit kreativen Lösungen sei der Mangel überhaupt verwaltbar, wobei selbst erste Klassen sich zum Teil alleine, ohne eigene Aufsicht, beschäftigen lernen müssten. Herr Dr. Dobler, geschäftsführender Schulleiter der Gymnasien in Tübingen, erklärte den Unterschied zwischen den sauberen Zahlen der Statistik und den gravierenden Problemen der Praxis in noch drastischeren Worten. „Das Ministerium“, so Dobler, „sonnt sich in Durchschnittswerten und interessiert sich einen Dreck dafür, wie es an Ihrer Schule aussieht.“ Inhaltlich bestätigte das auch Herr Horrer, geschäftsführender Schulleiter der Beruflichen Schulen Tübingens: Bei den in Tübingen leicht steigenden Schülerzahlen sei in allen beruflichen Schulen selbst im Pflichtbereich eine Versorgung von nur etwa 95 Prozent möglich, zumal wegen des Mangels an Lehrerstunden selbst an den beruflichen Gymnasien keine einzige Arbeitsgemeinschaft über den Pflichtunterricht hinaus angeboten werden könne.

Neue Lösungen gefordert wurden auch für das dreigliedrige Schulsystem angesichts wegbrechender Hauptschulnachfrage. Die von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer angeregte „Verbundschule“ könnte hier ein Ansatz sein, wie auch der Arbeitskreis „Neue Sekundarschule“ feststellte, der Veranstaltungen zur Reform schulischer Bildung für den November ankündigte. Bedenken, was die Akzeptanz der Pläne im Kultusministerium angeht, wurden zwar geäußert, doch sei die Lage derzeit besser als in den Jahren zuvor. Die FDP im Land hatte gerade ein bildungspolitisches Programm verabschiedet, in dem es heißt: „Die FDP/DVP ist offen für regionale Schulprojekte, die flexiblere Übergangszeitpunkte in weiterführende Schulen zum Gegenstand haben. Darüber hinaus sind längere Grundschulzeiten für alle Schüler (…) zuzulassen, wo sie vom Schulträger, den Lehrern und den Eltern gewollt werden.“

Zum Abschluss warnten eine Vertreterin der Grünen und eine Sprecherin des Arbeitskreises der Gesamtelternbeiräte Baden-Württembergs vor einer „Bugwelle von Überstunden“, welche die angestellten Lehrer in der vergangenen Zeit angehäuft hätten. Da diese Plänen des Kultusministeriums zufolge in den nächsten Jahren abgebaut werden sollen, könnte sich der Lehrermangel dadurch weiter verschärfen. Jürgen Wissenbach, als Vertreter der Regierung, verzichtete an dieser Stelle auf ein eigenes Schlusswort.

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