Juristen sehen Streikverbot kritisch – GDL will in Zukunft Streiks nicht mehr ankündigen

Veröffentlicht: 23:47, 9. Aug. 2007 (CEST)
Bitte keine inhaltlichen Veränderungen vornehmen.

Berlin (Deutschland), 09.08.2007 – Das vom Arbeitsgericht verhängte Streikverbot gegen den Lokführerstreik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) wird wegen der Urteilsbegründung von zahlreichen Seiten kritisiert. Mehrere Juristen und auch das arbeitgebernahe „Institut der deutschen Wirtschaft“ (IW) äußern Unverständnis und Kritik an der Begründung, die darauf beruht, dass ein volkswirtschaftlicher Schaden entstehen werde. Der IW-Tarifexperte Hagen Lesch dazu: „Bei Streiks der IG Metall hat man das auch nicht gemacht.“ Lesch findet es „ökonomisch unverständlich“, warum von einem volkswirtschaftlichen Schaden ausgegangen werde, da die GDL vier Stunden für den Streik geplant habe. Logistische Probleme könnten entstehen, aber kein Schaden. Der ist laut Lesch erst dann zu erwarten, wenn Strecken für längere Zeit gesperrt würden. Dann könnte täglich ein Schaden in einer Höhe von bis zu 120 Millionen Euro entstehen, weil Produktionsausfälle zu erwarten seien und Waren nicht mehr zugestellt werden könnten.

GDL-Gewerkschaftschef Manfred Schell fand harte Worte für die Entscheidung: „Das halte ich schlichtweg für verfassungswidrig“, so Schell. Für eine Gewerkschaft sei es nicht vorstellbar, dass das grundgesetzlich garantierte Recht auf Streik durch ein Gericht aufgehoben werde. Als Konsequenz aus dem Verbot werde es in Zukunft keine Vorwarnungen für Streiks mehr geben, so Schell.

Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Däubler von der Universität Bremen findet die Begründung „grob falsch“, da jeder Streik einen volkswirtschaftlichen Schaden mit sich bringe. Hermann Reichold, Arbeitsrechtler von der Universität Tübingen, kritisiert, dass ein bundesweites Verbot außerhalb der Kompetenz des Gerichts liege. Reichold ist der Meinung, dass "die Bahn bewusst Gerichte aussucht, bei denen sie sich gute Chancen verspricht". Zuständig für ein bundesweites Verbot sei indes nur Frankfurt; hier aber habe die Bahn schlechte Erfahrungen gemacht. Reinhold über das Urteil: „Ich glaube nicht, dass die Entscheidung einer Überprüfung durch die nächste Instanz standhalten wird.“

In dem drohenden Streik sieht der Mainzer Staatsrechtler Friedhelm Hufen eine Rechtswidrigkeit, wenn nicht für einen eigenen Tarifvertrag gekämpft werde, der auch Servicemitarbeiter mit einbeziehe. Ein Streik mit diesem Ziel sei verfassungrechtlich unbedenklich.

Unterdessen hat der GDL-Vorsitzende Manfred Schell den CDU-Generalsekretär Heiner Geißler als Mediator vorgeschlagen. Er könne sich den Politiker gut als Vermittler vorstellen, da er hinreichend Erfahrung in solchen Angelegenheiten habe. Die Deutsche Bahn AG hat offenbar noch nicht reagiert.

Themenverwandte Artikel

Quellen