Grünen-Parteitag in Hamburg: Freiheit, Flucht und Frieden

Veröffentlicht: 13:58, 24. Nov. 2014 (CET)
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Hamburg (Deutschland), 24.11.2014 – Bei ihrer Bundesdelegiertenkonferenz in Hamburg am vergangenen Wochenende haben sich Bündnis 90/Die Grünen zwar über Themen gestritten, jedoch keine ihrer Personen demontiert.

Cem Özdemit, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, bei der BDK14 in Hamburg
Cem Özdemit, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, bei der BDK14 in Hamburg
Winfried Kretschmann (GRÜNE), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, erhielt bei der Verteidigung seiner umstrittenen Asylentscheidung, mehr Applaus als Kritik

Insgesamt schien der Parteitag von der Suche nach einem gemeinsamen Weg nach vorne geprägt: Lieber als zwei Anträge gegeneinander wollte man einen, der beide Interessen ein Stück weit befriedigt. So geschah es bereits am Freitag, als die Debatte sich um das Thema Freiheit drehte: Realos vor allem aus dem schwarz-grünen Landesverband Hessen hatten einen Antrag eingebracht, der die Partei auf neuen Kurs bringen sollte, wogegen andere einen Antrag gestellt hatten, der eher die Mitte der Partei verkörperte. Beide wurden in der Parteitagsregie aber zu einem Antrag zusammengeführt, gegen den nur der dem linken Parteiflügel zugerechnete Delegierte Jörg Rupp, Mitglied des Landesvorstands aus Baden-Württemberg noch engagiert anzureden versuchte. Mit großer Mehrheit wurde er angenommen. Debatte und Ergebnis wertete der Berliner Tagesspiegel als „Unabhängigkeitserklärung von der SPD“.


Die Farbe der Freiheit ist Grün? Freiheitsdebatte mit Vorgeschichte

Die Freiheitsdebatte der Grünen hat eine lange Vorgeschichte, die nicht allein von der Frage bestimmt war, welches Erbe der FDP als erhaltenswert zu gelten habe, sondern auch welche Freiheit denn gemeint ist. Freiheit von Überwachung etwa, Freiheit zum selbstbestimmten Leben durch wirtschaftliche Grundsicherung, die Freiheit von Religion auch für Agnostiker oder doch die Freie Marktwirtschaft? Eine ganze Reihe von mehr oder weniger prominenten Grünen hatte dazu alleine oder in Gruppen Thesenpapiere veröffentlicht und Interviews gegeben. Ein eigenes Themenportal der Grünen fasst die bisherigen Beiträge zusammen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der sich selbst an der Debatte nicht nur mit dem Satz „Es gibt keine Freiheit ohne Verantwortung“ beteiligte, erklärte hinterher, dass für ihn die Grünen schon immer die Freiheitspartei gewesen sei und eine Debatte, die sie dazu erklären will, seiner Ansicht nach eigentlich gar nicht nötig.


Frieden schaffen ohne Waffen? Keine Yogamatte für Özdemir
Der GRÜNE Bundesvorsitzende Cem Özdemir (Archivbild) diesmal ohne Yoga-Matte

Am Sonntag wandte sich der Parteitag noch einmal einer grundlegenden Frage zu, spätestens seit den Entscheidungen zu Kosovo und Afghanistan eine Gretchenfrage der Bündnisgrünen: Wie hältst du's mit dem Krieg, mit Einsätzen der Bundeswehr mit oder ohne Mandat der Vereinten Nationen? Wie mit Waffenlieferungen? Der Bundesvorsitzende Cem Özdemir hatte sich da klar positioniert und mit der Äußerung von der Yoga-Matte, mit der sich der Islamische Staat nicht besiegen lassen werde, auch polarisiert. Diejenigen in der Partei, die sich dem ursprünglichen Pazifismus der Grünen noch verbunden fühlten, hatten dieses Plädoyer für Waffenlieferung in ein Kriegs- und Krisengebiet wenn nicht als Kampfansage so doch als Ohrfeige empfunden. In der Bundestagsfraktion hatte sich Özdemir damit weitgehend isoliert, auf dem Parteitag setzten sich die Friedensfreunde nach einer leidenschaftlichen, vom Publikum mit stehendem Applaus belohnten Rede der ehemaligen Vorsitzenden Claudia Roth zwar durch, so dass weiterhin Waffenlieferungen in Krisengebiete und Bundeswehreinsätze ohne UN-Mandat ausgeschlossen werden, doch isoliert muss sich Özdemir nicht mehr fühlen: Ein gegen seine Position gerichteter Satz findet mit 313 zu 299 Stimmen bei einigen Enthaltungen eine so knappe Mehrheit, dass deutlich wird, wie viele Bündnisgrüne hier mit sich ringen. Die Parteilinie bleibt, auch im Sinne der Bundesvorsitzenden Simone Peter, die klare Friedenspolitik, aber die Abweichung wird als Gewissensentscheidung respektiert.

Simone Peter, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, bei der BDK14 in Hamburg

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