Ermittlungen gegen 17 Journalisten wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat: Angriff auf Pressefreiheit?

Veröffentlicht: 07:29, 9. Aug. 2007 (CEST)
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Berlin (Deutschland), 09.08.2007 – Weil sie aus Akten des BND zitiert haben, wurden gegen 17 Journalisten von der Staatsanwaltschaft Verfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat eingeleitet. Diese Vorgehensweise wurde von verschiedenen Politikern und Zeitungen kritisiert.

Den Stein ins Rollen brachte ursprünglich der Abgeordnete Siegfried Kauder (CDU) als Vorsitzender des BND-Untersuchungsausschusses. Seiner Ansicht nach wurde die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Aktivitäten der deutschen Geheimdienste während des Irakkrieges (siehe dazu auch den Wikinews-Artikel vom 7. April 2006) dadurch behindert, dass in den Medien ständig aus Akten zitiert wurde, die der Geheimhaltung unterlagen, bevor diese überhaupt dem Ausschuss vorlagen. Kauder dazu: „Der Ausschuss war löchrig wie ein Schweizer Käse.“ Kauder hatte sich in der Angelegenheit mit einem Schreiben vom 18. April 2007 an den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) gewandt, der dann die Staatsanwaltschaft ermächtigt hatte, wegen „Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht“ zu ermitteln. Der Ermittlungsausschuss selbst hatte eine entsprechende Ermächtigung mehrheitlich unterstützt.

17 Journalisten sollen aus geheimen Akten des BND-Untersuchungsausschusses zur Frage, ob der Bundesregierung bereits 2002 ein Angebot der CIA zur Freilassung von Murat Kurnaz vorlag, zitiert haben. Die Beschuldigten arbeiten für taz, Spiegel, Frankfurter Rundschau, Zeit, Welt, Süddeutsche Zeitung und Tagesspiegel. Ermittelnde Behörden sind die Staatsanwaltschaft in Hamburg, Berlin, München und Frankfurt am Main.

Nur Amtsträger können einen Geheimnisverrat begehen. Die Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass die Journalisten bislang nicht ermittelten Politikern dabei geholfen haben. Sollten keine Amtsträger beteiligt gewesen sein, blieben die Zitate straflos.

Der „taz“-Journalist und Chef des taz-Parlamentbüros Jürgen König erfuhr erst aus dem Fernsehen von den Anschuldigungen gegen ihn. Am 17. Februar 2007 hatte er in einem Artikel über die Aussagen dreier Geheimdienstmitarbeiter berichtet.

Auch Akten, aus denen hervorgeht, dass sich die Regierung nicht für ihren Bürger Murat Kurnaz einsetzte, sondern gar dessen Rückkehr verhinderte, kamen ans Tageslicht.

Die Staatsanwaltschaft hofft, so die Vermutung der „taz“, mit ihren Ermittlungen eine Lücke im Staatsapparat aufzudecken. Dazu waren bis zum 27. Februar Durchsuchungen von Redaktionen beschuldigter Journalisten ein bequemer Weg. Mit dem Cicero-Urteil bestimmte jedoch das Bundesverfassungsgericht, dass die Veröffentlichung geheimer Akten nicht für eine Redaktionsdurchsuchung ausreiche. Vielmehr müsse ein konkreter Verdacht auf die Zusammenarbeit mit einem Amtsträger vorhanden sein. Geklagt hatte damals die Zeitschrift „Cicero“.

Der Hamburger Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger nannte es „Quatsch“, nach dem Cicero-Urteil derartige Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands, Michael Konken, bezeichnete die Ermittlungen als „Angriff auf die Pressefreiheit“ und forderte eine Änderung des den Geheimnisverrat regelnden Paragraphen 353 des Strafgesetzbuches. Es müsse die Beihilfe zum Geheimnisverrat gestrichen werden, da der Tatbestand der Beihilfe zum Geheimnisverrat durch einen Journalisten die Pressefreiheit verletze. Er merkte an, dass die laufenden Verfahren mit Berufung auf das Cicero-Urteil eingestellt werden sollten. Konken berichtete von 180 ähnlichen Fällen, in denen die Ermittlungen allesamt eingestellt worden seien.

Lediglich SPD-Politiker Johannes Jung verteidigte die Ermittlungen. Aber auch er meinte, dass es bei den Ermittlungen nicht um die Journalisten, sondern um die Aufdeckung undichter Stellen gehen solle. Auf die Frage, ob ihn die Ermittlungen stören, meinte Jung, dass er sich Pressefreiheit anders vorstelle, andererseits aber die Aufregung in den Medien nicht nachvollziehen könne. Auch das unbedeutendste Detail würde zur Sensation gemacht. Investigativer Journalismus und Aufklärung seien weit davon entfernt, vielmehr ginge es nur um mehr Leser. Auch mehrere der 17 Journalisten, gegen die ermittelt wird, beschwerten sich bereits darüber, dass alte Geschichten wieder ausgegraben und aufgebauscht würden. Jung stoppte jedoch auch bei der Bundesregierung nicht seine Kritik. Er wolle die Akten einsehen, jedoch würden Innen- und Verkehrsministerium die Akten geheimhalten.

Guido Westerwelle, Vorsitzender der FDP, nannte es abwegig, wenn Journalisten strafrechtlich verfolgt würden, weil sie ihnen zugespielte Inhalte veröffentlichen würden. Strafbar machten sich ausschließlich Geheimnisträger, die geheime Inhalte weitergeben. Westerwelle forderte, dass die von Norbert Lammert erteilte Erlaubnis, gegen 17 Journalisten zu ermitteln, zurückgestellt werde. Es solle zunächst durch den Bundestag Klarheit geschaffen werden, in welchem Rahmen Journalisten genau arbeiten dürfen.

Inzwischen ist auch innerhalb der CDU eine Diskussion über die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Journalisten im Zusammenhang mit dem Geheimnisverrat von BND-Akten in Gang gekommen. Gegenüber der Frankfurter Rundschau erklärte der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU), der Deutsche Bundestag müsse sich mit dieser Frage beschäftigen. Der gesetzliche Schutz der Pressefreiheit müsse verbessert werden. Bosbach erklärte, bisher sei er nicht davon ausgegangen, dass die Staatsanwaltschaften in dem Verfahren wegen Geheimnisverrats auch gegen Journalisten Ermittlungen aufnehmen würden. Bosbach wandte sich jedoch auch gegen die Gefahr einer Bagatellisierung des Geheimnisverrats. Zwar neigten staatliche Behörden gelegentlich dazu, Dinge für geheim zu erklären, die eigentlich nicht geheim seien, jedoch könne ein Politiker nicht nach eigenem Gutdünken darüber entscheiden, ob ein bestimmter Vorgang, der als geheim klassifiziert sei, der Öffentlichkeit auf diesem Weg zugänglich gemacht werden sollte. Vielmehr sollten sich die Politiker dann dafür einsetzen, entsprechende Unterlagen zu entklassifizieren.

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