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Die Euro-Staaten stecken tiefer in der Krise denn je. Nun ringen die Politiker um den richtigen Kurs. Der Euro droht an der Uneinigkeit Europas zu zerbrechen.

Geht es etwa schon wieder aufwärts?

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Schon wieder: Es war der nächste kolossale Irrtum. Überraschend war er wegen den vielen vorangegangenen natürlich nicht, aber er war doch ziemlich beeindruckend in seiner Totalität: „Wir sind dabei, die Krise hinter uns zu lassen.“. Das war der Irrtum, der nicht hätte größer sein können. Nicolas Sarkozy, zu diesem Zeitpunkt französischer Staatspräsident, ließ Anfang des Jahres nach dem Euro-Gipfel diesen Satz verlauten. Und beinahe hätte man den Worten sogar Glauben schenken können: Einhergehend mit der erleichternden Nachricht von Sarkozy gingen seit Anfang des Jahres immerhin steigende Börsenkurse, selbst Banken verzeichneten teilweise einen starken Zuwachs. Und auch die Haushaltsdefizite der Staaten sanken in letzter Zeit, Anleihen konnten wieder leichter platziert werden; Die EU-Kommission gab sich schon wieder optimistisch, während die Medien vorsichtig Meldungen der Besserung verbreiteten. Die Situation in der Euro-Krise entspannte sich also; oder zumindest ließ die positive Entwicklung eine derartige Vermutung aufkommen. Eine Äußerung, wie die von Sarkozy, war schließlich nicht die erste. So behauptete De Maiziere im Mai 2010 nach der Verabschiedung des EFSF noch, es käme „Ruhe in den Karton“. Ende 2010 beschwichtigte EU-Ratspräsident Van Rompuy eine Ansteckung von Portugal „hat keine wirtschaftliche oder rationelle Grundlage“, fünf Monate später wurde er eines besseren belehrt. Mittlerweile wissen auch wir es natürlich besser, die meisten wussten es die ganze Zeit über; vermutlich ahnte selbst Sarkozy wie wenig Substanz in seinem Satz steckte. Die Realität der Krise hat die Politiker Europas wieder eingeholt: Griechenland steht kurz vor dem Kollaps, die Anstiege auf den Aktienmärkten sind wieder weg, der DAX rutschte vor kurzem unter die 6000-Punkte Marke, die Krisenländer müssen wieder hohe Renditen auf ihre Bonds bieten und in den europäischen Banken brodelt es.

Beruhigungsversuche, wie Sarkozy einen machte, sind eher das Zeichen, dass das schlimmste noch bevor steht. Anders ist kaum zu erklären, dass etliche Ökonomen und Banker immer wieder das Auseinanderbrechen der Euro-Zone ins Spiel bringen und Star-Hedge-Fondsmanager Paulson mittlerweile sogar gegen die Bonität Deutschlands wettet. Auch die finanzielle Vergrößerung des Rettungsschirms stimmt nicht gerade optimistisch, wenn Europa angeblich auf dem Weg der Besserung war. Die unterschiedlichen Ansichten liegen besonders an einem Umstand: Die Optimisten sind hauptsächlich Politiker. Und die verbreiten Zweckoptimismus. Die Krise hat mittlerweile acht Regierungen zu Fall gebracht. Die derzeitige Situation ist für die Politiker nicht einfach, sogar geradezu katastrophal; auch wenn die sinkenden Defizite erst mal etwas Positives vermittelten, genau wie die teils steigenden Aktienkurse. Missstände und Gefahren wurden entweder verkannt oder verschwiegen.

Verschwiegene Probleme

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Am deutlichsten fielen in den ersten Monaten des Jahres die steigenden Börsenkurse auf. Aber nicht nur Aktien verzeichneten Zuwächse. Auch Rohstoffe, wie Gold und Silber, sowie Staatsanleihen, Sammlerstücke, wie beispielsweise Uhren oder Oldtimer und Immobilien legten im Wert zu. Ein gutes Zeichen war und ist das nicht, denn auf diese Weise entstehen Blasen, die zwangsläufig platzen, wenn der Geldfluss nachlässt. Im Mai dieses Jahres stellte sich dann heraus, dass fast keines der jetzigen Probleme gelöst wurde. Aktien und Staatsanleihen verloren stark an Wert und die Krise zeigte sich wieder in ihrer vollen Wucht. Unter anderem trennten sich viele Fonds und Schwellenländer von ihren Euro-Anlagen.

Doch woher kommt das ganze Geld? Irgendwer muss das ja alles bezahlen. Verantwortlich für die Entwicklung sind der EZB-Chef Mario Draghi und die meisten anderen Notenbanker der Euro-Zone. Die fluteten die Märkte mit bisher rund Einer Billion Euro zu einem Minizins von einem Prozent, einer Megalaufzeit von drei Jahren und den geringst-möglichen Anforderungen für hinterlegte Sicherheiten. Das Angebot war einfach zu gut, um es auszuschlagen, die Banken bedienten sich kräftig. Das Geld, für das die Banken ein Prozent Zinsen zahlen, wurde danach teilweise auch in Staatsanleihen investiert. Italien bot vier Prozent Rendite auf seine Anleihen. Die Differenz von drei Prozent war Gewinn. Der Rest floss trotz Rezession und hoher Arbeitslosigkeit in Aktien, aber auch Gold, das als krisenresistent gilt.

Und dann sind da ja noch immer die sinkenden Defizite. Die zeugen immerhin davon, dass zumindest ein Teil der Sparvorgaben umgesetzt wurde. Aber eigentlich spricht der Ökonom erst vom Sparen, wenn der Schuldenberg reduziert wurde. Doch die Politiker versuchen hier bereits eine Senkung der Neuverschuldung als Erfolg zu verkaufen. Eine neue Taktik ist das nicht, ganz im Gegenteil: So wird es schon seit Jahrzehnten gemacht. Aber selbst die Senkung ist nicht wirklich ein Erfolg. Die Neuverschuldung von Spanien und Frankreich wird dieses Jahr wohl noch zwischen fünf und sechs Prozent des Bruttoinlandprodukts betragen, die von Portugal vier Prozent des BIP. Trotz enormer Sparanstrengungen sind diese Summen weit über den laut Maastricht-Vertrag maximal erlaubten drei Prozent. Und die bereits bestehenden Schulden sind dabei noch nicht mal um einen Cent gesenkt worden. Zudem sind diese Angaben mit Vorsicht zu genießen, denn die Staatsverschuldung steht prozentual zur Wirtschaftsleistung des Landes. Die schrumpft derzeit, da sich die Krisenländer in der Rezession befinden. Damit steigt auch wieder die Verschuldungsquote.

Schulden, eine schwache Wirtschaft und viel Korruption, das sind die Krisenländer:

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Derzeit finden sich in der Euro-Zone vier Staaten, denen die Krise besonders hart zusetzt: Griechenland, Portugal, Spanien und Italien. Dazu kommen aber noch einmal mindestens vier weitere Volkswirtschaften, denen bei einer Verschärfung der Krise ein ähnliches Schicksal droht: Irland, Zypern, Belgien und Frankreich.

Dennoch: Nirgendwo ist die Krise so weit fortgeschritten wie in Griechenland: Das Land befindet sich in einer schweren Rezession. Es hat mit 160 Prozent des BIP Schulden die zweithöchsten Schulden der Welt und die Verbindlichkeiten steigen sogar noch massiv an. Teile der Bevölkerung sind durch die Sparmaßnahmen zudem hoch verschuldet, der Mittelstand und Rentner leiden besonders heftig. Problematischer sind aber noch die ineffiziente, aufgeblähte und korrupte Verwaltung und deren Minister, an denen bereits nahezu alle Reformbemühungen scheiterten. So wusste die Regierung bis vor kurzem noch nicht einmal, wie viele Beamte sie überhaupt beschäftigte. Auf diese Weise entgehen dem Staat durch lasche Kontrollen jährlich Steuereinnahmen in Milliardenhöhe; in der Schweiz dürfte dagegen mittlerweile mehr Geld von griechischen Staatsbürgern liegen, als in Griechenland selbst. Und durch die massive Vetternwirtschaft und Korruption ist kaum echter Wettbewerb möglich, das Problem verschlingt Unsummen. Unter anderem bescheinigte ein Arzt der wohlhabenden Bevölkerung einer ganzen Insel gegen Bestechungsgeld, sie sei blind, damit die Bewohner die steuerlichen Vorteile genießen konnten, die eine Behinderung mit sich brachte. Zudem hat das Land fast keine international wettbewerbsfähigen Unternehmen und ist extrem teuer im Vergleich zu anderen Ländern, wie der Türkei. Bei einer Pleite des Landes stünde den dortigen Banken wahrscheinlich der Zusammenbruch bevor.

Ebenfalls einen Schuldenschnitt bräuchte wohl auch schon bald Portugal. Die Wirtschaft befindet sich in der Rezession, die Verschuldung steigt, das Land hat nur sehr wenige international konkurrenzfähige Unternehmen und Preise und Löhne sind zu hoch. Die Arbeitslosigkeit liegt bei ca. 12,5 Prozent und die jüngere Generation sieht das Land als zunehmend Perspektivlos an. Auch fehlt eine industrielle Basis und viele Touristen bleiben dieses Jahr aus. Weitere Probleme sind die billige Konkurrenz aus Asien und Osteuropa, der kleine regionale Absatzmarkt und die damit verbundenen langen und teuren Transportrouten in größere Märkte. Die Abwanderung von gutausgebildeten jungen Fachkräften in Staaten wie Deutschland oder Frankreich könnte zum Problem werden, wenn der Arbeitsmarkt wieder in Schwung kommt und qualifizierte Arbeitskräfte gebraucht werden. Außerdem drückt die Bevölkerung eine enorm hohe Privatverschuldung, die während dem Immobilien-Boom vor der Finanzkrise angehäuft wurde. Jetzt lähmt sie den Binnenkonsum. Zwar ist das Land nicht so korrupt und wirtschaftlich am Boden wie Griechenland, aber die Verschuldung ist viel zu hoch. Um Portugal wettbewerbsfähig zu machen, müssten die Gläubiger auch in Portugal wohl komplett auf ihr Geld verzichten und die Löhne noch weiter sinken. Wenigstens ein paar Lichtblicke gibt es aber: Die Exportindustrie läuft in Portugal auch mitten in der Krise recht gut, auch wenn die Handelsbilanz von Portugal negativ ausfällt. Der Großteil der Bevölkerung hat die Sparmaßnahmen mittlerweile als alternativlos akzeptiert und trägt sie mit. Dennoch: Hält der Abschwung an, kann Portugal zum zweiten Griechenland werden.

Irland, das dritte Land, das gerettet werden musste, wird wohl keinen Schuldenschnitt brauchen. Es verfügt über eine effiziente Verwaltung und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft. Bis vor der Finanzkrise war das Land eines der wenigen, das die Maastrichter Stabilitätskriterien einhielt und Schulden in einer Höhe hatte, vergleichbar mit der Schweiz oder Schweden. Die hohen Schulden hat Irland erst seit der Finanzkrise durch den beinahe-Zusammenbruch des riesigen und hochverschuldeten irischen Bankensystems. Der konnte nur dank eines Rettungspaketes vom Staat abgewendet werden. Eine Pleite oder gar der Austritt aus dem Euro könnte den Bankensektor allerdings kollabieren lassen. Da Irland über einen extrem großen Bankensektor verfügt, würde der Zusammenbruch der Banken gigantische Summen verschlingen. Die Bevölkerung würde ihre Ersparnisse verlieren und es gäbe einen Abschwung, der vergleichbar mit der großen Depression in den 30ern in den USA wäre. Die Schulden können aber durch Sparmaßnahmen abgetragen werden. Zudem gibt es in Irland viel weniger soziale Unruhen. Die Bevölkerung trägt das harte Sparpaket mit eiserner Disziplin mit, was die Sparmaßnahmen deutlich erleichtert. Problematischer sind auch eher die Privatverschuldung und die Banken. Der Grund: Vor der Krise konsumierten die Bürger über ihre Verhältnisse; Als die Blase platzte, verloren viele ihr angespartes Geld und ihre Häuser.

Italien, der größte Schuldner der EU, hat eine starke Wirtschaft, ist allerdings auch zu teuer. Dort sind die ineffiziente Verwaltung, der unflexible Arbeitsmarkt und die grassierende Korruption die Hauptprobleme des Landes. Wegen der hohen Schulden musste das Land im Verlauf der Krise bereits von der EZB gerettet werden. Italien muss die angesetzten Reformen endlich umsetzen, sonst droht der Staatsbankrott. Ob es allerdings gegen seine schlechte Verwaltung und die Korruption etwas ausrichten kann, ist fragwürdig, denn vielerorts unterscheiden sich die Zustände kaum von den Strukturen in Griechenland. Wenn die Reformierung des Arbeitsmarktes und der Verwaltung, sowie der Kampf gegen die Korruption scheitern, könnte Italien sehr schnell zum nächsten Problemfall werden: Bei einer Insolvenz von Italien wäre eine zweite Finanzkrise sehr wahrscheinlich. Der Schuldenberg war trotz seiner Größe bisher aber immer unproblematisch. Italien hat seit 30 Jahren Schulden in dieser Höhe und bisher konnte das Land sie immer tragen. Ohne die Zinszahlungen hätte Italien sogar einen Haushaltsüberschuss. Und wenn die italienische Regierung ihre Steuern eintreibt und die gesetzten Ziele erreicht, dürften die Einnahmen automatisch steigen und Italien könnte seine Schulden tilgen, während die Wirtschaft wachsen würde. Bis das geschafft ist, ist es allerdings ein weiter Weg. Das liegt auch daran, dass Italien viele mögliche Einnahmequellen ungenutzt lässt. Reiche kamen bei den Sparpaketen bisher immer gut weg und müssen kaum höhere Abgaben leisten. Und die Parlamentarier schonen auch sich selbst. Sie haben extrem hohe Gehälter und können etliche Sonder-Leistungen in Anspruch nehmen.

Spanien ist der nächste Risikofaktor: Das Land verfügt zwar über eine funktionierende Verwaltung, es gibt nur geringfügige Korruptionserscheinungen und die Verschuldung ist sogar noch geringer, als die von Deutschland. Aber in Spanien liegt das Problem in anderen Bereichen: Die hohe Arbeitslosigkeit von über 24%, bei Jugendlichen sogar 50%, ist die Hauptlast für das Land. Zur Bekämpfung fehlt es an wirtschaftlicher Kraft und Investitionen aus dem Ausland. Derzeit läuft Spanien Gefahr, dass die Wirtschaft durch die Sparmaßnahmen in eine noch tiefere Rezession gerät. Die anderen drei großen Probleme sind die immense Privatverschuldung, die hohen Lohnstückkosten und das unsolide Bankensystem. Vor der Krise gab es in Spanien einen Bauboom. Doch in der Krise platzte die Blase. Der Staat begann zu sparen. In der Folge stieg die Privatverschuldung enorm an, die Kaufkraft der Menschen brach ein und damit auch Konsum und Investitionen. Heute steckt das Land in der Rezession.

Das letzte große Krisenland ist eine Überraschung: Frankreich, die zweit größte Volkswirtschaft der Euro-Zone, galt bis vor kurzem eigentlich noch nicht als Krisenland, ganz im Gegenteil: Das Land sollte sogar dabei helfen andere Krisenländer zu stützten und bekam von Ratingagenturen ein AAA-Rating. Doch mittlerweile ist klar, dass Frankreich selbst zum Problemfall werden könnte und sich erst selbst reformieren muss, bevor es andere Länder stützten kann. Einmal geriet es bereits auf den Märkten ins Visier von Spekulanten. Und das aus gutem Grund: Frankreich importiert deutlich mehr, als es exportiert, die Schulden liegen weit über dem eigentlich erlaubten und die Banken halten viele Anleihen aus anderen Krisenländern wie beispielsweise Griechenland. Das Renteneintrittsalter liegt bei gerade mal 62, der Arbeitsmarkt ist unflexibel, der Beamtenapparat zu groß und die Lohnstückkosten sind überdurchschnittlich hoch. Das Wirtschaftswachstum wird dieses Jahr wohl wieder nur sehr klein ausfallen, während das Land mit einem sehr hohen Haushaltsdefizit zu kämpfen hat. Jedoch gibt es Grund zu Optimismus, die französische Wirtschaft ist sehr stark, es gibt ein großes Privatvermögen und die Franzosen arbeiten überdurchschnittlich viel.

Wer soll den Euro retten?

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Zu den wirtschaftlich und finanziell starken Ländern gehören größtenteils die nordeuropäischen Staaten: Deutschland, Niederlande, Österreich, Finnland und Luxemburg. Die Preise dort sind niedrig, die Wirtschaft wettbewerbsfähig und die Staatsschulden sind tragbar. Zwar gibt es kleinere Probleme, wie beispielsweise Deutschlands Schuldenquote von 80 Prozent des BIP, Österreichs Verlust seiner Topbonität, die stark fallenden Häuserpreise in den Niederlanden und die dortige Rezession, dennoch sind Länder wie Österreich oder Deutschland solvent und wettbewerbsfähig. Während der Krise konnten die Nordstaaten bisher zumeist problemlos Anleihen zu niedrigen Zinsen platzieren. Deutschland gilt beispielsweise als einer der letzten sicheren Häfen in Europa. Auf seine Bonds musste es bereits Negativzinsen zahlen.

Was alles bisher getan wurde:

Seit Beginn der Krise haben die Euro-Staaten im Kampf gegen die Krise bereits etliche Maßnahmen ergriffen. So hat Merkel den Fiskalpakt verabschiedet, der die Staats-Schulden in Zukunft begrenzen soll. Die PIIGS und Frankreich haben harte Sparmaßnahmen ergriffen. Griechenland kürzt an allen Ecken und Enden, letztes Jahr beliefen sich die Einsparungen in Hellas auf satte fünf Prozent des BIP. Auf Deutschland übertragen entspräche das 125 Milliarden Euro. Um die Schuldenlast in Griechenland zu senken, fand zusätzlich ein Schuldenschnitt in der Höhe von rund 100 Milliarden Euro statt. Auch Spanien, Frankreich, Italien und Portugal haben ihre Defizite bereits reduziert. Irland gilt mittlerweile schon fast als wieder gesundet. Zusätzlich wurden in ganz Südeuropa Arbeitsmarktreformen ergriffen und der öffentliche Sektor verkleinert, wenn auch nicht im angestrebten Maße. Stark gesunken sind in Südeuropa auch die Löhne und die Einfuhren aus dem Ausland. Selbst Griechenland gelang es, seinen Importüberschuss zu halbieren. Die EZB bewahrte die Euro-Zone zudem mehrfach vor einer Kreditklemme, indem sie Staatsanleihen an den Märkten aufkaufte und die Banken mit fast unendlicher Liquidität versorgte. Zusätzlich hat sich die Euro-Zone darauf geeinigt, die Rettungsschirme auf 800 Milliarden Euro zu vergrößern und im IWF gibt es Diskussionen, ob der Fonds seinen Anteil am ESM erhöht.

Rettungsschirme, EZB, Eurobonds und Sparen, Sparen, Sparen… Wieso der bisherige Weg der Falsche ist

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Merkel brüstete sich in letzter Zeit gerne mit ihrem Sparkurs, den sie gerne ganz Europa auferlegen möchte und deswegen auch erst kürzlich den Fiskalpakt beschlossen hat. Der soll die Neuverschuldung der Staaten auf ein Minimum begrenzen. Gesunde Staatsfinanzen sind dabei das eine, sie zu erreichen, das andere. Merkel bedenkt bei ihren Plänen leider nicht die Folgen des Sparens: Wenn ein Staat den Bürgern Leistungen streicht, müssen die Bürger ihr eigenes Geld zum Ausgleich ausgeben. Dieses fließt dann nicht mehr in den Konsum und somit auch nicht in die Wirtschaft. Die Nachfrage sinkt, daraufhin gerät das Land in die Rezession. Das Ganze ist ein Teufelskreis, denn wegen der geringeren Nachfrage entlassen die Unternehmen wiederum Angestellte, die vom Staat Arbeitslosengeld empfangen und keine Steuern mehr zahlen können, was die Verschuldung wiederum ansteigen lässt und durch die hohe Arbeitslosigkeit sinkt die Nachfrage dann noch mehr und den Unternehmen bricht der Umsatz weg. Zum Ausgleich entlassen die Unternehmen noch mehr Angestellte. Das kann so weit gehen, dass Unternehmen nicht mehr ihre Gewinne maximieren, sondern einfach nur noch ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen wollen, also ökonomischer Unsinn. Sollte ein solches Szenario in Japan eintreten, hat man errechnet, dass es bis zu 65 Prozent seiner Wirtschaftsleistung verlieren würde. Dieses Schicksal könnte jetzt Südeuropa ereilen. Schon allein die Vorstellung von diesem Szenario ist beunruhigend, die Folgen einer solchen Krise wären nicht abzusehen.

Der andere Grund für die Rezession sind die aus den Sparmaßnahmen resultierenden sozialen Unruhen, wie Streiks, erhöhte Selbstmordraten und Demonstrationen. Durch solche wird weniger gearbeitet und produziert. Als Folge darauf sinken die Steuereinnahmen. Der Staat verschärft die Sanierungsmaßnahmen, noch mehr Menschen streiken und demonstrieren, die Produktivität nimmt weiter ab und die sozialen Unruhen nehmen durch neue Sparmaßnahmen zu. Laut dem Volkswirt Hans-Joachim Voth können bereits Einsparungen von einem Prozent des BIP zu sozialen Unruhen führen. In Griechenland ist es aber nicht nur ein Prozent und auch nicht zwei Prozent, die eingespart werden, sondern 17 Prozent des BIP. Eigentlich sollte der Staat an dieser Stelle anfangen der Krise mit zusätzlichen Ausgaben entgegenzuwirken und aufhören die Mittelschicht aufzulösen. Nur wegen der Rezession und den sogar steigenden Ausgaben versucht der Staat noch weiter zu sparen. Das treibt noch mehr Menschen auf die Straße. Und genau so erleben wir es derzeit in Europa. Die Rezession wird stärker und die Arbeitslosigkeit steigt. Trotz aller Sparbemühungen erhöht sich die Verschuldung absolut, als auch im Verhältnis zur Wirtschaftskraft, da jene schließlich sinkt. Besonders eindrücklich ist das in Griechenland zu sehen, dessen Verschuldung trotz Schuldenschnitt noch bei 160 Prozent des BIP liegt. Ebenfalls schon bald in diesen Strudel gezogen werden, könnten Portugal und Spanien. Letzteres musste zuletzt immer höhere Renditen auf Bonds bieten und dessen Wirtschaft schrumpft bereits aufgrund der Arbeitslosigkeit und der hohen Privatverschuldung. Die verhindert, dass der Konsum wieder zunimmt. Ein Hinweis dafür, dass sich Spanien auf dem falschen Weg befindet, ist der Blick auf die Staatsverschuldung: Die lag vor den von Merkel angeordneten Einsparungen bei 55 Prozent des BIP, mittlerweile sind es 78 Prozent; und das obwohl die Regierung reformierte und Einschnitte im Haushalt vornahm. Schuld daran haben die Rezession und die steigenden Löhne. Wenn die Politiker so weiter machen, ist der Staatsbankrott von Riesen wie Italien oder Spanien schon bald nicht mehr abzuwenden.

Rettungsschirme sind bei all den Problemen allerdings vollkommen kontraproduktiv. Erstens sind die Rettungsschirme viel zu klein um ein Land wie Spanien vor der Pleite zu bewahren; und zweitens vermitteln sie den Krisenstaaten, sie hätten noch viel Zeit, ihre Reformen umzusetzen. Es ist aber fünf vor zwölf, wenn die Politiker den Euro nicht auseinanderbrechen lassen wollen, müssen sie jetzt handeln. Es besteht also bei jeder Erhöhung des Rettungsschirms die Gefahr, dass die gefährdeten Staaten ihre Reformbemühungen schleifen lassen. Drittens sind die Summen jetzt schon unglaubwürdig hoch. Wer glaubt denn wirklich, dass Deutschland mitten in der Krise, wenn es ernst wird, auf einen Schlag 211 Milliarden Euro an den Anleihemärkten auftreiben kann? Schon allein die Meldung, dass Deutschland sich so viel Geld leihen müsste, würde die meisten Investoren vermutlich panisch die Flucht ergreifen lassen. Die geforderten Aufstockungen des Schirms auf 1 Billionen Euro oder sogar noch mehr, auch 2 Billionen Euro Kapital stehen zur Debatte, wären dann nur noch unglaubwürdiger. Und die Rettungsschirme haben noch einen vierten großen Nachteil: Sie führen indirekt zur Transferunion. Wenn ein Staat wie Spanien oder Italien gerettet werden müsste und die liquiden Staaten tatsächlich das nötige Geld auftreiben könnten, hätten Spanien oder Italien Schulden bei Deutschland von 500 Milliarden Euro; oder auch mehr. Ob man das Geld dann wieder sehen würde, wäre fraglich. Ein Staat, der eigentlich insolvent ist, wird kaum in absehbarer Zeit wieder solvent werden können. Schon gar nicht durch eine Änderung der Gläubiger. Zudem hätte Deutschland dann seinerseits einen gigantischen Schuldenberg, der die Zinsen stark ansteigen lassen könnte. Am Ende wäre so sogar Deutschlands Bonität gefährdet.

Einen ähnlichen Effekt haben die Maßnahmen der EZB. Die lieh den Banken schon zweimal auf einen Schlag eine halbe Billionen Euro. Die sollten mit einem Teil des Geldes den Unternehmen Kredite verschaffen, mit einem weiteren Teil sich selbst kurzfristig „stabilisieren“ und mit dem letzten Teil dann Staatsanleihen kaufen; also indirekte Staatsfinanzierung über die Notenpresse. Auch deutsche Staatsanleihen, die ohnehin schon begehrt sind, wurden durch den Geldfluss noch gefragter. Das ließ die Zinsen selbst für dreijährige Anleihen auf null fallen. So sanken auch die Zinsen für die Einlagen der Sparer ebenfalls gegen null. Rechnet man nun die Inflation mit ein, machen die Anleger durch Sparen Verlust. Zusätzlich werden durch die Geldschwemme auch Banken am Leben gehalten, die derzeit ohne Zentralbankgeld nicht überlebensfähig sind. Wenn die pleitegehen, muss die EZB die Verluste tragen. Die hinterlegten Sicherheiten sind häufig Ramschware.

Mehrfach kaufte die EZB Staatsanleihen auch einfach vom Markt auf, um die Zinsen auf Staatsbonds zu drücken. Nebenbei wurden wieder einmal Schulden vergemeinschaftet, denn die EZB wird so zum Gläubiger der Südstaaten. Das hat genau dieselben Negativeffekte wie die Rettungsschirme, nur steigen durch die Geldflut nicht die Zinsen für die liquiden Staaten, wie es bei Rettungsschirmen der Fall ist, sondern die Inflationsraten in der Euro-Zone. Und billiges Geld kann nicht nur bei Staaten dazu führen, dass sie notwendige Reformen stoppen und eine unsolide Haushaltspolitik führen: Dasselbe gilt natürlich auch für Banken. Wenn die dauerhaft von der Zentralbank versorgt werden, wieso sollten sie dann noch innovativ werden oder sich um Risikolinien scheren? Geld ist ja im Übermaß da und wenn es trotzdem mal ausgehen sollte, druckt die EZB welches nach. Zudem müssen die Banken Sicherheiten bei der EZB hinterlegen, was eben jene auf anderen Märkten, wie dem Immobilienmarkt, knapp werden lässt.

Immer wieder wird zur Entschärfung der Krise auch gefordert, dass die EZB die Staaten einfach direkt finanziert. Besser bekannt ist diese Maßnahme unter dem Begriff „Nuklearoption“, eine Steigerung der Dicken Bertha. Nur ist es eben keine Alternative, dass die EZB, wie die Fed in den USA, direkt Staatstitel ankauft, man dem Rettungsschirm eine Banken-Lizenz gibt oder die EZB kurzerhand für alle Staatsanleihen der Euro-Zone garantiert. All diese Ansätze senken die Staatsschulden nicht. Sie nehmen aber den Druck von den Staaten, endlich ihren Haushalt in den Griff zu bekommen, Verwaltung und Arbeitsmarkt zu reformieren und die nötigen Strukturmaßnahmen voranzureiben. Das führt dazu, dass sie die Reformen wieder schleifen lassen und die EZB, sobald die Auswirkungen ihrer Intervention verpufft sind, wieder und wieder an den Märkten eingreifen muss und immer mehr Geld druckt. Größere Interventionen der EZB auf den Anleihemärkten, wie es zum Teil die Fed in den USA macht, hätten außerdem noch ein ganz anderes Risiko: Sie gefährden die Geldwertstabilität; bei einem Einsprung für sämtliche Schulden der PIIGS-Staaten würde gar Hyper-Inflation wie 1923 in Deutschland drohen. Die EZB würde in diesem Fall für 3,1 Billionen Euro bürgen. Auch hier wäre man wieder bei der Transferunion angelangt, die Schulden wären vergemeinschaftet. Nicht grundlos sind die USA selbst ihr größter Schuldner, denn dort hat die Fed mittlerweile US-Anleihen im Nominalwert von fast 900 Milliarden Euro gezeichnet, mehr noch als China.

Natürlich kündigte Draghi bereits an, die Geldflut wäre zeitlich begrenzt. Die EZB werde bald wieder zu ihrer eigentlichen Aufgabe zurückkehren, der Erhaltung der Geldwertstabilität. Das wäre auch bitter nötig, denn Notenbanken können keine Krisen lösen. Die EZB kann dem Euro momentan am besten helfen, indem sie einfach nichts mehr macht. Aber viele Experten bezweifeln die angekündigte Zurückhaltung der EZB für die Zukunft. Kritiker schimpfen, dass das billige Geld wie Drogen für einen Junkie wirkt; und eine Droge lässt sich nicht ohne weiteres von heut auf morgen absetzen.

Die Wirtschaftsweisen legten zur Lösung der Schuldenkrise noch einen weiteren Vorschlag vor: Einen Schuldentilgungspakt. Bei diesem würden sämtliche Schulden der Euro-Staaten, die 60 Prozent des BIP überschreiten, mit Ausnahme derer von Irland, Portugal und Griechenland, in einen Fonds eingelagert. Für diese Schulden würde dann gemeinsam garantiert werden. Dafür müssten sich die Mitgliedsstaaten des Pakts aber strengen Regeln unterwerfen. Für die eigenen Schulden zahlen, würde jeder Staat nach wie vor selbst. Das sähe dann so aus, dass die Länder Steuern für die Zinszahlungen ihrer Anleihen an den Fonds überweisen und noch eine kleine zusätzliche Summe zur Senkung der Gesamtschulden. Sollte ein Staat die Zahlungen für die eingelagerten Schulden plötzlich einstellen, würden die Schulden mit vorher hinterlegten Sicherheiten des Landes bezahlt werden. Devisen oder Gold wären beispielsweise solche Sicherheiten. Für seine Schulden zahlen, würde jedes Land selbst. Eine Ausnahme bildet nur der Zahlungsausfall: Anleihen des insolventen Staat würden hierbei von den anderen Mitgliedsstaaten bedient werden. Wenn nach ca. 20-25 Jahren alle Schulden bezahlt worden wären, würde der Schuldentilgungspakt aufgelöst werden.

Der Pakt hätte den Vorteil, dass durch die gemeinsame Haftung die Zinsen auf Anleihen sinken würden. Im Idealfall würde der Fonds den Krisenländern wegen den gesunkenen Zinsen Zeit verschaffen. Sollte aber in Zukunft wirklich ein Staat, der seine Schulden in diesen Fonds ausgelagert hätte, pleitegehen und seine regelmäßigen Zahlungen an den Fonds stoppen, müssten die anderen Euro-Staaten einspringen. Das käme einer Haftungsgemeinschaft gleich: Denn für jedes Land, das bankrottginge, würden die Mitgliedsstaaten die Verpflichtungen im Schuldentilgungsfonds übernehmen. Die Idee erinnert stark an eine Bad-Bank, nur diesmal nicht gefüllt mit ausfallgefährdeten Subprime-Krediten oder wertlosen New-Economy-Aktien, sondern gefüllt mit toxischen Staatsanleihen aus Südeuropa. Könnte beispielsweise Italien seinen Schulden nicht mehr nachkommen, müssten die restlichen Länder rund 900 Milliarden Euro aufbringen. So viel Schulden lägen vorerst nämlich im Topf. Und noch eine weitere Fehlannahme steckt in diesem Vorschlag. Denn um neben den Zinszahlungen noch zusätzlich Tilgungsgelder zu überweisen, muss der Staat mindestens Primärüberschüsse erwirtschaften, also einen Haushaltsüberschuss ohne die Zinszahlungen. Durch die Gemeinschaftshaftung würden zwar die Renditen für Staatsanleihen aus den Mittelmeerstaaten sinken, Überschüsse wären so aber noch nicht garantiert. So hätte Italien erst einen ausgeglichenen Haushalt, wenn man ihm den Großteil der Zinszahlungen erlassen würde. Dafür müssten die Zinszahlungen für italienische Bonds aus dem Schuldentilgungsfonds auf null sinken und auch die Renditen für Anleihen, die nicht im Schuldentilgungsfonds eingelagert sind, müssten kräftig fallen. Ein so positives Szenario ist schwer vorstellbar. Länder wie Griechenland oder Spanien weisen aber noch nicht einmal einen Primärüberschuss auf. Für sie würde die Refinanzierung zwar billiger werden, aber zum Schuldentilgen würde das Konzept nicht reichen. Vermutlich würde es darauf hinauslaufen, dass die Südstaaten die Zahlungen an den Fonds einfach durch neue Schulden finanzieren. Nimmt man trotzdem einmal an, die Zinsen für die Südstaaten sinken stark genug ab, dass die Staaten ihre Schulden sogar tilgen können. Mit den sinkenden Staatsschulden wären noch längst nicht alle Probleme gelöst. Hohe Lohnstückkosten, Korruption, ein unflexibler Arbeitsmarkt und ein ineffektiver und teurer öffentlicher Sektor blieben. In Spanien sind die Staatsschulden sowieso nicht das Problem, sondern die Banken. Denen wäre auch mit dem Fonds nicht geholfen. Durch die niedrigen Renditen auf Staatsanleihen bestünde außerdem die Gefahr, dass die Länder die dortigen Reformen wieder vernachlässigen, so wie es nach EZB-Interventionen und Rettungspaketen für Euro-Staaten bereits passiert ist.

Euro-Bonds hätten bei all diesen Optionen allerdings einen noch größeren Nachteil. Durch Euro-Bonds soll ein einheitlicher Zinssatz für die Eurozone erreicht werden. Durch die Gemeinschaftsanleihen würden dann die Zinsunterschiede zwischen Staaten wegfallen, denn finanziell solide Staaten wie Deutschland, Finnland oder die Niederlande würden für sämtliche Schulden von kriselnden Staaten wie Griechenland, Spanien oder Italien garantieren. Das Phänomen von sich angleichenden Zinssätzen gab es schon einmal: Bei der Einführung des Euros. Es endete, als 2007 die Finanzkrise losbrach, deren Ursache eben das billige Geld war. Die momentanen Finanzierungsprobleme der Staaten wären mit gemeinsamen Anleihen jedoch gelöst, denn der Norden garantiert in diesem Fall für alle Schulden der Krisenländer. Die Bonds wären durch die neue Gesamthaftung wahrscheinlich sogar so gefragt, dass die Renditen auf das jetzige Niveau von deutschen Staatsanleihen sinken würden.

Durch die Euro-Bonds gibt es dann aber auch keine disziplinierenden Zinsen für klamme Staaten mehr, der Sparanreiz wäre weg. Wenn die Nordstaaten, wie Deutschland oder Finnland, da erst mal drin hängen, müssen sie die Südstaaten am Ende noch alle retten, weil die sich so noch billiger und risikoloser verschulden können. Oder die Schulden sind dann noch einmal so stark gestiegen, dass die gesamte Euro-Zone unter ihnen begraben wird. Die neuen Lasten wären in diesem Fall so groß, dass selbst Deutschland sie nicht mehr tragen könnte. Während bei den Rettungsschirmen die Haftungssumme zumindest noch begrenzt ist, würden die Euro-Bonds riesige Summen umfassen und aus den gemeinsamen Anleihen könnte man auch nicht einfach so wieder aussteigen, wenn sie erst eingeführt sind.

Die Gefahr ist groß, dass Anleihen von verschiedenen Ländern, die nicht mehr einen individuellen Zinssatz haben, ohne Sinn und Verstand herausgegeben. Gezeigt hat das der italienische Ex-Premier Berlusconi, der meinte, dass er mit Euro-Bonds erst gar nicht mehr hätte reformieren müssen; und das in einer Woche, in der Italien auf den Anleihemärkten immer höhere Renditen bieten musste. Berlusconi verabschiedete erst später durch internationalen Druck ein Sparpaket und leitete Reformschritte auf dem Arbeitsmarkt und in der Verwaltung ein. Mit Euro-Bonds hätte sich rein gar nichts geändert.

Nun gibt es natürlich die Theorie, dass man Euro-Bonds einführt und jene an die Regeln des erst neulich verabschiedeten Fiskalpakts bindet oder gar an die Politik eines europäischen Finanzminister. Demnach würden die solventen Staaten nur noch für die Verbindlichkeiten in Höhe von 60 Prozent der Krisenstaaten geradestehen. Für alle weiteren Schulden müssten alle anderen Staaten selbst aufkommen. Bei dieser begrenzten Haftung würden wahrscheinlich die Zinsen für Anleihen der Südländer sinken und im Gegenzug die für die Geberländer steigen. Schätzungen zufolge würden dadurch zusätzliche Kosten von 15-45 Milliarden Euro auf Deutschland zukommen, jährlich. Diese Summe ist aber noch tragbar. Zudem wäre sie immer noch geringer als die Summe, die nötig wäre, wenn die Euro-Zone auseinanderbrechen würde und durch höhere Zinsen auf deutsche Anleihen, würden auch wieder die Zinsen für Einlagen von Sparern steigen, Sparer würden erst mal profitieren. Starinvestor Soros meinte, dass sich die Südstaaten so wieder erholen könnten und die Wirtschaft wieder wachsen würde. Die Idee ist genial, sie hat nur einen Haken: Die Zahl der Staaten, die sich der Regelung des Fiskalpakts und der Maastrichter Schuldengrenze zufolge mit Euro-Bonds Geld leihen dürften, ist denkbar gering: Lediglich Luxemburg, Finnland und ein paar osteuropäische Staaten würden die gemeinsamen Anleihen ausgeben dürfen. Diese Länder würden aber auf die Bonds mehr Zinsen zahlen, als auf ihre nationalen Anleihen, denn sie gehören mit ihren soliden Staatsfinanzen zu den Geberländern. Ihre Ausgaben würden bei der Benutzung von Euro-Bonds also steigen, obwohl sie die Euro-Bonds gar nicht bräuchten. Die Südstaaten müssten sich wegen ihrer hohen Schulden aber weiterhin mit ihren nationalen Anleihen behelfen, außer sie erklärten alle den Bankrott. Insolvente Staaten wären durch die Bonds nicht plötzlich solvent, die Zahlungsschwierigkeiten bestünden weiterhin.

Die gemeinsamen Anleihen würden ihre positive Wirkung, die Senkung des Zinssatzes, wegen der Stabilitätskriterien also erst entfalten, wenn die PIIGS ihre Schulden auf unter 60 Prozent drücken. Das wird aber noch Jahre oder Jahrzehnte brauchen. Und zuletzt bestünde die Gefahr, sind die Euro-Bonds erst einmal eingeführt, dass die finanziell schwachen Länder alles daran setzen würden, die Stabilitätskriterien und Schuldengrenzen aufzuweichen. So dass am Ende die wirtschaftlich und finanziell starken Länder doch für alle Schulden garantieren müssen und die Transferunion noch kommt. Vielleicht wäre das nicht die Absicht von Politikern wie Rajoy oder Monti und schon gar nicht von Merkel oder Faymann; aber wer weiß, wer in zehn Jahren in Italien oder in Deutschland regiert. Den Politikern sollte eins klar sein: Euro-Bonds, Rettungsschirme und Anleihekäufe der Zentralbank machen Länder wie Griechenland, Spanien oder Italien auch nicht wieder solvent und sie lösen auch keine Probleme, viel mehr verursachen sie weitere. Europa braucht tiefergreifende Reformen.

Eine große Hürde in dieser Krise sind häufig nicht wirtschaftliche Probleme, sondern Probleme menschlicher Natur: Die Irrationalität und Sturheit der europäischen Politiker, die mittlerweile mehrfach mit milde formuliert zweifelhaften Vorschlägen und Strategien versuchten, der Krise, vorausgesetzt sie hatten überhaupt verstanden worum es ging, beizukommen. So könnte man erst einmal den stark verschuldeten Staaten Sparpakete auferlegen, die umsetzbar und sinnvoll sind. Staatdessen aber irrsinnige und ungerechte Sparpakete zu beschließen und noch schnell weitere hinterher zu schieben, obwohl die vorigen noch nicht mal ansatzweise umgesetzt sind, ist vollkommen unsinnig. Das hierfür beste Beispiel ist Griechenland, das logischerweise auch dieses Jahr wieder die Sparziele verfehlt: Da war schon die Planung des Sparpaketes eine einzige Schummelei, nur um die von der Troika gewünschte Summe an Einsparungen irgendwie doch noch zu erreichen: Laut Sparplänen will die Regierung über 100000 Beamte entlassen. Sie rechnet bei dieser Maßnahme damit, dass deren Gehälter, die nach der Entlassung nicht mehr gezahlt werden müssen, sofort wieder ohne Abzüge in die Staatskasse fließen. Dass diese Beamten aber Abfindungen und Arbeitslosengeld bekommen, wurde einfach ignoriert, auch die Troika sah darüber hinweg. So oder so ähnlich sah dieses Sparpaket in weiten Teilen aus und dementsprechend sehen auch die vorangegangenen Sparmaßnahmen aus. Da sollten durch Privatisierungen 50 Milliarden Euro eingenommen werden. Mittlerweile musste die griechische Regierung eingestehen, dass diese Zahl komplett aus der Luft gegriffen war. Auch machte die Troika die nächste Tranche des Hilfspaketes tatsächlich von zusätzlichen Einsparungen in Höhe von 300 Millionen Euro im Gesundheitswesen und den Renten abhängig. Eine Maßnahme, die mal wieder Mittel-und Geringverdiener besonders hart traf und vollkommen irrelevant war. Die Misere Griechenlands wird nicht durch zusätzliche Einsparungen in Höhe von 300 Millionen Euro entschieden. Mittlerweile sollte eigentlich klar sein, dass es mit sparen nicht getan ist und die Länder zusätzlich Wachstum brauchen. Stattdessen wird aber auch noch vollkommen planlos „gespart“. Vermutlich ein weiterer kläglicher Versuch Zeit zu kaufen und die Märkte zu beruhigen. Und das nur, damit Merkel der deutschen Bevölkerung erzählen konnte, Griechenland würde für sein Geld, das es vom Steuerzahler „geliehen“ bekommt, auch hart arbeiten.

Aber das war nur die Spitze des Eisberges. So wollten die Regierungen Europas den Schuldenschnitt Griechenlands in Höhe von rund 75 Prozent tatsächlich als freiwillig verkaufen. Nur damit Griechenland nicht von den Ratingagenturen als pleite eingestuft werden würde und die Kreditausfallversicherungen (CDS`s) nicht greifen. Selbst Commerzbank-Chef Blessing konnte sich da nicht die Bemerkung verkneifen, dass dieser Schuldenschnitt so freiwillig sei „wie das Geständnis bei der spanischen Inquisition“ im Mittelalter. Die Idee war eine bodenlose Unverschämtheit. Immerhin galt der Schuldenschnitt am Ende durch eine Klausel in den griechischen Anleihen doch noch als zwanghaft, weswegen das Land aber auch als pleite von den Ratingagenturen eingestuft wurde. Den Schuldenschnitt als freiwillig deklarieren zu wollen, war aber ohnehin keine gute Idee. Denn was denken sich dann die Gläubiger von Italien, Spanien oder Irland, die CDS`s für ihre Staatsanleihen halten? Diese Versicherungen würden im Falle eines „freiwilligen“ Haircuts in diesen Ländern nämlich nicht greifen. Das hat zur Folge, dass Investoren, Fonds und Banken ihre Anleihen von den PIIGS abstoßen, selbst wenn sie für jene CDS`s halten. Die freuen sich aber zumindest darüber, dass die Euro-Staaten einander Geld geben, das dann direkt an die Gläubiger weitergeleitet wird. Im Grunde ist das Rettungspaket für Griechenland keine Rettung, denn im Endeffekt ändert sich für das Land nur eines: Nämlich dessen Gläubiger. Von Banken, Versicherern und Fonds zur EZB, dem IWF und zu den Euro-Staaten. Griechenlands Bankrott wird damit nur hinausgezögert. Wenn das Land einfach umschulden würde, müsste es sofort die Ausgaben auf ein bezahlbares Maß drücken, denn Geld drucken kann es nicht. Durch das Rettungspaket bekam Griechenland mehr Zeit für Kürzungen und Reformen. Doch die Daueralimentierung hat die Regierung bequem werden lassen. Die Reformen wurden nur halbherzig angepackt. Jetzt braucht das Land ein zweites Paket und wenn das so weiter geht auch noch ein drittes und viertes. Das geht dann solange bis alle griechischen Schulden in öffentlicher Hand sind und die Verluste, die bei einer Pleite entstehen werden, tragen dann nicht mehr die, die Griechenland das Geld ursprünglich liehen, sondern die anderen Euro-Staaten und damit deren Bevölkerung. Denn wenn Griechenland jemals wieder auf die Beine kommen will, wird es den Staatsbankrott anmelden müssen; eine knallharten 100 Prozent-Schuldenschnitt für alle Gläubiger. Die Idee, dass Griechenland Schulden in Höhe von 120 Prozent des BIP tragen könnte, ist dagegen illusorisch. Schulden in dieser Höhe kann gerade noch Italien tragen. Aber das kann man immerhin als Industrienationen bezeichnen und es war bis vor kurzem noch ein G8-Mitgliedsland. Mittlerweile ist auch nicht mehr ganz klar, wieso Griechenland nicht endlich seine Schulden erlassen werden sollen. Dann könnte es sich zumindest die Zinszahlungen sparen und das Geld anderswo sinnvoller investieren. Umso länger man den Bankrott versucht hinauszuzögern, umso höher werden auch die Verluste ausfallen, die die Geber-Staaten und damit der Steuerzahler verkraften muss. Denn jeder Cent, der jetzt noch nach Griechenland fließt, ist unwiderruflich weg. Zwar beschwören viele Politiker die Ansteckungseffekte bei einer Insolvenz Griechenlands, doch die europäischen Finanzinstitute haben ihre Forderungen längst abgeschrieben und hatten ausreichend Zeit, sich für einen Kreditausfall zu wappnen. Der Staatsbankrott wäre die ehrliche Antwort auf die jetzige Situation. Doch die Politiker wollen anscheinend keinesfalls für Verluste verantwortlich gemacht werden, obwohl diese unvermeidlich sind; früher oder später. Auf Deutschland käme bei einem Bankrott Griechenlands zwar ein Schaden von rund 70 Milliarden Euro zu. Aber das wäre immer noch besser, als Griechenland jetzt noch den zweiten Hilfskredit in Höhe von mindestens 120 Milliarden Euro auszuzahlen, den man dann auch nicht zurückbekommen würde. Gefährdet wären wohl nur die griechischen Institute. Für sie wurde ein zusätzlicher Kapitalbedarf in Höhe von rund 30 Milliarden Euro errechnet, die sie im Falle einer Pleite des Landes bräuchten. Im Vergleich zum Volumen des geplanten zweiten Hilfspaketes der Euro-Länder aber eine kleine Summe. Und die würde man eventuell sogar wiedersehen.

Ebenfalls wenig Sinn erkennen ließ der Vorschlag, für Griechenland ein Sparkonto zu eröffnen. Auf das sollte dann Geld aus dem griechischen Etat fließen, damit die Griechen auch immer ihren Zinszahlungen nachkommen würden und die internationalen Kreditgeber beruhigt werden. Damit hatten es „Merkozy“ mal wieder geschafft, Griechenland zu demütigen und die Liste der sinnlosen Vorschläge für die Griechenlandrettung, nach möglichem Inselverkauf und gehisste Flaggen vor dem EU-Parlament auf Halbmast herabzusetzen, um einen Punkt erweitert. Welches Geld sollte bitte auf dieses Konto fließen? Griechenland war und ist im Prinzip pleite und bedient die Schulden so gut es kann. Es musste ja nicht grundlos EU-Hilfen in Anspruch nehmen. Wieso sollte die griechische Regierung dann also Geld auf ein Extra-Sparkonto transferieren? Als ob die Griechen vorher nicht versucht hätten, ihre Schulden zu bezahlen und durch das Sparkonto erst dazu verpflichtet werden würden, endlich den Forderungen der Kreditgeber nachzukommen. Es war im Grunde der Versuch einem nackten Mann in die Tasche zu greifen. Wie glaubwürdig sollte es auch nach Merkels Vorstellung sein, wenn ein bankrotter Staat ein Sparkonto für seine Kreditgeber eröffnet? Wenn man Schulden, aufgrund fehelenden Einkommens, bei der Bank hat, kann man natürlich ein zweites Konto eröffnen, auf das dann auch kein Geld fließt. Ob die Bank dann beruhigter sein würde? Unwahrscheinlich.

Diesem Vorschlag ging der Ruf nach einem Sparkommissar voraus. Der hätte dann die Regierung bei ihren Reformbemühungen überwacht. Nur scheitert Griechenlands Haushaltskonsolidierung nur bedingt an der Regierung, die sowieso schon von der EU-Kommission überwacht wird. Man hätte also nicht einen Sparkommissar nach Griechenland schicken müssen und auch nicht zwei. Wenn die Euro-Staaten Griechenlands Reformbemühungen mit zusätzlichen Kontrollen hätten intensivieren wollen, hätten sie einen ganzen Verwaltungsapparat schicken müssen; nicht aber einen einzelnen Sparkommissar. Der macht auch nichts anderes, als der Finanzminister: Nämlich die Ausgaben auf Druck von Merkel auf ein Minimum zusammenzustreichen. Die Maßnahmen der Regierung scheitern ja nicht nur an ihr selbst. Sie scheitern an denen, die sie direkt umsetzen: An einem maroden und korrupten Beamtenapparat.

Genauso verschwendet wie weitere Hilfen für Griechenland wären zusätzliche „Rettungspakete“ für Portugal. Das Land muss ebenfalls umschulden, denn es kann keine Schulden in Höhe von 103 Prozent des BIP bei einer schrumpfenden Wirtschaft abtragen. Auch hier ist jeder Euro aus öffentlichen Geldern ein verlorener Euro. Allerdings wäre der Staatsbankrott Portugals risikoreicher, als der von Griechenland. Deutsche Banken halten Anleihen im Nominalwert von 18 Milliarden Euro des Landes, ebenfalls ein großer Gläubiger ist Fonds uns Investoren aus Spanien. Die müssten bei einem Zahlungsausfall wohl vom Rettungsschirm aufgefangen werden. Kontraproduktiv war da aber schon wieder die Äußerung der Politiker, dass Griechenland ein „Sonderfall“ sei. Bei einem Schuldenschnitt von Portugal könnten Anleger das so verstehen, als wären die Aussagen der Politiker nichts wert und als nächstes wäre womöglich noch ein Cut für Irland oder gar Spanien angesetzt. Dennoch sind größere Ansteckungseffekte unwahrscheinlich. Die meisten Marktteilnehmer haben Portugal längst gegessen und sich mit einem Schuldenschnitt bereits abgefunden. So hält es der einflussreiche Pimco-Chef El-Erian für unvermeidlich, dass Portugal zum zweiten Griechenland wird. Eine große Überraschung sollte der Schuldenschnitt, der auch bei 100 Prozent liegen müsste, keine Überraschung mehr sein. Es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass die Politik nicht zu ihren Aussagen steht.

Probleme erkennen

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Um diese Krise zu lösen, müssten die europäischen Regierungen endlich begreifen, was die Ursachen für diese Krise sind und wo jetzt die Probleme liegen. Als erstes gilt es da zu begreifen, dass die Schulden der Staaten zwar zu hoch sind, aber dass diese Krise eben doch keine Staatsschuldenkrise ist, sondern eine Währungs-und Institutionenkrise. Die hohen Schulden sind dabei nur Ausdruck dieses viel tiefergehenden Problems. Der Begriff Euro-Krise trifft also durchaus zu. Wieso eine Währungskrise? Vor der Einführung des Euros konnten die einzelnen Staaten einfach ihre Währung abwerten, wodurch die eigenen Produkte billiger wurden und im In-und Ausland wieder öfter gekauft wurden. Seit der Einführung des Euros gelangten Staaten und Banken, ganz besonders aus Südeuropa, aber sehr einfach an Geld.

Die Banken verliehen das unter anderem an die Euro-Staaten, insbesondere Portugal und Griechenland. Die machten ein Fass auf und verteilten das Geld mit vollen Händen. Durch den starken Konsum, aber die viel zu geringe Produktivitätssteigerung in den vorwiegend südeuropäischen Staaten, stiegen die Preise und Löhne. In Griechenland verteuerten sich Produkte seit 1995 um über 60 Prozent, in Spanien um rund 50 Prozent, ähnlich sieht es auch in Italien und Portugal aus. In Deutschland wurde dagegen gerade mal ein Anstieg von knapp zehn Prozent verzeichnet. Das hat nun zur Folge, dass niemand aus dem Aus-und Inland mehr die Produkte aus Südeuropa kaufen will oder in diese Volkswirtschaften investiert. Das Ergebnis: Export-und Investitionseinbruch. Das führt wiederum zu mehr Arbeitslosigkeit und der nicht abnehmenden Privatverschuldung. Wenn das früher das Problem war, wurde einfach abgewertet. Das machte den Verkauf einheimischer Produkte billiger, führte folglich zu Exportüberschüssen, aber auch der steigenden Nachfrage nach eigenen Produkten im Inland. Ausländische Produkte wurden durch die hohen Importpreise teurer. Dies führte dann auch wieder zu Investitionen aus dem Ausland, denn die wurden wegen der billigen Währung ebenfalls günstiger.

Aufgrund des Euro ist die Abwertung zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit aber nun nicht mehr möglich. Die Staaten müssen sich nach einer Alternative umsehen und die lautet Lohnkürzungen. Denn wenn die Löhne sinken, können die Produzenten ihre Produkte billiger verkaufen, derselbe Effekt wie bei der Abwertung tritt ein und somit sind die Länder wieder wettbewerbsfähig. Da entsteht natürlich die Frage, wieso die Wirtschaft sich in den südeuropäischen Ländern immer noch in einer starken Rezession befindet, obwohl der Staat eisern spart: Durch die gesunkene Nachfrage nach Produkten aufgrund der hohen Abgaben, die der Staat mittlerweile von seinen Bürgern verlangt, sind die Preise für Produkte bereits zurückgegangen. Zusätzlich haben die Arbeitgeber ihren Angestellten die Löhne gekürzt, da die einheimischen Unternehmen weniger verkaufen und ebenfalls höhere Abgaben leisten müssen. Nur sind die Löhne noch lange nicht stark genug gesunken, damit die Länder wieder wettbewerbsfähig wären. Besonders stark trifft das auf Griechenland und Spanien zu. Ein Grund dafür ist unter anderem, dass die Löhne brutto zwar schon um rund 12 Prozentpunkte in den letzten Jahren gesunken sind, netto allerdings noch deutlich stärker. Das bedeutet, dass die Arbeitgeber immer noch deutlich zu hohe Löhne zahlen. Nur müssen die Arbeitnehmer diese hohen Einnahmen später wieder an den Staat abgeben. Da auch die Unternehmen enorm hohe Abgaben leisten müssen, können die nicht mehr investieren oder neue Arbeitsplätze schaffen, sie müssen sogar Stellen streichen. Leichter wäre es, ausschließlich die Brutto-Löhne zu senken: Die Arbeitgeber kürzen ihren Angestellten einfach die Löhne und können so im Gegenzug ihre Produkte billiger anbieten. Derselbe Effekt wie bei der Abwertung wäre erreicht. Nur hat das einen Nachteil: Die Löhne in Griechenland müssen nicht nur um ein paar Prozentpunkte fallen, damit das Land wieder wettbewerbsfähig wäre, sondern um ca. ein Drittel. Zehn bis 20 Prozent müssten die Lohnstückkosten auch in Spanien und Italien sinken. Derartig starke Einschnitte würde die Bevölkerung nicht verkraften; die sozialen Unruhen würden sich in bisher nicht gekanntem Ausmaß verschärfen, der Abschwung würde so noch zunehmen. Und allein die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen würde ohnehin nicht reichen.

Die Instituionenkrise ist der zweite Teil des Problems. Das trifft besonders Griechenland und Italien. Korruption und ein behäbiger Beamtenapparat können alle Spar-und Reformbemühungen zu Nichte machen. Ein gutes Beispiel hierfür ist, dass in Griechenland die Steuerbehörden nicht einmal über Computer verfügen. Stattdessen herrscht in den Büros eine unübersichtliche Zettelwirtschaft. Hier besteht eindeutig Handlungsbedarf, denn wenn die Staaten nicht endlich ihre Steuern eintreiben, werden sie ihre Staatsfinanzen niemals in den Griff bekommen. Genau dasselbe gilt für die Bereiche der Verwaltung: In Nordeuropa ist eine Unternehmensgründung eine Sache von ein paar Stunden, in Italien oder Griechenland dauert sie Wochen, manchmal gar Monate. Dutzende Stellen müssen Firmengründungen erst untersuchen und absegnen.

In Italien gibt es außerdem ein weiteres Problem: Verwaltung und Mafia wollen an allem mitverdienen. Wer eine Autobahn zwischen Rom und Sizilien bauen will, der quert Mafia-Gebiet und muss erst einmal ordentlich schmieren. Unter solchen Bedingungen werden sich ausländische Investoren niemals in diese Länder wagen. Premier-Minister Monti hat auf diesem Gebiet bereits Reformen angekündigt. Wie und wann die erfolgen sollen und woher das Geld genommen werden soll, ist aber nach wie vor ungeklärt.

Die Institutionenkrise betrifft aber nicht nur die Verwaltung, wenn auch die in besonders schwerem Maße und im Moment ist sie der Schwerpunkt der Probleme. Sie betrifft die Politiker, die sich ihre Wähler jahrelang mit teuren Geschenken erkauft haben und teilweise selbst jetzt noch nichts an dieser so traditionsreichen und altbewährten Praxis ändern wollen. Sie betrifft die Parlamente im Süden, die niemals die Schulden, die sie zukünftigen Generationen hinterlassen werden, bedacht haben und jedwede Verschwendung mittrugen. Sie betrifft die EZB, die ihre Statuten nach und nach abgibt, die Bankenaufsicht und die Finanzpolitiker, die vor der Krise eine stärkere Kontrolle der Banken ablehnten und ihren Aufgaben nicht zuverlässig nachkamen und sie betrifft nicht zuletzt auch die finanziell starken Länder, allen voran aber Deutschland. Denn das änderte die Maastricht-Regeln als sie ihm unangenehm wurden. Jetzt zwingt Merkel Südeuropa einen gnadenlosen Sparkurs auf. Und es verweigert nach wie vor seine Führungsrolle: Deutschland hat noch immer nicht begriffen, dass die Lösung dieser Krise in ganz besonderem Maße auch in seinen Händen liegt.

Durch all diese Missstände steigen natürlich die Staatsschulden. Doch dabei müssen die Politiker Europas vorsichtig sein, denn eben jene steigende Staatsverschuldung verführt zu einem schwerwiegenden Trugschluss. Die hohe Staatsverschuldung bereitet vor allem Griechenland Probleme. Portugal ist zwar auch betroffen, aber dort ist, genau wie in Spanien und Irland, ein ganz anderes Problem ausschlaggebend: Die hohe Privatverschuldung. Spanien hatte bis zur Finanzkrise Schulden von 40 Prozent des BIP und steht selbst jetzt noch besser da als Deutschland. Irlands Schulden sanken vor der Krise auf ungekannte Tiefen, auch Portugals Schulden sind erst in der Krise explodiert und Italien schleppt seinen Schuldenberg schon seit 30 Jahren mit sich rum, in Zahlungsschwierigkeiten kam es aber bis zu den EZB-Anleihekäufen nie. Es sind die Bevölkerung und die Unternehmen, die in diesen Staaten besonders unter ihren Schulden leiden. Vor der Krise gab es einen beispiellosen Boom, entfesselt durch billige Kredite von Banken, alles schien möglich: Die Unternehmen hebelten ihr Kapital, Mittelständler und Geringverdiener konsumierten wie nie zuvor, kauften Autos und Häuser, alles bezahlt auf Pump mit billigen Krediten von den Banken, die sich ihrerseits wieder billiges Geld an den Kapitalmärkten liehen. Mit Ausnahme der griechischen Banken ist die Finanzindustrie in Südeuropa, aber auch in Deutschland, enorm hoch verschuldet. In der Finanzkrise gerieten der Finanzsektor und die Unternehmen aber unter Druck. Sie zogen ihre Kredite ab, fuhren Investitionen zurück und entließen Angestellte. Die Immobilienblasen in Portugal, Spanien und Irland platzten daraufhin und jetzt sitzen die Menschen auf gigantischen Schuldenbergen und haben noch nicht einmal Arbeit, um ihre Schulden abzutragen. Das schadet wiederum den Gläubigern, hauptsächlich Banken. Jene sitzen jetzt auf wertlosen Immobilien-Papieren und bekommen ihr verliehenes Geld nicht zurück. Ohne Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung wird es erst einmal keine neuen Arbeitsplätze geben. Aber ohne die werden die Menschen in Südeuropa nicht ihre Schulden abtragen können. Das hätte zur Folge, dass Konsum und Investition noch über Jahre hinweg stagnieren oder gar zurückgehen würden.

Es ist ein schwerwiegender Irrtum, dass der Euro die Staaten zu hemmungsloser Schuldenmacherei verführt hat. Allein Griechenland hat nach der Einführung der Gemeinschaftswährung massiv neue Schulden angehäuft, dort waren die Schulden allerdings auch schon vor dem Beitritt in den Euro riesig. Es ist hauptsächlich die Privatverschuldung, die den Ländern jetzt so Schwierigkeiten bereitet. Der stellvertretende Chef-Redakteur des Manager-Magazins Henrik Müller resignierte schon fast: „Möglich, dass der Euro am Ende doch noch an der Hellas-Fixierung scheitert - einfach weil Europa aus dem Sonderfall Griechenland die falschen Schlüsse zieht.“

Die Staatsschulden sind trotzdem ein weiteres großes Problem in der Euro-Zone, wenn auch nicht das entscheidende. Der Ökonom Kenneth Rogoff hat errechnet, dass ab einer Staatsverschuldung von 90 Prozent des BIP das Wachstum erlahmt und die Gefahren von Staatsbankrott und Rezession stark ansteigen. Die Euro-Staaten müssen von ihren Schulden runter, mindestens sollten sie aber gesenkt werden. Das würde Investoren den Willen zeigen, dass die Euro-Staaten dem Problem der Staatsverschuldung entgegentreten. Aber um das deutlich zu machen, reicht es nicht aus, einfach die Defizite zu verkleinern. Man muss schon die bestehenden Schulden verringern, nicht nur die Neuverschuldung senken. Seine Staatsschulden muss aber nicht nur der Süden senken, sondern auch Österreich oder die Niederlande. Im Grunde alle Länder, die die Maastrichter Schuldenobergrenze von 60 Prozent des BIP überschreiten, somit auch Deutschland, das mit 81 Prozent des BIP bereits gefährlich viele Schulden aufgetürmt hat. Dessen geringes Defizit ist eher den momentan sprudelnden Steuereinnahmen und den geringen Renditen auf seine Bonds zu verdanken, weniger dagegen der soliden Haushaltsführung. Ein geringes Defizit sollte Deutschland jetzt nicht zu leichtfertigen Ausgaben wie Steuersenkungen verleiten. Durch zusätzliche Ausgaben ist noch kein so gefährlich großer Schuldenberg gesenkt worden.

Weitere Rettungspakete für andere Staaten erhöhen aber nur die Staatsverschuldung der Geberländer. Und sie senken auch nicht die Verschuldung der Empfänger. Wenn Staaten anfangen zu sparen, wäre es sinnvoll, wenn sie als erstes sinnlose Ausgaben streichen, nach dem Prinzip: Möglichst wenig Betroffene, möglichst viele Einnahmen, möglichst wenig negative Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft. Massives Kürzen von Sozialleistungen in den Bereichen Bildung, Gesundheitswesen und Infrastruktur ist da zumeist der falsche Ansatz, gerade weil das wieder zu sozialen Unruhen führt und es den Großteil der Bevölkerung stark unter Druck setzt. Gebiete in denen man besser überhaupt keine Kürzungen vornimmt, sind Zukunftsinvestitionen, wie zum Beispiel Bildung und Infrastruktur. Nach Möglichkeit sollte man diese Budgets sogar noch erhöhen.

Griechenland hat aber noch ein ganz anderes Problem: Sämtliche Kürzungen in Griechenland werden nur unzureichend umgesetzt. Deswegen könnte das Land auch einfach neue Steuern einführen. Die Erhöhung der Mineralöl-Steuer war eine der wenigen nützlichen Sparmaßnahmen, denn sie traf alle Bewohner des Landes, weil man sich ihr nicht durch Bestechung oder Steuerhinterziehung entziehen kann. Zusätzliche Einnahmen sind praktisch garantiert. Genauso eine einfache Einnahmequelle wäre eine Erhöhung der Bankensteuer auf europäischer Ebene, anstatt einer Finanztransaktionssteuer, die vor allem den Banken und Kleinsparern schadet. Von den Schulden werden die Staaten aber trotz allen Sparanstrengungen nicht ohne Wachstum runter kommen, und schon gar nicht mit ein paar Anleihekäufen von Staatsfonds aus Fernost und Arabien.

Die bösen Guten

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Häufig lenken Politiker aber vom Problem der hohen Staats-und Privatschulden ab. Die sind weitgehend von den Schuldnern selbst verursacht. Aber Politiker versuchen gerne andere für ihr Versagen verantwortlich zu machen, nicht selten werden die Gläubiger zum Ziel. Derweil sollte aber eigentlich klar sein, dass sich die Politiker dieses Schlamassel selbst eingebrockt haben. Dennoch finden sich immer wieder „Experten“ und Politiker, die irgendwelche „Zockerbanden“ (Sarah Wagenknecht), Ratingagenturen oder die ominösen Märkte für die Misere zur Verantwortung ziehen wollen. Die Märkte sind derzeit aber nur der Spiegel der Handlungsweise der Politik: Chaotisch und unvorhersehbar. Dank der EZB Intervention hatten sich die Märkte, wer sie nun auch immer sein sollen, für ein paar Monate allerdings schon wieder beruhigt. Es war eine trügerische Ruhe, denn die EZB hatte nur Zeit gekauft, keine Probleme gelöst. Die Märkte neigen zwar dazu, über zu reagieren oder Gefahren zu übersehen, wie vor dem Ausbruch der Finanzkrise. Dennoch spiegeln die Märkte die Situation im Moment mehr oder weniger genau wieder, ähnlich ist es mit den Ratingagenturen.

Die Ratingagenturen kann man verantwortlich für ihr Versagen vor dem Ausbruch der Finanzkrise machen. Damals bewerteten sie spekulative Anlagen mit Bestnoten. Dennoch sind die Ratingagenturen weder die allein Schuldigen für die Finanzkrise, noch für die jetzige Krise. Es waren schließlich die Politiker, die jedes Maß für Staatsverschuldung und Wirtschaft verloren. Außerdem sind die Ratingagenturen nicht die einzigen Unternehmen, die Analysten beschäftigen. Jede international tätige Bank, Versicherung, Firma und jeder Fonds beschäftigen eigene Analystenteams, die die Staaten bewerten. Auch ist es unwahrscheinlich, dass die Refinanzierung der Länder einfacher werden würde, wenn es die drei großen Rating-Agenturen Moody`s, Standard and Poor`s und Fitch nicht gäbe. Die Agenturen sagen schließlich nur das, was alle schon lange sehen können. Auch ohne die Herabstufung Griechenlands und Portugals auf Ramsch-Niveau, würde kaum jemand die Anleihen von diesen Staaten kaufen, die de facto pleite sind. Und auch eine europäische Ratingagentur würde an der Situation nichts ändern können. Sie wäre zum einen nicht etabliert und hätte somit ein Glaubwürdigkeitsproblem. Zum anderen würden ihre Ratings wohl nicht anders ausfallen, wie die von Fitch, S&P oder Moody`s. Schwer vorstellbar, dass eine neue Ratingagentur beim Haircut von Griechenland anders entschieden hätte, als Griechenland auf pleite zu setzen.

Und zuletzt sind da ja noch besagte „Zockerbanden“. Die sind Spekulanten, die beispielsweise auf wirtschaftlichen Abschwung in Europa, Pleiten von Eurostaaten oder sogar gleich auf das Auseinanderbrechen der Währungsunion setzen. Dabei versuchen sie zum Beispiel durch gezielte Anleiheattacken auf den Märkten die Zinsen für Euro-Staatsanleihen in die Höhe zu treiben oder sie kaufen CDS´s, bringen Staaten und Banken ins Gerede und tätigen Termingeschäfte. Die Spekulanten haben also durchaus die Möglichkeit, die Probleme bei der Refinanzierung von Staaten zu verschärfen. Aber sie haben auch einen unschätzbaren Vorteil: Sie und der Rest der Märkte sind Merkels effektivste Waffe Schuldensünder zu bestrafen. Denn wenn die nicht ordentlich sparen, wird das von den Märkten mit Zinsaufschlägen und Misstrauen bestraft. Sie verfügen über scharfe Disziplinarmaßnahmen für Staaten, die ihren Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkommen oder in Zukunft nicht nachkommen könnten. Diese eigentlich positiven Effekte mit der EZB außer Kraft zu setzen, ist ein gravierender Fehler.

Dass die Märkte den Euro zum Einsturz bringen könnten, ist im Prinzip ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst mit zweistelligen Milliardenverkäufen von Euros auf den Devisenmärkten ließe sich der Wert der Währung nur bedingt schmälern. Mit Attacken gegen den Euro lässt sich also nur schwer das große Geld machen. Und auch die Zinsaufschläge können nur bedingt durch Anleiheattacken beeinflusst werden, es sind einfach schon zu viele Anleihen auf dem Markt, als dass ein paar gezielte An-und Verkäufe gravierende Folgen verursachen könnten. Es gab zwar schon einmal einen sogenannten „Flash Crash“ an der Börse, also einen besonders schweren Einsturz der Kurse. Doch es benötigte Milliardenverkäufe eines Hedgefonds, dem dann weitere folgten, um das Chaos auszulösen. Und durch neue Vorkehrungen ist ein weiterer Vorfall zudem erschwert worden. Auch Attacken gegen Währungen sind natürlich nicht von vorne herein schon zum Scheitern verurteilt: Die Währungsattacke von Hedge-Fondsmanager George Soros und einigen weiteren Spekulanten gegen das britische Pfund war erfolgreich und machte Soros zum Milliardär. Doch ist der Euro eine deutlich größere Währung, als das britische Pfund und deswegen auch viel schwerer zu beeinflussen. Zumindest jene Spekulanten, die mit Devisen und Staatsanleihen handeln, sind keine Krisenverursacher. Sie suchen nach wirtschaftlichen und politischen Missständen und Fehlentwicklungen in der Welt. Wenn sie jene gefunden haben, versuchen sie daran zu verdienen, indem sie die Erkennung der Fehlentwicklung auf den Märkten beschleunigen. Das hat auch sein Gutes für die Allgemeinheit. Eine frühe Fehlentwicklung ist viel einfacher zu beseitigen als eine spät erkannte. Sobald allen klar wird, was schief gelaufen ist und der Herdentrieb von Anlegern und Investoren einsetzt, können sich die Spekulanten über den Geldsegen freuen. Sie haben die Probleme also nicht verursacht, sie haben die Probleme durch ein paar Spekulationen lediglich verschärft und die Folgen haben somit früher eingesetzt. Ohne die Spekulationen wären die Missstände wahrscheinlich später entdeckt worden, aber sie wären entdeckt worden

Ist die Euro-Zone schon am Ende? Lösungsansätze für den Euro

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Die Euro-Zone hat fast unendlich viele Probleme. Doch die gute Nachricht lautet: Sie sind lösbar; zumindest in der Theorie. Die Institutionenkrise ist langfristig gesehen das größte Problem von Italien und Griechenland. Das Anhäufen von Schulden lässt sich mit politischem Wille, Fiskalpakt und engerer Zusammenarbeit auf europäischer Ebene in Zukunft noch relativ leicht verhindern. Schwieriger wird dagegen der Kampf gegen Korruption, die marode und teure Verwaltung und den unflexiblen Arbeitsmarkt. Der Staat muss dazu viele Beamte entlassen und den Arbeitsmarkt liberalisieren. Diese Maßnahmen umsetzen konnte Griechenland in den letzten Jahren aber nur sehr bedingt. Und die Seilschaften sind in Griechenland so stark, dass deren Eindämmung wohl Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, dauern wird. In der Krise ist die Korruption das einzige, was sich als absolut standfest erweist, lediglich die Höhe der Bestechungssummen ist gesunken. Ob verschärfe Anti-Korruptionsgesetze helfen würden, ist fragwürdig. Was bringen Gesetze, wenn die Straftaten gar nicht erfasst werden oder Steuerbehörde und Staatsanwaltschaft sich von den Betrügern kaufen lassen? Die Korruption betrifft schließlich alle Teile der Gesellschaft: Reiche, Politiker, Beamte, Arbeiter, Unternehmer und Rentner. Auch was gegen die Steuerhinterziehung getan werden kann, ist bisher unklar. Man bräuchte für eine effektive Bekämpfung eine funktionierende Verwaltung und die hat das Land nicht.

Dass aber nicht alle Reformversuche sofort zum Scheitern verurteilt sind, zeigt beispielsweise die Stadt Thessaloniki. Dort hat der Bürgermeister Jannis Boutaris den alten Zu-und Missständen den Kampf angesagt und schon erste Erfolge erzielt. Reichen wird das aber nicht. Ganz Griechenland wird neu strukturiert werden müssen und nicht alle Bürgermeister sind so reformbegeistert und bestechungsresistent wie Boutaris. Vielerorts hängt man noch an alten Zuständen.

In Italien sieht es nicht viel besser aus, Vetternwirtschaft und Korruption sind fester Bestandteil der Verwaltung und des Arbeitsmarktes. Eine härtere Bekämpfung der Mafia könnte hier helfen. Griechenland und Italien müssen zudem Ministerien auflösen, die den Arbeitsmarkt, Auslandsinvestitionen und Reformen in der Infrastruktur lähmen, auch Spanien und Portugal haben einen zu unflexiblen Arbeitsmarkt. Dabei ist eben genau jener ein sehr gewichtiger Faktor für die Entwicklung einer Volkswirtschaft. Ein flexibler Arbeitsmarkt wie in Deutschland oder den Vereinigten Staaten ist für die Euro-Staaten essentiell, wenn sie auf lange Sicht wieder erfolgreich sein wollen. Genauso unverzichtbar werden eine funktionierende und unbestechliche Verwaltung sein. Zumindest auf den Gebieten Arbeitsmarkt, Verwaltung und Korruption haben aber alle Staaten schon Maßnahmen ergriffen: Die Arbeitsverträge wurden gelockert, die Behörden sollen weiter verkleinert und die Hürden für Firmengründungen herabgesetzt werden.

Natürlich ist es vorstellbar, dass all die angesetzten Reformen auch umgesetzt werden. Doch die Unterschiede zwischen Krisenstaaten wie Griechenland und Italien und soliden Ländern wie Deutschland oder Österreich existieren seit Jahrzehnten; unwahrscheinlich, dass sie jetzt in ein paar Monaten beseitigt werden können. So biss sich Premierminister Mario Monti am Kündigungsschutzgesetz erst wieder die Zähne aus.

Die nächste große Hürde im Kampf gegen die Krise sind die hohen Lohnstückkosten in Südeuropa. Die Löhne in Griechenland sind 35 Prozent zu hoch, die in Spanien 15 Prozent und in Italien und Portugal sieht es nicht besser aus. Das Kürzen dieser Löhne auf einen Schlag aber ist nicht möglich: Der Mittelstand würde aufgelöst werden, schwere soziale Unruhen stünden bevor. Die Löhne und Preise sind in den letzten beiden Jahren in den PIIGS aus zwei Gründen gesunken: Wegen der niedrigen Nachfrage und wegen der hohen Abgaben an den Staat, der irgendwie seinen Haushalt sanieren muss, haben die Arbeitgeber sie gekürzt. Die bisherigen Senkungen haben insbesondere in Griechenland zu Protesten geführt und die Rezession so eher noch verschlimmert. Die neuen zusätzlichen Belastungen für die Bürger waren zu schwer. Wenn aber solche Kürzungen auf einen Schlag nicht machbar sind, könnten die Staaten etwas anderes versuchen: Sukzessive Lohnkürzungen. Jedes Jahr um einen bestimmten Prozentwert des momentanen Gehaltes die Löhne sinken lassen. Bei Kürzungen der Löhne um vier Prozent jedes Jahr, wäre Griechenland in sieben bis zehn Jahren wieder wettbewerbsfähig. Aber auch diese Einschnitte sind immer noch sehr stark. Die Lohnstückkosten können aber nicht nur durch niedrigere Löhne gesenkt werden, zusätzlich könnte man noch die Produktivität steigern: Die Südländer müssten mehr und länger arbeiten und sie würden einem höheren Wettbewerb ausgesetzt werden. Mit langfristigen Förderungen in der Wirtschaft aus dem ESM, der Investitionsbank und dem EU-Strukturfonds könnte eine zusätzliche Senkung der Lohnstückkosten erzielt werden.

Sollten die Löhne noch weiter gekürzt werden, müsste jedoch sicher gestellt sein, dass lediglich die Arbeitgeber die Löhne der Angestellten senken. Dann könnten sie auch die eigenen Produkte günstiger anbieten. Zusätzliche Abzüge vom Gehalt durch den Staat sind dagegen kontraproduktiv, weil die Belastung der Arbeiter dann wieder zu stark ansteigt. Die Nachfrage bricht in der Folge noch weiter ein, in dessen Folge auch die Steuereinnahmen sinken würden.

Die Lohnkürzungen haben aber einen Nachteil: Selbst mit Produktivitätssteigerung durch Konjunktur-und Strukturmaßnahmen wird Griechenland nicht morgen schon wieder wettbewerbsfähig sein. Es wird Jahre dauern und wenn die Strukturmaßnahmen nicht durchschlagen, wird es auch mit Wachstum und Lohnsenkungen schwieriger. Die Privatverschuldung wäre ebenfalls vorerst noch schwerer zu bekämpfen, wenn die Menschen weniger Geld zur Verfügung hätten. Und auch das hohe Haushaltsdefizit wäre erst einmal nicht ausgeglichen. Man könnte die südeuropäischen Unternehmen in den nächsten Jahren natürlich so stark fördern, dass die Wirtschaft schneller wächst, als das Haushaltsdefizit. Dies würde bedeuten, dutzende Milliarden innerhalb von Monaten in die Wirtschaft dieser Länder zu pumpen. Dass die Unternehmen aber dann nicht wieder anfangen, auf Pump zu leben und Reformen und Innovationen wieder vergessen, wie zu Beginn des Euro, ist äußerst wahrscheinlich. Zudem würden die Förderungen eben wieder auf die alten Strukturen der Südländer stoßen. Da würden sie dann womöglich in irgendwelchen Ministerien versickern oder bei ominösen Betrügern landen. Große Transfers würden die alten Strukturen folglich eher noch verfestigen, anstatt sie zu brechen. Ohne Förderungen wird es wohl aber auch nicht gehen, denn sonst stürzen die PIIGS endgültig in die Rezession. Besonders Spanien hat mir einer Arbeitslosenquote von 24 Prozent fast keine Alternative zu wachstumsfördernden Maßnahmen, jedoch nicht in Form von teuren Konjunkturpaketen, die ohnehin nur einen kurzfristigen und sehr zweifelhaften Nutzen haben. Nur Sparen wird aber auch kaum reichen. Die Strukturreformen und Lohnstückkostensenkungen sind langfristig entscheidend, um den Ländern wieder auf die Beine zu helfen und auf ihnen sollte auch das Hauptaugenmerk liegen. Nur was bringen alle langfristigen Maßnahmen, wenn der Staat droht jetzt abzustürzen? Hier steckt Merkel, die bisher auf einem strikten Sparkurs setzte, in einer Zwickmühle. Deutschland könnte dem Süden aber auf eine andere Art entgegen kommen: Wenn die Löhne in Deutschland steigen, verringert sich der Abstand zwischen Nord-und Südeuropa. Die Lohnsteigerungen sollten dabei aber keinesfalls so hoch ausfallen, dass sie auch die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährden. Das würde niemandem helfen. Gleichzeitig ist aber auch die Behauptung absurd, Deutschland hätte mit seinen Lohnzurückhaltungen diese Krise erst ausgelöst. Deutschland ist eine Industrienation und produziert High-Tech-Waren. Länder wie Portugal oder Griechenland sind dagegen auf dem Level eines Schwellenlandes und produzieren dementsprechend für einen ganz anderen Markt. Eine einseitige Lohnerhöhung in Deutschland würde folglich noch gar nichts bringen, weil Deutschland gar nicht mit Portugal oder Griechenland konkurriert. Deren Konkurrenz heißt China, Osteuropa oder Bangladesch.

Wenn die Schritte funktionieren sollten, würden durch die Strukturreformen und die wirtschaftsfördernden Maßnahmen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Und die sind unverzichtbar, wenn Unternehmen und Privatleute von ihren Schulden runter kommen wollen. Sie würden wieder regelmäßige Einkünfte haben, um die Schulden zu senken und gleichzeitig würden durch die höheren Löhne die Ausgaben des Staates sinken. Denn der müsste weniger Arbeitslosengeld zahlen und die Einnahmen würden durch die Besteuerung der Löhne sogar wieder steigen.

Die neuen Einnahmen werden aber kaum reichen, um dem Staat ausreichend neues Geld zu bescheren, um Geld in die Wirtschaft zu stecken oder in Bereiche wie Bildung und Infrastruktur zu investieren und gleichzeitig noch den Schulden und Zinsen nachzukommen. Dass die Geberländer weitere Rettungspakete nach bisherigem Muster hinterher schieben, ist aber auch keine Alternative. Wenn Griechenland und Portugal dagegen ihre Zahlungsunfähigkeit deklarieren würden, dann könnten sie sich die Zinszahlungen sparen und sich ausschließlich um die Ausgaben für die eigenen Bürger kümmern. Danach wären aber wohl noch zusätzliche Einsparungen nötig. Nicht jede Sparmaßnahme führt gleich zur Rezession oder zu sozialen Unruhen. Staaten haben die Möglichkeit Geld einzusammeln, ohne große Nachteile für die Bevölkerung zu verursachen: So hat der griechische Staat noch ausstehende Steuerzahlungen von rund 60 Milliarden Euro zu erwarten. Und in der Schweiz liegen schätzungsweise 250 Milliarden Euro griechischen Geldes. In Griechenland selbst sind es gerade mal 200 Milliarden Euro. Auch Italiener haben bei den Eidgenossen bereits große Summen gebunkert. Die Steuern darauf müssten nur noch eingetrieben werden. Das Geld liegt zwar in der Schweiz und anderen europäischen Steuerparadiesen, die USA zeigten aber eindrucksvoll wie sie mit den Mitteln einer Weltmacht ihr Geld auch in der fernen Schweiz eintreiben konnten. Die EU ist wirtschaftlich und bevölkerungsmäßig sogar noch größer als die USA. Hier sollte es ein leichtes sein, noch ausstehende Einnahmen einzutreiben. Nur müssten hierfür EU-Staaten wie Zypern oder Großbritannien mitziehen. Sie würden genauso ihre Vorzüge als Steuerparadies verlieren. Aber die Vorteile würden überwiegen, wenn man sich dagegen das Szenario einer Pleite der PIIGS anschaut. Gerade Zypern sollte leicht zu überzeugen sein, da es schon selbst bald auf Mittel aus dem Rettungsschirm angewiesen sein wird.

Ebenfalls eine Quelle, die bei Etatkürzungen nicht gleich die ganze Volkswirtschaft in Mitleidenschaft zieht, ist das Militär. Beim Rüstungsbudget wären Kürzungen so gut wie folgenlos. Denn an größere Auslandseinsätze ist im Moment kaum zu denken, an Angriffe auf die Euro-Staaten sowieso nicht. Ebenfalls zu den einfach erreichbaren Quellen zählt der in Griechenland und Italien übergroße Beamtenapparat. Mit dessen Verschlankung ließe sich viel Geld sparen. Nur gelingt in Griechenland nicht einmal mehr die eigentlich simple Entlassung von Beamten.

Eine bisher fast völlig ungenutzte Einnahmequelle sind die Reichen. Sie können Kürzungen besser verkraften, als der Mittelstand, auf dem die Demokratie ruht oder Geringverdiener, die sowieso keine zusätzlichen Abgaben verkraften können. Eine Erhöhung der Erbschaftssteuer auf besonders große Erbschaften, eine Anhebung des Spitzensteuersatzes oder die Einführung einer Luxus-oder Vermögenssteuer würden dauerhaft viel Geld in die Staatskasse spülen. Die neuen Einnahmen müssten dann nur noch sinnvoll eingesetzt werden. Oberste Priorität sollten dabei Bildung und Infrastruktur haben. Das würde der Bevölkerung zeigen, dass sie die Kürzungen nicht umsonst erträgt, sondern ihr alles wieder zu Gute kommt. Zudem würde das die Euro-Zone auf eine feste finanzielle Basis stellen und Investoren anlocken. Sinnlos sind dagegen die Euro-Rettungsschirme, denn sie zögern wenn überhaupt nur die Pleite eines Landes heraus. Es wäre sinnvoll ESM und EFSF in ihrer jetzigen Form aufzulösen, denn das Geld der Schirme kommt bloß den Gläubigern der Staaten zu Gute. Die sind größtenteils Banken. Die Banken könnten Ausfälle ihrer Anleihen ihrerseits nur schwer verkraften und würden bei ihrem Kippen eine erneute Bankenkrise auslösen. Deswegen wäre es sinnvoller das Geld direkt in die Banken zu stecken. Eine Re-Kapitalisierung der Banken ist sowieso schon lange überfällig. Ein Rettungsfonds für Banken baut zudem Vertrauen in die Wirtschaft auf. Je größer die bereitgestellte Summe, desto größer ist dabei die Sicherheit. Und so beteiligen sich die Banken nach Kräften auch selbst an den Verlusten, denn Staatshilfen sind bei Banken sehr unpopulär. Ihnen folgen häufig Kompetenzabgaben an den Staat und durch sie bekommen Befürworter einer schärferen Banken-Regulierung Auftrieb. Sogar nicht-Eurostaaten säßen bei der Bankenrettung mit im Boot, denn die müssten Verluste ihrer Banken, die Euro-Anleihen halten, selbst ausgleichen. Und das verliehene Geld würde man wahrscheinlich wiedersehen. Geld, das an wirtschaftlich und finanziell insolvente Staaten geht, wohl kaum.

In zweiter Linie könnte dann der Rettungsschirm auch mithilfe von einer unabhängigen Kommission gezielt die nötige Förderung der Wirtschaft in Südeuropa ergreifen. Und die Staaten würden bei Bedarf einfach umschulden. Zuletzt gilt es, die Ursache dieser Krise zu beseitigen. Die Euro-Kritiker sind nicht gegen den Euro. Sie kritisieren nur, dass vor dem Euro keine politische Union eingeführt wurde. Die wäre bitter nötig gewesen. Aber besser spät als nie. Die EU muss stärker zusammenwachsen, wenn sie solche Krisen in Zukunft vermeiden will. Zu einem gemeinsamen Europa gehört allerdings mehr als ein Fiskalpakt. Der sagt zwar, wie hoch die Defizite sein dürfen, aber nicht wie das erreicht werden kann. Stattdessen müssen die Europäer ihre Politik besser miteinander abstimmen. Ein europäischer Zentralstaat ist dazu nicht notwendig. Es genügt eine gemeinsame Finanz-und Wirtschaftspolitik, um Krisen wie die jetzige abzuwenden. Die Länder müssen mehr in Bildung investieren, die soziale Ungleichheit innerhalb der einzelnen Länder beseitigen, endlich die Bail-Out Klausel akzeptieren, europaweit Erbschafts-und Vermögenssteuer eintreiben und die Bankenaufsicht auf europäische Ebene stellen. Zu viel Zentralisierung ist zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch zu riskant und könnte sich sogar negativ auswirken.

Alle Macht geht vom Volke aus; ohne Volk keine Rettung

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Die Lohnsenkungen und die Sparmaßnahmen sind für die Menschen in Südeuropa beispiellos hart und in Griechenland scheitern sie unter anderem auch an der Bevölkerung. Der Professor für Volkswirtschaft Hans-Joachim Voth hat auf die Frage, wieso die Reformpolitik in Deutschland angeschlagen hat und in Griechenland und anderen südeuropäischen Staaten nicht, geantwortet, dass in Deutschland die Gewerkschaften mitspielen. Um Südeuropa wieder wettbewerbsfähig zu machen, müssen die Gewerkschaften und Parteien aber die Reformen stützen und Streiks und Demonstrationen beenden. Die Gewerkschaften glauben, sie sprechen für die Arbeiter und die Bevölkerung, wenn sie die Regierung sabotieren. Ganz besonders ausgeprägt ist diese Sicht in Griechenland, wo die Bevölkerung am härtesten sparen muss. Doch den Regierungen Europas muss eins klar sein: Wenn sie beabsichtigen, den Euro zu halten und dennoch ihre Probleme langfristig lösen wollen, brauchen sie die Unterstützung der Bevölkerung. Ohne das Volk werden die nötigen Reformen weder politisch, noch wirtschaftlich noch gesellschaftlich umsetzbar sein. Um dieses Problem zu lösen, gibt es nur eine Möglichkeit: Volksentscheide müssen her. Als erstes mag dieser Vorschlag erschreckend klingen. Doch bei genauerer Betrachtung fallen zwei Dinge auf: Er ist erstens alternativlos und zweitens würden bei einer Zustimmung zu diesen Sparprogrammen aller Wahrscheinlichkeit nach die sozialen Unruhen aufhören oder zumindest stark zurückgehen. Man stellt sich das Szenario einmal vor: Die Bevölkerung von Italien, Griechenland, Zypern, Malta, Portugal, Irland und Spanien wird zum Plebiszit gerufen. Dabei stehen zwei Alternativen zur Auswahl: Einmal der Austritt aus dem Euro oder das Verbleiben in der Währungsunion und allen damit verbundenen Sparmaßnahmen, Reformen und Umstrukturierungen. Man mag denken, dass das Ergebnis klar sein wird. Sparen war noch nie populär. Wenn die Programme jetzt auch noch zur Diskussion gestellt werden, wird vom Euro bald nicht mehr viel übrig sein. Ex-Premier Papandreou hatte schon einmal einen Volksentscheid vorgeschlagen. Die Märkte und die Bevölkerung des Landes reagierten darauf ziemlich entgeistert. Papandreou hatte dabei aber einen Fehler gemacht: Er hatte kein Konzept und konnte der Bevölkerung somit nicht sagen, was bei einem Austritt oder einem Verbleib in der Euro-Zone geschehen würde. Das Interesse war dementsprechend gering. Hätte man den Volksentscheid am Ende wirklich abgehalten, wäre die Wahlbeteiligung wahrscheinlich so niedrig gewesen, dass niemand sie als repräsentativ für die Bevölkerung Griechenlands gehalten hätte. Das müsste dieses Mal vermieden werden. Die Euro-Gruppe müsste dazu vorher ein Krisenkonzept entwickeln mit Lohnsenkungen, Strukturmaßnahmen, Produktivitätssteigerungen und so weiter und so fort. Und dann müssten die Regierungschefs der Euro-Zone der Bevölkerung reinen Wein einschenken und sagen, was ihnen bevorsteht, wenn sie für den Austritt oder für den Verbleib stimmen. Wenn in Griechenland, Spanien, Italien und/oder Portugal die Bevölkerung für den Austritt stimmt, würden diese Länder wieder die alten Währungen einführen, mit allen positiven und negativen Folgen. Wenn die Länder, oder zumindest ein Teil von ihnen, aber für den Euro stimmen und damit auch für alle damit einhergehenden Maßnahmen, würden die Gewerkschaften sich vermutlich der Regierung anschließen müssen. Sie könnten dann nicht mehr einfach alle Reformbemühungen nach Kräften torpedieren, andernfalls hätten sie ihre Glaubwürdigkeit bei den Südeuropäern verspielt. All diese Vorteile sind aber wertlos, wenn man davon ausgeht, dass die Bevölkerung aufgrund der harten Einsparungen und Kürzungen sowieso gegen den Verbleib in der Euro-Zone stimmt. Die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios ist aber geringer, als man zuerst annehmen mag. Die Menschen in Griechenland oder Portugal haben längst begriffen, dass sie über ihre Verhältnisse gelebt haben und sie wissen auch, dass die Anpassungen, die ihnen bevorstehen, unvermeidbar sind; mit und ohne Euro, denn ihnen ist durchaus bewusst, was ihnen bei einem Austritt droht. Dennoch ist das Risiko von einem oder mehreren Austritten vorhanden. Aber eines muss klar sein: Ohne die Unterstützung der Bevölkerung werden alle Versuche, die Euro-Staaten zu retten, scheitern. Es wird gegen ihren Widerstand keine Rettung mit dem Euro geben. Der Beweis ist die Wahl in Griechenland. Papandreous Volksentscheid hat man vorsichtshalber abgelehnt. Doch das unvermeidbare wurde damit nur hinausgezögert. Jetzt haben die Politiker die Quittung bekommen; die Sparkursbefürworter, Sozialisten und konservative, haben keine Mehrheit und die Opposition hat genug Stimmen, um jeden Kompromiss zu blockieren. Der Ausgang dieser Wahl ist aber auch nicht der Beweis für die Ablehnung gegenüber dem Euro. Sie war ein Protest und der Ausdruck von Enttäuschung. Die Griechen haben ihre schwierige Situation längst begriffen. Und noch ist sie nicht ausweglos. Aber die Euro-Retter zeigen den Menschen keine Perspektive. Wenn es die wieder gibt, werden auch die Reformen Erfolg haben, denn dann werden die Bürger sehen, dass es einen Ausweg gibt und wie dieser verläuft. Sie werden sich sicher sein können, was noch auf sie zukommt. Das wird hart sein, aber immerhin würde dann Klarheit herrschen und ein Ende mit Schrecken wäre absehbar. Immerhin aber besser, als ein Schrecken ohne Ende.

Und wenn nichts mehr hilft…

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Nun ist aber natürlich auch ein Volksentscheid kein Garant für Erfolg. Wer man vor dem Votum korrumpiert hat, wird man es auch danach vermutlich noch tun, selbst wenn man für den Euro gestimmt hat. Und es ist auch durchaus vorstellbar, dass die Bevölkerung gegen den Euro stimmt oder die Reformen und Sparmaßnahmen trotz aller Bemühungen scheitern: an den Strukturen, an den Politikern, an wem oder was auch immer. In diesem Fall könnten oder müssten kriselnde Länder wie Griechenland oder Spanien den Euro verlassen. Die nationale Währung würde dann sofort abwerten, es gäbe erst einmal Unruhen, aber für Ifo-Chef Hans-Werner Sinn überwiegen eindeutig die Vorteile einer nationalen Währung für Griechenland: „Nach zwei Jahren scheint wieder die Sonne“ in Hellas. Und auch der Ökonom Kenneth Rogoff hält den Austritt für die beste Alternative: „ Die Regierung in Athen sollte eine Art Sabbatical vom Euro einlegen“. Die Reichen würden wegen der Abwertung wieder in Immobilien investieren, die Touristen kämen zurück, die Bürger würden Nahrung aus Eigenproduktion kaufen und die Exporte würden steigen, zählt Sinn überzeugt die Vorteile auf. Als gutes Beispiel wird auch immer wieder Argentinien angeführt. Das hatte seine Währung bis zum Jahr 2001 an den US-Dollar gekoppelt, um Importe zu verbilligen und die Inflation zu bekämpfen. Doch seit der Aufwertung verlor das Land an Wettbewerbsfähigkeit und die Staatsschulden schossen in die Höhe. 2001 erklärte das Land seine Zahlungsunfähigkeit und entkoppelte die eigene Währung vom US-Dollar, damit das Land wieder abwerten konnte. Heute ist der Schuldenstand gering und das Land wieder wettbewerbsfähig.

Austritt ist kein Allheilmittel

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Bleibt also die Frage, wieso Griechenland nicht schon längst ausgetreten ist? Die Antwort ist simpel: Weil der Austritt leider nicht so einfach ist, wie die es die Worte von Sinn erkennen lassen. Zuerst einmal muss man deutlich zwischen Abwertungen, wie es sie in Russland oder Argentinien gab, und einem möglichen Währungsaustritt unterscheiden. Es ist etwas vollkommen anderes, wenn eine neue Währung eingeführt wird, wie wenn eine alte Währung einfach abgewertet wird. Einmal angenommen, Griechenland verlässt die Euro-Zone: Mit viel Glück gelingt eine Nacht-und Nebelaktion ohne vorangegangene Debatte in der Öffentlichkeit. Einer tagelangen öffentlichen Diskussion über den Austritt würde wahrscheinlich eine Kapitalflucht folgen und die gilt es zu vermeiden. Eines Morgens bleiben die Banken also geschlossen, eine Woche später öffnen sie wieder. Bis dahin wurden alle Bilanzen auf Drachme umgestellt. Dann wertet die Drachme ab. Griechenland hat sich in Euro verschuldet und muss auch im alten Wechselkurs zurückzahlen. Wenn die Drachme um 40-50% abwertet, steigen dementsprechend auch die Schulden. Das Land wäre augenblicklich bankrott, weil es seine Schulden nicht mehr bedienen könnte. Gleiches gilt auch für die Banken, deren Bilanzen ebenfalls auf Drachme umgestellt wurden. Die würden unter der Abwertung ebenfalls zusammenbrechen. Eine beinahe-Pleite des Bankensektors durch Abwertung ereignete sich während der Finanzkrise beispielsweise in Island. Und kaum würden die Banken wieder öffnen, würden die Bürger eilig ihre Konten räumen. Um ihre Vermögen ins Ausland zu schaffen, wäre es wohl nach einer Woche zu spät, aber durch die Ausfälle bei den Staatsanleihen und die steigende Verschuldung, drohte den Banken der Kollaps und somit den Bürgern der Verlust ihrer Ersparnisse. Der Bank-Run dürfte dem Bankensektor folglich den Rest geben. Allerdings würden die Banken noch versuchen zu retten, was zu retten ist und ihre Kredite bei Bürgern und Unternehmen zurückziehen. Damit wäre auch der Großteil der Firmen pleite. Nach der Insolvenz des Landes wären noch längst nicht alle Probleme gelöst. Der Staat müsste die Ausgaben den geringen und weiter sinkenden Einnahmen anpassen. Das Land könnte durch die extremen sozialen Ungleichgewichte an den Rand der Diktatur getrieben werden. Das würde die Rezession noch verschärfen, Massenarmut wäre die Folge. Der insolvente Bankensektor könnte auch keine Kredite zur Ankurbelung der Wirtschaft vergeben. Und der Staat wäre ebenfalls nicht in der Lage, dem Abschwung entgegenzusteuern. Das Land wäre vom Kreditmarkt abgeschnitten und sobald es nach einigen Jahren wieder Kredite aufnehmen wollte, müsste es wegen der drohenden Abwertung der Drachme ungeheure Zinsen bieten. Die Probleme des unflexiblen Arbeitsmarktes, der Korruption, der Steuerhinterziehung und der maroden Verwaltung bestünden zudem weiterhin. Einmal eine kurze Zwischenbilanz: Staat pleite, Banken pleite, Unternehmen pleite, Bürger pleite. Ob die wenigen verbleibenden Firmen mit ein paar zusätzlichen Exporten auf absehbare Zeit die Sonne wieder Scheinen lassen könnten? Ungewiss. Um die Folgen abzufedern, bekäme Griechenland natürlich Hilfsgelder vom IWF und es könnte die EU-Fördermittel in Anspruch nehmen, aber auch nur wenn es denn in der EU bliebe. denn ein Verlassen des Euro-Raums ist verbunden mit einem Austritt aus der EU. Aber selbst mit EU-Hilfsgeldern würden wie Hilfen kaum reichen, um dem Banken-und Staatkollaps ernsthaft etwas entgegenzusetzen. Und in Griechenland sehnt sich sowieso niemand nach der Drachme, weil die Inflationsraten in Griechenland vor der Euroeinführung außergewöhnlich hoch waren, was der ständigen Abwertung geschuldet ist.

Für die restliche Euro-Zone sind die Folgen ebenfalls ungewiss. Viele Befürworter des Austritts glauben nicht an eine Panik an den Märkten. Sinn nennt das „Argument für instrumentalisiert von Leuten, die um ihr eigenes Geld fürchten. In Wahrheit gehen nur die Vermögensportfolios einiger Investoren unter.“. Tatsächlich halten viele Marktteilnehmer den Austritt längst für unvermeidbar und beschlossen. Eine Panik wie nach der Lehman-Brothers-Pleite 2007 wäre aber dennoch vorstellbar. Die Investoren kalkulieren für diesen Fall wahrscheinlich einen Bank-Run ein. Die Verluste, die für den Rest der Euro-Zone durch den Austritt Griechenlands entstehen würden, wären erst mal tragbar. Aber das ist auch nicht die ausschlaggebende Frage. Es sind nicht die Märkte, die über die Zukunft des Euros entscheiden, sondern die Europäer selbst. Die erste Frage, die sich die Europäer nach einem Austritt Griechenlands stellen würden, wäre, ob es nun Griechenland besser geht. Über die Antwort ließe sich streiten. Die zweite Frage wäre, ob es nun der Eurozone besser ginge. Und die unweigerlich darauffolgende Frage wäre, wie die anderen Europäer diese Frage beantworten.

Am Anfang hieß es, mögliche Zahlungsschwierigkeiten eines Euro-Landes wären ein Gerücht und auch nur ein Gerücht. Griechenland drohte kurze Zeit später der Bankrott. Dann hieß es, es gäbe keine Beteiligung privater Gläubiger an einem Schuldenschnitt in Griechenland. Wenig später wurde der Schuldenschnitt auf 20 Prozent angesetzt, später auf 50 korrigiert und am Ende belief er sich auf 75 Prozent. Und nun wird von Finanzminister Schäuble laut über einen Austritt Griechenlands nachgedacht. Es wurde ein Versprechen nach dem anderen gebrochen. Was werden wohl die Portugiesen denken, wenn sie sehen, dass trotz aller Versprechen von europäischen Politikern, Griechenland nun doch zur Drachme zurückkehrt? Hatte es vorher nicht immer geheißen, dass das Ziel war, Griechenland in der Euro-Zone zu halten? Das letzte Tabu wäre gebrochen: Ein Land tritt aus dem Euro aus. Und der nächste Kandidat wäre dann womöglich Portugal. Diese Gerüchte würden natürlich eilig dementiert werden. Aber dementiert wurde ja schon öfter und am Ende hat sich doch keiner daran gehalten. Die Menschen in Portugal würden wahrscheinlich ihre Konten räumen, die Spanier würden es ihnen gleich tun und im schlimmsten Fall würden auch noch die Italiener mitziehen. Es würde eine Kapitalflucht von Nord nach Süd erfolgen. Der Bankensektor Südeuropas wäre augenblicklich pleite, die Risikoaufschläge auf Bank-und Staatsanleihen würden explodieren. Investoren würden noch schnell versuchen, ihr Geld abzuziehen. Die Pleite Südeuropas und seiner Banken würde den Austritt erzwingen. Italien stünde dasselbe Szenario bevor, wie Griechenland. Durch die Pleite von Italien, Spanien, Griechenland und Portugal würden 3,1 Billionen Euro fehlen. Frankreich könnte dasselbe Schicksal ereilen. Ein Verlust, der sich nicht mehr einfach so ausgleichen ließe. Es wäre die „Mutter aller Finanzkrisen“. Auch Deutschland wäre hart getroffen. Den Finanzinstituten stünden nicht nur Ausfälle auf Staatsanleihen aus dem Süden bevor. Auch Kredite, die an dortige Banken und Firmen vergeben wurden, würden nicht mehr zurückgezahlt werden. Um das Zusammenbrechen der Banken zu verhindern, müsste der deutsche Staat die Banken mit viel Geld gegen die Krise in Südeuropa abschirmen. Und durch die Massenpleite von Banken in Südeuropa würde auch die EZB Einbußen haben. Die hat den Banken der Euro-Zone rund eine Billionen Euro geliehen. Deutschland müsste für alle Verluste mit 27 Prozent einstehen. Sollten beispielsweise Ausfälle von 250 Milliarden Euro entstehen, müsste Deutschland der EZB 67,5 Milliarden Euro zum Ausgleich zur Verfügung stellen. Zusätzlich müsste Deutschland für seinen Anteil an den Notkrediten der Notenbanken einspringen. Wegen den Ausfällen von Ländern wie Spanien oder Italien müsste Deutschland voraussichtlich auch noch für deren Verbindlichkeiten einstehen. Das entspräche ca. 80 Milliarden Euro für den deutschen Anteil und im schlimmsten Fall noch einmal so viel, um die Ausfälle von Spanien und Italien zu ersetzen. Auch die Rettungsgelder, die an Portugal, Griechenland und Irland verliehen wurden, wären weg, was ungefähr einem Verlust von 40 Milliarden Euro entspricht. Und zuletzt sind da noch die so berüchtigten Target-2 Verpflichtungen. Die entstehen durch Ungleichgewichte beim Export und Import innerhalb der Eurozone. Ursprünglich sollten die gar nicht existieren, aber Deutschlands Export-Überschüsse schlagen hier zu Buche. Sollten die PIIGS pleitegehen, entstünde auch im Target-2 System ein Zahlungsausfall. Die Bundesbank hat Forderungen über 500 Milliarden Euro gegenüber den PIIGS. Dei deren Pleite würde die Bundesbank folglich 500 Milliarden Euro verlieren und die müsste der Steuerzahler ausgleichen. Deutschland mag ein sicherer Hafen für Anleger sein, ob er 800 oder 1000 Milliarden Euro wert ist, kann jetzt noch keiner sagen. Denn rund eine Billion Euro entspräche ungefähr der Summe, die der Staat für Target-2 Verluste, Notkredite, Bankenrettung, Rettungsschirmausfälle und EZB-Verluste aufwenden müsste. Wenn Deutschland das Geld von Investoren und Banken bekommen sollte, würde die deutsche Schuldenlast auf rund 110 Prozent des BIP ansteigen. Früher oder später müsste diese Summe mit gigantischen Sparpaketen abgetragen werden. Sollte Deutschland das Geld hingegen nicht auftreiben können und könnte es auch mit zusätzlichen Sparmaßnahmen nicht genug Geld einsammeln, wäre Deutschland pleite. Die Folge: Mit dem Staat geht auch der deutsche Bankensektor bankrott und viele weitere Unternehmen, die Arbeitslosigkeit steigt. Der Bankensektor bekam zwar vom deutschen Staat Hilfen für ausgefallene Anleihen aus Südeuropa, aber ein insolventer Staat kann nicht die Verluste auf die eigenen Anleihen ausgleichen.

Immerhin wären die Südeuropäischen Staaten durch die neuen Währungen wieder wettbewerbsfähig. In Argentinien hatte die Abwertung zudem noch einen weiteren Vorteil: Der Bankensektor des Landes hat mittlerweile so gut vorgesorgt, dass er selbst eine Pleite des eigenen Landes problemlos überstehen könnte. Seit dem Bankrott im Jahre 2001 leihen die Banken ihrem Staat keinen Cent mehr.

Aber selbst wenn es bei einem Austritt der Griechen bleiben würde und die restlichen Staaten mithilfe von den Turbulenzen mehr oder weniger verschont bleiben würden, wäre das noch keine endgültige Lösung. Zweidrittel der deutschen Exporte gehen in die Euro-Zone. Bei einem Austritt von Griechenland wäre der Exportüberschuss nur geringfügig verringert. Die Ungleichgewichte innerhalb der Eurostaaten, die sich in der Export-Importbilanz zeigen, wären immer noch fast vollständig vorhanden. Italien, Frankreich, Spanien und Portugal müssten weiterhin Löhne kürzen, Ausgaben streichen und Arbeitsmarktreformen vorantreiben. Der Ökonom Paul Krugman machte den Vorschlag, in Griechenland die Drachme einzuführen, was er als zwingend notwendig ansieht, gleichzeitig hält er aber auch die darauffolgende Kapitalflucht in Europa für unvermeidbar. Deswegen sollte die EZB in der Zeit des Bank-Runs die Geldschleusen für die Banken unbegrenzt weit öffnen. Der Bankencrash wäre zwar erst mal vermieden, im Markt wäre aber plötzlich eine viel zu große Liquidität, da die EZB wegen des Austrittes von Griechenland vermutlich die Notenpressen anwerfen müsste. Viele Billionen Euros würden „gedruckt“ werden, um die Banken im Euroland am Leben zu erhalten. Das Geld könnte man so schnell nicht mehr aus dem Umlauf nehmen. Spekulationsblasen und Inflation würden zunehmen. In diesem Fall wäre es nicht mehr so einfach, die Notenpressen wieder abzustellen. Die gigantischen Geldmengen, die bei jedem Schock in den Markt gespült werden, könnten zur Gewohnheit werden und eine Abhängigkeit vom billigen Zentralbankgeld erzeugen. Gleichzeitig würde die Euro-Zone das Vertrauen von Investoren verlieren.

So viel man von einem Austritt Griechenlands zur Rettung der Euro-Zone auch halten mag: Der Austritt von Griechenland würde den Griechen nur eventuell helfen. Die neue Euro-Zone sähe sich aber weiterhin mit denselben Problemen konfrontiert wie im Moment, sie stünde immer noch fast am Anfang, durch das viele EZB-Geld wäre sie womöglich noch etwas zurückgeworfen. Es gibt allerdings einen Weg, dem Griechenlandszenario zu entgehen. Staats-und Bankschulden würden nicht steigen, wenn die Südstaaten beim Euro blieben. Um den abzuwerten, müssten die soliden Länder wie Deutschland, Finnland, Estland, Niederlande, Luxemburg und Österreich austreten. In diesem Fall könnten die Mittelmeeranrainer abwerten. Die alten Verbindlichkeiten blieben dagegen trotzdem gleich, da diese Länder ja noch mit Euro zahlen würden. Auch der Bank-Run würde erst mal kleiner ausfallen, weil die Nordwährungen gegenüber den Euros aus Südeuropa augenblicklich aufwerten würden und ein Umtausch mit hohen Abschlägen verbunden wäre.

Jedoch würden die Gläubiger der Südeuropäer in diesem Fall durch die Abwertung des Euro hohe Verluste hinnehmen müssen. Um diese zu vermeiden, würden sie eilig die Staatsanleihen der neuen Eurogruppe auf den Markt werfen. Die Risikoaufschläge auf Bonds aus diesen Ländern würden daraufhin massiv ansteigen. Banken und Staaten würden unter Druck geraten, die Menschen würden anfangen ihre Konten zu plündern. Das Problem mit den Banken wäre wieder da, das man hätte, wenn die PIIGS anstatt der solventen Staaten austreten und wieder würden die südeuropäischen Staaten bankrottgehen. Und die Abwertung des Euro würde zusätzlich noch die südeuropäischen Firmen treffen, die auch mit dem harten Euro schon wettbewerbsfähig waren. Denn solche sind für gewöhnlich auf Importe wie etwa Rohstoffe aus dem Ausland angewiesen. Die würden dann deutlich teurer werden. Die exportierten Waren würden im Gegenzug aber billiger verkauft werden, im schlimmsten Fall weit unter Wert. Dauerhaft ist die Abwertung sowieso keine gute Alternative, denn durch sie treten sogenannte Zweitrundeffekte auf. Wegen der Abwertung steigen die Preise von importierten Waren. Die Arbeitgeber müssen folglich die Löhne der Arbeitnehmer erhöhen, um die Inflation auszugleichen. Die Arbeitnehmer geben das zusätzliche Geld wiederum aus, die Inflation nimmt zu und die Arbeitgeber müssen die Löhne wieder erhöhen. So verpufft der Effekt der Abwertung und die Währung muss ein weiteres Mal abgewertet werden, womit der Zweitrundeneffekt ein weiteres Mal eintritt. Es droht ein Teufelskreis in dem die Mittelschicht zum Verlierer wird, denn durch die ständige Abwertung steigt auch die Inflation. Zudem ächzen Unternehmen unter den ständigen Lohnerhöhungen, die sie ihren Angestellten zum Ausgleich der Inflation zahlen müssen. Auch für Investoren ist ein solches Land nicht unbedingt attraktiv. Die können zwar direkt nach der Abwertung günstig investieren, wird die Währung aber danach ein weiteres Mal abgewertet, verliert die Anlage an Wert. Und ob sich bei zunehmenden sozialen Unruhen mehr Touristen nach Griechenland trauen, ist nur schwer vorstellbar.

Ein Szenario, bei dem die solventen Staaten den Euro verlassen, ist zudem nur denkbar, wenn alle wirtschaftlich unsoliden Länder im Euro bleiben. Wer der Meinung ist, nur Griechenland sollte austreten, dürfte mit dieser Möglichkeit ohnehin kaum zufrieden sein. Einen Austritt vertragen nur finanziell starke Länder, wie Deutschland oder Finnland. Nur Portugal und Griechenland im Euro zu lassen, wäre keine Alternative, weil dann Spanien, Frankreich und Italien austreten müssten und abwerten würden. Deren Schulden würden wieder steigen. Umstrittener sind im Falle des Austritts der Nordstaaten aber die Folgen für sie selbst. Als erstes würde vermutlich alle Welt ihr Geld in der neuen D-Mark anlegen wollen. Sie hätte den neuen Status als zweiter Schweizer Franken. Die Banken könnten sich also erst einmal über neue Einlagen freuen. Die Folge wäre eine starke Wertsteigerung der D-Mark. Ökonom Dirk Meyer geht in diesem Fall von einer Aufwertung zwischen 15 und 25 Prozent aus, der Wirtschaftsweise Peter Bofinger rechnet mit einem Anstieg zwischen 30 und 40 Prozent. Um dasselbe Maß würden auch die Deutsche Staatsverschuldung und die Bankschulden sinken. Die Importe, die in Deutschland immerhin 900 Milliarden Euro betragen, würden billiger und für deutsche Firmen würden Investitionen und Produktion im Ausland günstiger werden. Zu Ende gedacht, heißt das aber auch, dass diese Firmen mehr Arbeitsplätze ins Ausland verlegen. Und auch die Exporte würden schrumpfen. Ausländischen Importeuren könnte man Preissteigerungen von 20 Prozent nur schwer vermitteln. Exporteinbußen um die 100 Milliarden Euro werden für diesen Fall geschätzt. Auch sonst unterscheiden sich die Folgen eines Ausscheidens der Peripheriestaaten kaum von einem Austritt der Kernstaaten: Der Bankenkollaps und die Staatspleiten in Südeuropa blieben nicht ohne Folgen für das deutsche Bankensystem. Der Staat würde den Bankenrettungsschirm aufstocken müssen und der Steuerzahler müsste die Banken dann mit weiteren Milliarden retten. Das Geld, das an Irland, Portugal und Griechenland geflossen ist, wäre ebenfalls weg. Zudem würde auch bei einem Austritt Deutschlands die Bundesbank auf ihren Target-2 Forderungen gegenüber den südeuropäischen Staaten sitzen bleiben. Wieder müsste der Steuerzahler einspringen. Durch den Exporteinbruch würden die Arbeitslosigkeit steigen, die Steuereinnahmen sinken und die Sozialausgaben wachsen. Das hätte zur Folge, dass Deutschlands Verschuldung wieder stärker zunehmen würde. Die Renditen auf Bonds würden sich in der Folge wahrscheinlich erhöhen. Auch für wirtschaftlich und finanziell solide Staaten würden die Nachteile insgesamt überwiegen.

Europa in Gefahr

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Im Worst Case, der aber unwahrscheinlich ist, zerbricht an dieser Krise dann nicht nur der Euro, sondern auch noch die EU. Denn jedes Land, das den Euro verlässt, muss auch die EU verlassen. Aber selbst, wenn sich dieses rechtliche Hindernis umgehen lässt, stehen Europa schwierige Zeiten bevor: Eine Krise, die die Mittelschicht zersetzt, befördert zumeist Extremisten an die Macht. In einer verkleinerten Form geht dieses Phänomen mittlerweile in fast ganz Europa um. Die europäische Idee steht immer öfter zur Diskussion. Wenn die extreme Rechte und Linke noch weiter Zulauf bekommt, ist die Existenz der EU gefährdet. Griechenland steht jetzt schon am Rande der Unregierbarkeit. Schuld daran ist in besonderem Maße die derzeitige Krise, die die Bevölkerung in die Arme von Kommunisten und Neonazis treibt. Aber nicht nur das kriselnde Griechenland ist von dieser Problematik befallen. In den Niederlanden ließ der Rechtspopulist Gert Wilders die Regierung an seinem Widerstand im Parlament zerbrechen, die rechtsradikale Front National-Vorsitzende Marine Le Pen erhielt bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich satte 18 Prozent, in Griechenland sind die Faschisten im Parlament mit acht Prozent auch noch unglaublich stark vertreten und in Italien macht die Lega Nord, die in Norditalien teilweise 30 Prozent erreicht, nicht nur mit Parolen gegen Sizilien Wahlkampf. Der neue Feind heißt Europa. Noch stellen die etablierten Parteien die Mehrheit und in Deutschland hat der Antieuropa-Trend noch keine ernstzunehmende Anhängerschaft gefunden. Doch wenn diese Krise außer Kontrolle gerät und die Länder in noch tiefere Unruhen schlittern, besteht die Gefahr eines Auseinanderbrechens der EU: Die Antieuropäischen Parteien in Südeuropa würden sich weiterhin zu Beschützern der wehrlosen und hilflos ausgelieferten Bevölkerung gegenüber dem imperialistischen Nordeuropa, angeführt vom 4. Deutschen Reich, deklarieren. Ihnen gegenüber stünden Rechtspopulisten in Nordeuropa. Diese wollen die fleißigen und braven Arbeiter und Steuerzahler in Nordeuropa davor bewahren, dass ihr Geld für faule und korrupte Schmarotzer im Süden verbrannt wird, die sich auf Kosten des Nordens ein schönes Lebens machen, während die eigene Bevölkerung darben muss. Sollte der Euro geteilt werden oder gar zerbrechen, drohen massive soziale Unruhen. "Wenn Griechenland aus dem Euro raus ist, kann alles passieren - bis hin zur Militärdiktatur", mahnt Wissenschaftler Heribert Dieter von der SWP. Falls sich dieser Prozess weiter fortsetzt, wird am Ende von der EU nicht mehr viel übrig sein. Stattdessen werden die Beziehungen der womöglich ehemaligen Euro-Staaten von tiefem Misstrauen geprägt sein, es fände ein Prozess der Re-Nationalisierung statt. Protektionismus käme wieder zurück auf die politische Agenda. Das europäische Erbe, das sich seit 1945 immer weiter fortgebildet hat, wäre auf einen Schlag zerstört.

Die Politiker haben es in der Hand

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Die Lösung der Krise liegt bei den Politikern. Natürlich ist diese Krise auch eine finanzpolitische und wirtschaftliche Krise. Aber noch vor all diesen Problemen ist diese Krise eine politische Krise: Eine Krise des Willens. Ein Beispiel: Man könnte Reiche auf europäischer Ebene an den Kosten beteiligen. Aber einfacher ist es, die nationale Politik voranzutreiben. Man könnte durch Verhandlungen mit der Schweiz auch die Steuerhinterzieher endlich zur Kasse zu beten. Aber dafür müsste die EU eine gemeinsame Linie finden und Großbritannien oder Zypern müssten ebenfalls Veränderungen vornehmen. Alle finanziellen und wirtschaftlichen Probleme sind lösbar, wenn die Politiker Europas, sowohl Regierungen als auch Opposition, die finanziellen, wirtschaftlichen und politischen Probleme gemeinsam entschlossen genug angehen. Dazu müssen die bisherigen Maßnahmen aber erweitert werden. Das erfordert wiederum, etwas ändern zu wollen. Der Wille und die Zielstrebigkeit der Politik sind für diese Krise entscheidend. Die Europäer müssen sich jetzt darüber klar werden, was sie wollen und welchen Preis sie bereit sind, dafür zu zahlen. Es reicht nicht mehr, Zeit zu kaufen und sich um Entscheidungen herumzudrücken. Es ist entscheidend, dass alle Möglichkeiten - sowohl Erhalt des Euros, als auch Austritt Griechenlands oder auch die Spaltung des Euros oder oder oder - und deren Folgen auf den Tisch kommen, damit die Politiker endlich die Dringlichkeit zu entschlossenem Handeln begreifen. Es wird keine ideale Lösung geben. Die Regierungen Europas werden sich auf eine Strategie festlegen und eine Entscheidung treffen müssen, auch wenn diese unpopulär sein wird - und das wird sie. Jetzt können die Politiker nur noch Schadensbegrenzung betreiben und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Vermeiden lassen wird sich eine Entscheidung nicht, wenn diese Krise auf absehbare Zeit mit zumutbaren Verlusten gelöst werden soll; Diese Strategie, ganz egal auf welche es am Ende herausläuft, wird in jedem Fall teuer und unüberschaubare Risiken bergen. Aber am teuersten und gefährlichsten ist die jetzige Strategie: Keine.


Von Marius Gröteke