Bundeskanzler stellt beim Bundespräsidenten Antrag für Neuwahlen

Artikelstatus: Fertig 1. Jul. 2005 (CEST)
Bitte keine weiteren inhaltlichen Veränderungen vornehmen, sondern einen Folgeartikel schreiben.

Berlin (Deutschland), 01.07.2005 – Weniger als zwei Stunden nachdem der Bundestag dem Bundeskanzler das Vertrauen entzogen hatte, war Gerhard Schröder beim Bundespräsidenten zu einem etwa fünfzehnminütigen Gespräch, in dem er vorschlug, als Folge der Abstimmung über die Vertrauensfrage das Parlament vor Ablauf der Legislaturperiode aufzulösen und damit Neuwahlen einzuleiten. Der Bundespräsident erklärte, die zu prüfenden Fragen seien komplex, daher behalte er sich vor, für seine Entscheidung die in Art. 68 Abs. 1 Grundgesetz festgelegte Frist von 21 Tagen auszuschöpfen.

Unterdessen geht die Diskussion über die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des Vorgehens beim Einbringen der Vertrauensfrage in den Bundestag weiter. So erklärte der Staatsrechtler Hans-Peter Schneider gegenüber dem SPIEGEL, der Bundeskanzler werde mit dem Vorgehen bei der Vertrauensfrage vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. In diesem Zusammenhang bewertete er die Ausführungen von SPD-Fraktions- und Parteichef Franz Müntefering vor dem Bundestag in der Debatte über die Erklärung des Kanzlers als „katastrophal“. Müntefering hatte gesagt, der Kanzler habe das Vertrauen der SPD-Fraktion und die Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel bekäme bei einem konstruktiven Misstrauensvotum keine Mehrheit. Ähnlich äußerte sich der Staatsrechtler Josef Isensee, der bezweifelte, ob die Vertrauensfrage ausreichend und glaubwürdig begründet sei, so wie es die Verfassung verlangt.

Die Entscheidung des Bundespräsidenten Horst Köhler wird sich bei seiner Prüfung, ob das Verfahren der Vertrauensfrage mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist, in dem durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1983 festgelegten Rahmen bewegen. Die damalige Entscheidung über die Auflösung des Bundestages nach einer verlorenen Vertrauensfrage des Altbundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) orientierte sich vor allem an der Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers: „Die politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag müssen seine Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, dass er eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag.“ Der einfache Wunsch aller Parteien nach einer Neuwahl des Parlaments allein reiche dafür nicht aus.

Wenn der Bundespräsident den gesetzlichen Rahmen für seine Entscheidung ausschöpft, gilt der 18. September 2005 als der wahrscheinlichste Wahltermin, weil dann die Sommerferien in Deutschland zu Ende sind.

Themenverwandte Artikel

Quellen